News: Todesstrafe nach gescheiterter Revolution
Die südamerikanische Ameisenart Dinoponera quadriceps kommt jedoch ohne lebenslang amtierende Königin aus. Bei ihr gehören alle Weibchen zunächst zur Kaste der Arbeiterinnen und sind prinzipiell vermehrungsfähig. Dennoch herrscht im Ameisenstaat keineswegs Anarchie. Vielmehr wird das Volk von etwa 80 Arbeiterinnen von einer einzigen Auserwählten regiert, die sich aus einem hohen sozialen Rang rekrutiert und als Alpha-Tier die Vermehrung des Volkes sicherstellt. Neben ihr leben etwa drei bis fünf weitere hochrangige Arbeiterinnen, die nur darauf warten, ihrerseits die Herrschaft anzutreten. Umsturzversuche sind damit vorprogrammiert.
Das Alpha-Tier reagiert natürlich auf derartige Revolutionen und wird nicht kampflos das Feld räumen. Erbitterte Auseinandersetzungen um die Herrschaft im Staate sind daher bei D. quadriceps gang und gäbe – nicht selten mit tödlichem Ausgang. Die Herrscherinnen auf Zeit verfügen jedoch auch über subtilere Methoden, einen Umsturzversuch zu vereiteln, wie Thibaud Monnin von der University of Sheffield jetzt herausfand: Sie verlässt sich auf die Mithilfe ihrer Untergebenen.
Dafür markiert die amtierende Herrscherin ihre Herausforderin lediglich mit einem Sekret. Diesen Duftstoff bildet die Ameise in ihrer Dufour'schen Drüse, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Giftblase am Hinterleib des Tieres befindet. Wie gaschromatographische und massenspektrometrische Untersuchungen von Monnin und seinen Kollegen ergab, unterscheidet sich das hauptsächlich aus Kohlenwasserstoffen bestehende Drüsensekret des Alpha-Tieres deutlich vom Sekret der übrigen Tiere des Volkes.
Jede durch dieses Sekret stigmatisierte Ameise erleidet ein gnadenloses Schicksal: Sie wird von rangniedrigen Arbeiterinnen eingekreist und oft über mehrere Tage gefangen gehalten. Dabei gehen die Wärterinnen mit ihrer Gefangenen nicht gerade zimperlich um, sondern bestrafen sie durch häufiges Zubeißen. Meist überlebt die gescheiterte Revolutionärin diese Tortur nicht. Tut sie es doch, dann hat sie ihren hohen sozialen Status verloren und damit die Chance, jemals die Herrschaft zu erlangen.
Doch warum lassen sich die Arbeiterinnen auf dieses Bündnis überhaupt ein? Der Grund liegt in den Verwandtschaftsverhältnissen des Staates: Als Töchter der amtierenden Herrscherin sind sie mit deren Nachwuchs – also ihren Geschwistern – enger verwandt als mit der möglichen Nachkommenschaft einer ihrer Schwestern, die den Aufstand probt. Ein Bündnis zwischen Arbeiterschaft und Establishment ist somit für beide Seiten von Vorteil.
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