Ostsee: Todeszonen wie seit 1500 Jahren nicht gesehen
So genannte Todeszonen treten in der Ostsee seit jeher auf, doch heutzutage habe das Problem rekordhafte Ausmaße angenommen, schreiben Forscher um Sami Jokinen von der Universität Turku in einer aktuellen Studie. Anhand zweier Sedimentbohrkerne aus dem Schärenmeer vor Finnland konnten sie ablesen, dass zu keinem Zeitpunkt in den letzten 1500 Jahren weniger Sauerstoff im Untersuchungsgebiet gelöst war als heute.
Lage, geringe Tiefe und sogar tektonische Prozesse machen die Ostsee besonders anfällig für die Entstehung von Todeszonen. Aber der Nährstoffeintrag durch die Intensivlandwirtschaft und der Klimawandel hätten das Problem deutlich verschärft, erläutern Jokinen und Kollegen im Magazin »Biogeosciences«. Das gelte insbesondere für die Küstengewässer der Ostsee.
Der großflächige Einsatz von Dünger und die Tierhaltung sorgen dafür, dass Nährstoffe in die Flüsse und schließlich in die Ostsee gelangen und dort zu einer Algenblüte führen. Haben die Mikroorganismen alle Nährstoffe verbraucht, sterben sie ab und sinken zu Boden, wo sie von Bakterien unter Sauerstoffverbrauch zersetzt werden. Dieser Prozess ist es, der den Sauerstoffgehalt auf ein Maß reduziert, bei dem die meisten Meereslebewesen auswandern müssen oder sterben. Die Folgen sind verheerend für das Ökosystem unter Wasser, aber mittelbar betroffen ist auch der Mensch, da unter anderem Fischbestände einbrechen können.
Bemerkenswert finden die Forscher, dass der Rückgang des Sauerstoffgehalts schon am Anfang des 20. Jahrhunderts begann und nicht erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Düngereinsatz noch einmal erheblich gesteigert wurde. Das zeige, wie empfindlich das System auf die Nährstoffzusammensetzung reagiere. Haben sich erst einmal Todeszonen ausgebildet, hält eine Art Teufelskreis sie stabil. Durch die Zersetzung der Algen in der Tiefe wird an der Oberfläche das Wachstum von Zyanobakterien angeregt, die wiederum Stickstoff aus der Luft binden und damit Voraussetzungen für die nächste Algenblüte schaffen.
Dieser langlebige Kreislauf verhindert wohl auch, dass seit 2007 ergriffene Maßnahmen zur Reduktion des Nährstoffeintrags Erfolge zeigen, wie Jokinen und Kollegen gegenüber dem »Guardian« erklären. In den Bohrkerndaten hätten sie keine Hinweise darauf gefunden, dass die Menge an Sauerstoff im Wasser im letzten Jahrzehnt wieder zugenommen hätte. Möglicherweise komme hier noch ein weiteres Phänomen zum Tragen, das einer raschen Erholung entgegensteht: Der Klimawandel erwärmt das Wasser der Ostsee und reduziert dadurch zusätzlich die Menge des enthaltenen Sauerstoffs.
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