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Kampf ums Dasein: Todgeweihte Ameisen überleben im isolierten Atombunker

Kein Licht, keine Wärme, keine Hoffnung, kein Essen: Immer wieder stürzen Ameisen auf Nimmerwiedersehen in einen alten sowjetischen Atombunker. Aber: Aufgeben ist keine Option.
Ameisenarbeiterinnen räumen emsig den Kolonieeingang frei

In einem verlassenen Atombunker kämpfen seit vielen Jahren Abertausende verunglückte Ameisen auf verlorenem Posten verbissen ums Überleben, berichten Forscher aus der westpolnischen Grenzregion bei Międzyrzecz. Ihre Erkundungen zeigen: Immer wieder fallen hier Arbeiterinnen aus einem ganz regulären Nest der Kahlrückigen Waldameise Formica polyctena ohne jede Aussicht auf Wiederkehr durch einen rostigen Belüftungsschacht ins dunkle Nichts eines hermetisch abgesperrten ehemaligen sowjetischen Atomwaffenbunkers. Nach dem Sturz sammeln sie sich aber am Boden mit ähnlich unglücklichen Artgenossen und bilden – offenbar seit Jahren – eine Notfallkolonie ohne Königin, Männchen, Nahrungsreserven, Wärme und Tageslicht. Wie die Tiere dort eigentlich überleben, ist den Forschern noch weitgehend ein Rätsel.

Todesfalle Lüftungsschacht | Die Todesfalle: Auf diesem rostigen Lüftungsschacht siedeln seit vielen Jahren Waldameisen. Durch die immer größeren Rostlöcher fielen über die Jahre wohl abertausende Tiere.

Klar ist, dass eine solche "Kolonie" keinen eigenen Nachwuchs produziert – sie ist daher auf ständigen Nachschub von weiteren abstürzenden Ameisen angewiesen, um den unausweichlichen Tod ihrer Mitglieder auszugleichen. Dennoch hält sich die Schicksalsgemeinschaft in guter Ordnung offenbar seit Jahren, wie die Forscher herausfanden, nachdem sie sich mehr oder weniger inoffiziell Zugang zu dem nach Ende des Kalten Kriegs aufgegebenen Bunker verschafft hatten. Die Kolonie selbst legten die Unglücks-Ameisen auf dem sandigen Bunkerboden unterhalb des fatal durchgerosteten Lüftungsschachts an – umgeben ist sie aber mittlerweile von säuberlich in mehreren Lagen teils zentimeterhoch aufgeschichteten Ameisenleichen, die von den lebenden Untergrundarbeiterinnen unermüdlich aus dem Notbau getragen und entsorgt werden. Die Forscher schätzen, dass auf einem Quadratzentimeter des nestnahen Bunkerbodens so rund 8000 Leichen liegen – was bedeutet, dass hier insgesamt bereits rund 2 Millionen Tiere abstürzten, ums Überleben kämpften und verendeten. Die lichtlose Kolonie muss daher schon seit einigen Jahren existieren.

Formica-polyctena-Arbeiterinnen bei der Arbeit | Unglückliche Mitglieder der Untergrund-Kolonie: Arbeiterinnen von Formica polyctena bei ihrer Arbeit, den Kolonieeingang frei zu halten. Die Aufnahme schossen die Forscher auf dem Bunkerboden im kalten Januar 2015.

Auf dem ameisenbedecken Bunkerboden bildete sich im Lauf der Zeit ein ganz eigentümliches Ökosystem: Milben und wenige Arten anderer wirbelloser Tiere ernähren sich augenscheinlich von den Massen an anfallenden toten Insekten. Diesen fehlt es indes an Nahrung: Es ist recht unwahrscheinlich, so die Forscher, dass sie ihrerseits die Milben verspeisen. Vielleicht gelang es den Tieren, die einzige andere mögliche Nahrungsquelle anzuzapfen, den vor Ort ebenfalls reichlich anfallenden Fledermauskot, spekulieren die Wissenschaftler, ohne dafür allerdings bisher Beweise gefunden zu haben.

Waldameisen-Kolonien wachsen und gedeihen im Normallfall nur in wärmeren Bedingungen und bei besserer Nahrungsversorgung – und natürlich nur, wenn eine Königin Nachwuchs produziert. Einzelne Individuen und Gruppen können aber nachweislich auch unter schlimmen Bedingungen lang durchhalten: Bekannt sind etwa Fälle wie ein ausgesetztes Grüppchen von Waldameisen, das 22 Jahre lang auf einer winzigen finnischen Insel überlebte, weil es von den Ausscheidungen der Blattläuse satt wurde, die auf der einzigen einheimischen Krüppelkiefer saugten. Für die Absturzameisen im polnischen Bunker wären dies vergleichsweise paradiesische Zustände.

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