Virologie: Tödliche Lähmung
Bienen gehören zu den wichtigsten Nutztieren der Menschen - nicht nur wegen ihres Honigs: Ohne ihre umfassenden Bestäubungsleistungen fielen viele Ernten mager aus. Doch Krankheiten und Parasiten setzen ihnen schwer zu, und ganze Völker kollabieren. Nun wurde ein neues Problemvirus identifiziert.
Spätestens seit 2004 stecken die amerikanischen Imker mitsamt ihren Bienenvölkern in einer schweren Krise: Machten ihnen schon zuvor Parasiten wie die schmarotzende, brutzerstörende Varroa-Milbe zu schaffen, kollabierten nun plötzlich ganze Kolonien – in vielen Fällen ohne ersichtlichen Grund. In diesem Jahr nun spitzte sich die Problematik mit unbekanntem Auslöser dramatisch zu. Ein Viertel der rund 2,4 Millionen Bienenvölker der USA verschwand quasi im Nichts, in manchen Region waren zwischen 50 und 90 Prozent der Stöcke von diesem Symptom betroffen, das die Experten bald als Colony Collapse Disorder (CCD) titulierten. Auch Deutschland, die Schweiz, Spanien, Italien und Portugal meldeten schon erste Fälle.
Schwere Schäden
Dieses Bienensterben war aber nicht nur für ihre Halter eine Katastrophe, sondern auch für viele Landwirte: An den kleinen Nützlingen hängen allein in den USA Umsätze von mehr als zehn Milliarden Euro. Denn anders als etwa in Deutschland widmen sich in den Vereinigten Staaten nicht überwiegend Privatleute den Bienen als Freizeitbeschäftigung. Es ist vielmehr ein industrialisiertes Gewerbe, bei dem Tausende von Völkern jeden Tag per Lastwagen über die Lande kutschiert werden, um gegen Bezahlung Mandel- oder Obstbaumplantagen, Erdbeer- und Tomatenfelder oder auch bestimmte Getreidesorten und Ölsaaten zu bestäuben – eine Tätigkeit, die den Insekten kürzere winterliche Ruhepausen beschert als ihren europäischen Artgenossen. Dazu kommen die ständigen Transporte und Ortswechsel.
In einer konzertierten Aktion betrieben deshalb dreißig Wissenschaftler um Diana Cox-Foster von der Pennsylvania State University in University Park innerhalb von fünf Monaten weitere Ursachenforschung in der Angelegenheit CCD mit einer so genannten Metagenom-Studie [1]. Dazu sequenzierten sie genetisches Material aus Bienenstöcken, die in unterschiedlichen Regionen von dem Sympton heimgesucht worden waren, und verglichen es mit Proben von Hawaii – bis dorthin drangen noch keine Varroa-Milben vor –, augenscheinlich gesunden Völkern aus Australien und Pennsylvania sowie chinesischem Gelée Royale. Letzteres ist ein Kopfdrüsensekret, das bei ausschließlicher Fütterung durch die Arbeiterinnen neue Königinnen aus ausgewählten Larven heranzieht. Die Importware ist eigentlich für den menschlichen Konsum bestimmt, doch einige Imker setzen es ein, um gezielt neue Staatsoberhäupter zu gewinnen.
Cox-Foster und ihre Kollegen profitierten bei ihrer Analyse von Vorarbeiten des Honey Bee Genome Project, das vor einem knappen Jahr das komplette Erbgut der emsigen Honigsammler entschlüsselt hatte. So konnten sie ihre erhaltenen Genom-Linien der Bienen abgleichen und aus den Ergebnissen eliminieren. Übrig blieben dann nur noch jene Sequenzen, die von Parasiten, Pilzen, Bakterien, Viren oder anderen Fremdwesen eingebracht wurden.
Ein Virus als Auslöser?
Relativ schnell ausschließen konnten die Forscher die vorhandenen Bakterien, die alle schon lange bekannt waren und sich in dieser Zusammensetzung in Studien aus anderen Teilen der Erde gleichermaßen nachweisen ließen. Ein potenziell krankheitserregender Einfluss ihrerseits schied deshalb aus – im Gegenteil: Die fünf nachgewiesenen Mikrobengruppen erfüllen im Bienenkörper zum Teil ähnliche Aufgaben wie menschliche Darmbewohner. Ebenfalls ohne die CCD-pathogene Wirkung schienen die vier entdeckten Pilzsspezies zu sein, die sich in gesunden wie in kranken Beständen gleichermaßen tummelten, obwohl sich darunter mit Nosema apis und N. ceranae zwei bekannte Bienen-Schädlinge fanden.
Neuerlich zeigten sich Parallelen, denn alle mit IAPV infizierten Völker schleppten gleichzeitig KBV mit sich, dennoch scheint das Kaschmir-Bienenvirus nicht der Hauptschuldige für die letale Bienen-Desertation zu sein: Es findet sich auch in gesunden Populationen. IAPV dagegen trat nur in kranken Beständen auf. Einen weiteren Verdachtsmoment liefert der Zeitpunkt, an dem CCD erstmals in den Vereinigten Staaten auftrat, denn die Malaise begann kurz nachdem 2004 die ersten Bienenvölker aus Australien importiert werden durften – auch in der australischen Vergleichsprobe ermittelten die Wissenschaftler IAPV.
Vom fünften Kontinent ist allerdings noch kein Fall von CCD bekannt. Und in Israel, wo das Virus zuerst entdeckt wurde, löst es bei den Insekten zwar Flügelzittern und Lähmungserscheinungen aus, aber nur wenige Arbeiterinnen sterben außerhalb des Baus, der Großteil verendet in der eigenen Heimstatt. In Amerika entfliehen sie dagegen – vielleicht um ihren Staat und die Brut zu schützen. Die Imker finden jedenfalls kaum tote Tiere in der Nähe ihrer Anlagen.
Kein endgültiger Beweis
Cox-Foster mahnt deshalb zur Vorsicht: "Ob IAPV nun tatsächlich die Ursache oder nur ein guter Indikator für den Kolonienzusammenbruch darstellt, greifen wir als nächste große Fragestellung auf." Und auch ihr Kollege Jeffery Pettis vom Bienenforschungslabor der US-Landwirtschaftsministeriums warnt: "Ich hoffe, niemand denkt nun, wir hätten tatsächlich schon das Problem gelöst."
Mit Medikamenten behandeln kann man die Infektion bislang noch nicht. Pettis empfiehlt deshalb höchste Hygiene im Stock, damit Milben, Pilze oder andere Schädlinge dort keine kritischen Marken erreichen. Immerhin glimmt im Nahen Osten ein Hoffnungsschimmer auf. Nach Aussage von Ilan Sela integrierten manche der von ihm getesten Bienen bereits Teile des IAPV-Bauplans in ihr eigenes Genom: Sie sind nun gegen das Virus immun.
Schwere Schäden
Dieses Bienensterben war aber nicht nur für ihre Halter eine Katastrophe, sondern auch für viele Landwirte: An den kleinen Nützlingen hängen allein in den USA Umsätze von mehr als zehn Milliarden Euro. Denn anders als etwa in Deutschland widmen sich in den Vereinigten Staaten nicht überwiegend Privatleute den Bienen als Freizeitbeschäftigung. Es ist vielmehr ein industrialisiertes Gewerbe, bei dem Tausende von Völkern jeden Tag per Lastwagen über die Lande kutschiert werden, um gegen Bezahlung Mandel- oder Obstbaumplantagen, Erdbeer- und Tomatenfelder oder auch bestimmte Getreidesorten und Ölsaaten zu bestäuben – eine Tätigkeit, die den Insekten kürzere winterliche Ruhepausen beschert als ihren europäischen Artgenossen. Dazu kommen die ständigen Transporte und Ortswechsel.
Schnell galt daher Stress als eine der Ursachen von CCD; Wissenschaftler deuteten zudem auf Pestizide, Parasiten, Klimaänderungen oder Mangelernährung als Möglichkeiten für den Bienenschwund. Sogar die Strahlung von Mobiltelefon-Sendern wurde in Erwägung gezogen. Doch konnten sie alleine oder in Kombination nicht hinreichend erklären, warum ganze Arbeitervölker ihren Stock verließen, auf Nimmerwiedersehen verschwanden und ihren Bau mit Königin, Nachwuchs und nahrhaft gefüllten Waben aufgaben. Es musste also noch weitere, unbekannte Gründe für die Verhaltensänderung geben.
In einer konzertierten Aktion betrieben deshalb dreißig Wissenschaftler um Diana Cox-Foster von der Pennsylvania State University in University Park innerhalb von fünf Monaten weitere Ursachenforschung in der Angelegenheit CCD mit einer so genannten Metagenom-Studie [1]. Dazu sequenzierten sie genetisches Material aus Bienenstöcken, die in unterschiedlichen Regionen von dem Sympton heimgesucht worden waren, und verglichen es mit Proben von Hawaii – bis dorthin drangen noch keine Varroa-Milben vor –, augenscheinlich gesunden Völkern aus Australien und Pennsylvania sowie chinesischem Gelée Royale. Letzteres ist ein Kopfdrüsensekret, das bei ausschließlicher Fütterung durch die Arbeiterinnen neue Königinnen aus ausgewählten Larven heranzieht. Die Importware ist eigentlich für den menschlichen Konsum bestimmt, doch einige Imker setzen es ein, um gezielt neue Staatsoberhäupter zu gewinnen.
Cox-Foster und ihre Kollegen profitierten bei ihrer Analyse von Vorarbeiten des Honey Bee Genome Project, das vor einem knappen Jahr das komplette Erbgut der emsigen Honigsammler entschlüsselt hatte. So konnten sie ihre erhaltenen Genom-Linien der Bienen abgleichen und aus den Ergebnissen eliminieren. Übrig blieben dann nur noch jene Sequenzen, die von Parasiten, Pilzen, Bakterien, Viren oder anderen Fremdwesen eingebracht wurden.
Ein Virus als Auslöser?
Relativ schnell ausschließen konnten die Forscher die vorhandenen Bakterien, die alle schon lange bekannt waren und sich in dieser Zusammensetzung in Studien aus anderen Teilen der Erde gleichermaßen nachweisen ließen. Ein potenziell krankheitserregender Einfluss ihrerseits schied deshalb aus – im Gegenteil: Die fünf nachgewiesenen Mikrobengruppen erfüllen im Bienenkörper zum Teil ähnliche Aufgaben wie menschliche Darmbewohner. Ebenfalls ohne die CCD-pathogene Wirkung schienen die vier entdeckten Pilzsspezies zu sein, die sich in gesunden wie in kranken Beständen gleichermaßen tummelten, obwohl sich darunter mit Nosema apis und N. ceranae zwei bekannte Bienen-Schädlinge fanden.
Blieben also die Viren, von denen das Team sieben unterschiedliche Varianten entdeckte. Doch nur zwei davon gelangten in die engere Auswahl, da sie beide in den untersuchten CCD-Proben immer wieder auftraten: das lange bekannte Kaschmir-Bienenvirus (KBV) und das so genannte Israel Acute Paralysis Virus (IAPV) – Letzteres wurde erst 2004 durch den israelischen Virologen Ilan Sela von der Hebräischen Universität in Jerusalem identifiziert [2]. Mit diesen Hinweisen durchforsteten die Entomologen nun Proben aus weiteren dreißig von CCD betroffenen und 21 gesunden Stöcken.
Neuerlich zeigten sich Parallelen, denn alle mit IAPV infizierten Völker schleppten gleichzeitig KBV mit sich, dennoch scheint das Kaschmir-Bienenvirus nicht der Hauptschuldige für die letale Bienen-Desertation zu sein: Es findet sich auch in gesunden Populationen. IAPV dagegen trat nur in kranken Beständen auf. Einen weiteren Verdachtsmoment liefert der Zeitpunkt, an dem CCD erstmals in den Vereinigten Staaten auftrat, denn die Malaise begann kurz nachdem 2004 die ersten Bienenvölker aus Australien importiert werden durften – auch in der australischen Vergleichsprobe ermittelten die Wissenschaftler IAPV.
Vom fünften Kontinent ist allerdings noch kein Fall von CCD bekannt. Und in Israel, wo das Virus zuerst entdeckt wurde, löst es bei den Insekten zwar Flügelzittern und Lähmungserscheinungen aus, aber nur wenige Arbeiterinnen sterben außerhalb des Baus, der Großteil verendet in der eigenen Heimstatt. In Amerika entfliehen sie dagegen – vielleicht um ihren Staat und die Brut zu schützen. Die Imker finden jedenfalls kaum tote Tiere in der Nähe ihrer Anlagen.
Kein endgültiger Beweis
Cox-Foster mahnt deshalb zur Vorsicht: "Ob IAPV nun tatsächlich die Ursache oder nur ein guter Indikator für den Kolonienzusammenbruch darstellt, greifen wir als nächste große Fragestellung auf." Und auch ihr Kollege Jeffery Pettis vom Bienenforschungslabor der US-Landwirtschaftsministeriums warnt: "Ich hoffe, niemand denkt nun, wir hätten tatsächlich schon das Problem gelöst."
Ungeklärt ist beispielsweise, warum die australischen Nützlinge nicht derart unter IAPV leiden. Bislang hat es die Varroa-Milbe noch nicht dorthin verschlagen, die als möglicher Überträger der Krankheit in Frage kommt und die Insekten so schwächt, dass sie Infektionen eher erliegen. Und ebenfalls rätselhaft ist der abweichende Verlauf der Malaise in Israel und den USA, der vielleicht auf unterschiedliche Viren-Stämme zurückgeht. Insgesamt vermuten die Fachleute, dass ein ganzer Cocktail an Einflüssen die Tiere hinwegrafft: Eventuell rächt sich ihre Überforderung durch die amerikanischen Halter, und IAPV gibt den gestressten, durch Agrargifte belasteten und bisweilen durch Unterernährung geschwächten Bienen nur noch den Rest.
Mit Medikamenten behandeln kann man die Infektion bislang noch nicht. Pettis empfiehlt deshalb höchste Hygiene im Stock, damit Milben, Pilze oder andere Schädlinge dort keine kritischen Marken erreichen. Immerhin glimmt im Nahen Osten ein Hoffnungsschimmer auf. Nach Aussage von Ilan Sela integrierten manche der von ihm getesten Bienen bereits Teile des IAPV-Bauplans in ihr eigenes Genom: Sie sind nun gegen das Virus immun.
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