Toxine: Ein Gift wie kein anderes bei Insekten
Dichte Behaarung hat bei Raupen vor allem einen Zweck: Fressfeinde sollen die wolligen Larven beim Verzehrversuch möglichst gleich wieder ausspucken oder von vorneherein verschmähen. Und oft genug injizieren die Haare auch ein Gift, wenn sie berührt werden. Bei den Larven der Gattung Megalopyge haben Andrew Walker von der University of Queensland und sein Team entdeckt, dass dieses Toxin einen uralten Ursprung hat – und wahrscheinlich durch horizontalen Gentransfer von Bakterien stammt, wie sie in der »PNAS« berichten.
Das Team hatte Raupen der Südlichen Flanellmotte (Megalopyge opercularis) und von Megalopyge crispata untersucht, die in Nordamerika leben. Beide weisen als Raupen wie als fertige Schmetterlinge ein dichtes Haarkleid auf, das im Larvenstadium leicht abbricht und dann ein schmerzhaftes Gift freisetzt, das ein starkes Verbrennungsgefühl verursacht. Chemisch unterscheidet es sich deutlich von dem verwandter Arten und sogar von dem aller anderen Insekten. »Wir waren überrascht, dass das Gift der Raupen völlig anders war als alles, was wir bisher bei Insekten gesehen hatten«, sagt Walker.
Die Arbeitsgruppe vermutete daher, dass die Toxine einen anderen evolutionären Ursprung gehabt haben könnten. Tatsächlich glichen einige der Proteine darin sehr stark den Molekülen, die in Bakteriengiften nachgewiesen werden konnten. Konkret ähnelt das Raupengift einer Art bakteriellem Toxin, das sich an die Oberfläche einer Zelle bindet, wo es sich zu einer ringartigen Struktur zusammensetzt, die Löcher in die Zielzellen reißt: Diese Wirkung kennt man beispielsweise von Toxinen, die E. coli- oder Salmonella-Bakterien erzeugen.
Walker und Co gehen auf Grund ihrer Erkenntnisse davon aus, dass die wichtigsten Komponenten des Raupengiftes von Genen ausgehen, die einst von Bakterien horizontal auf die Vorfahren dieser Insekten übergegangen sind: ein Prozess, der vor 400 Millionen Jahren stattgefunden haben soll. Beim horizontalen Gentransfer erfolgt die Weitergabe und der Einbau des genetischen Materials außerhalb der sexuellen Fortpflanzung und und über Artgrenzen hinweg. So finden sich in unserem Genom auch Spuren von Bakteriengenen.
»Viele Raupen haben ausgeklügelte Abwehrmechanismen gegen Fressfeinde entwickelt, darunter Zyanidtröpfchen und Klebstoffe, die starke Schmerzen verursachen, und wir sind daran interessiert zu verstehen, wie sie evolutionär zusammenhängen«, so Walker. Im Hintergrund schwingt dabei immer die Hoffnung mit, dass man diese Verbindungen vielleicht auch für uns Menschen nutzen könnte, etwa im medizinischen Bereich. Im Fall der Flanellmotten könnte daraus eine Methode entstehen, mit der beispielsweise Medikamente ins Innere von Zellen eingebracht werden könnten. Allerdings sollte dies dann schmerzfrei geschehen.
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