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Transplantation: Das Leben nach der Spende

Organspenden retten Leben, aber für Betroffene bedeutet die Operation selten das Ende ihrer medizinischen Reise. Die psychischen Folgen ihrer Krankheit und des Eingriffs begleiten viele noch Jahre später.
Herz-, Leber- und Lungenspenden werden in Deutschland dringend benötigt.

Manja Elle bekam mit 28 Jahren eine neue Niere. Seit rund einem Jahrzehnt lebt sie mit dem Spenderorgan. Im Alltag falle kaum auf, dass sie eine Transplantation hinter sich hat, erzählt sie. Sie bezeichnet sich selbst deshalb als »relativ hochfunktional«. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieses Kapitel für sie abgeschlossen ist und sie sich nicht mehr sorgen muss. Ein bedrückendes Gefühl begleitet sie aktuell besonders: »Von Ärzten hört man immer wieder, dass solche Transplantate im Schnitt sieben bis zehn Jahre überleben – und die Zeit ist bei mir jetzt vergangen.« Da komme schnell der Gedanke auf, bald könne es nur noch bergab gehen. Natürlich stimmt das nicht unbedingt, schließlich handelt es sich um Durchschnittswerte. »Ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass transplantierte Organe auch sehr lange überdauern können«, erzählt sie. Trotzdem kann sie sich nie ganz von den Ängsten lösen. Sie fürchtet, das Transplantat könnte versagen oder sie könnte auf andere Weise erkranken und dabei die Niere verlieren. »Eine Transplantation ist nur eine Behandlung, anschließend ist man aber nicht gesund«, fasst sie ihre langjährige Erfahrung zusammen.

»Es gibt immer die Sorge: Bin ich gesund, wenn der Anruf kommt? Kann ich schnell genug zum Transplantationszentrum kommen?«Manja Elle, Transplantatempfängerin

Wie Manja Elle geht es vielen Menschen, die mit einem Spenderorgan leben. Die emotionale Achterbahnfahrt beginnt bereits mit dem Wissen, dass ein solches nötig sein wird. Bis sich ein geeignetes Organ findet, kann es nämlich Jahre dauern, die für die Patientinnen und Patienten mitunter sehr belastend sind. »Es gibt immer die Sorge: Bin ich gesund, wenn der Anruf kommt? Kann ich schnell genug zum Transplantationszentrum kommen?«, erinnert sich Elle.

Lange Wartelisten, komplexe Abwägung

Ende 2022 warteten der Deutschen Stiftung Organtransplantation zufolge über 6500 Personen auf eine Niere – sie ist mit knapp 2000 Operationen pro Jahr hier zu Lande das bei Weitem meisttransplantierte Organ. Demgegenüber gab es 2022 nicht einmal 900 Verstorbene, denen Gewebe entnommen werden durften (siehe »Wie wird man nach dem Tod zum Organspender?«). Bei der Niere gibt es immerhin den Vorteil, dass Lebendspenden möglich sind – diese machen jedoch unter allen Nierentransplantationen nur etwas mehr als ein Viertel aus. So kann viel Zeit vergehen, bis Betroffene ein neues Organ bekommen. »Bei mir bedeutete das elfeinhalb Jahre Dialyse«, erzählt Manja Elle. Für die Behandlung müssen Patienten und Patientinnen mehrmals pro Woche vier bis fünf Stunden in einem Dialysezentrum verbringen, in denen ihr Blut mit Hilfe einer Maschine von Schadstoffen befreit wird. »Aber immerhin gibt es bei der Niere so ein gutes Ersatzverfahren«, fügt sie hinzu. Wer ein Herz, eine Lunge oder Leber benötigt, kommt in der Regel nicht um einen dauerhaften Aufenthalt auf einer Station herum. Solche Menschen verbringen bis zur Operation meist sehr viel Zeit im Krankenhaus.

Wie wird man nach dem Tod zum Organspender?

In Deutschland braucht es die ausdrückliche Zustimmung eines Menschen oder seines nächsten Angehörigen, damit ihm nach dem Tod Organe entnommen werden dürfen. Um sie zu erteilen, kann man sich zu Lebzeiten in das Organspenderegister eintragen lassen – das funktioniert über einen Antrag auf der Website oder über die App der Krankenkasse. Man kann dabei bestimmen, welche Organe und Gewebe verwendet werden dürfen. Das Ja zur Organspende ist in Deutschland aber nicht an eine bestimmte Form gebunden. Das heißt, man kann seine Erklärung einfach schriftlich festhalten und die Familienmitglieder über die Entscheidung informieren. Denn liegt kein Dokument vor, fragen Ärztinnen und Ärzte bei den nächsten Angehörigen nach, ob man zu Lebzeiten spezifische Wünsche geäußert hat, und halten sich dann daran.

In der Schweiz ist das Verfahren ähnlich, auch hier gilt das Prinzip der erweiterten Zustimmungslösung. Mit einem Volksentscheid am 15. Mai 2022 hat sich die Bevölkerung jedoch mehrheitlich für die Einführung einer Widerspruchslösung ausgesprochen. Sie sieht vor, dass Menschen sich zeitlebens explizit gegen eine Entnahme ihrer Organe aussprechen müssen; ein Schweigen diesbezüglich wird künftig als Zustimmung gewertet. Die neue Regelung wird frühestens Anfang 2026 eingeführt. In Österreich wird das bereits praktiziert.

Wie lange jemand wartet, hängt neben der Verfügbarkeit passender Organe auch von der jeweiligen Position auf der Transplantationsliste ab. Dabei bestimmen vor allem zwei Faktoren, auf welchem Platz man landet. Einer ist der erwartete Erfolg der Behandlung, und der zweite, wie notwendig das neue Organ für das Überleben und die Lebensqualität der jeweiligen Person ist. Anhand strenger Richtlinien wägt das zuständige Transplantationszentrum ab, wer die nächste Spende bekommt. Der Entscheidungsprozess ist ethisch komplex. Ältere Menschen mit Nierenerkrankungen im Endstadium würden zwar besonders von einer Lebendspende profitieren, bekommen diese jedoch deutlich seltener als jüngere Erkrankte. Das kann viele Gründe haben, etwa zusätzliche oder begleitende Erkrankungen, die die Erfolgsaussichten des Eingriffs schmälern. Aber vermutlich fließen gelegentlich auch altersbezogene Vorurteile mit in die Entscheidung ein. Zum Beispiel der Gedanke, dass ältere Leute ohnehin nicht so lange etwas von dem Organ haben werden wie jüngere.

»In der Wartezeit sehen wir häufig Depressionen und Angststörungen«Katharina Tigges-Limmer, Medizinpsychologin

Auch die mentale Verfassung der Erkrankten spielt eine Rolle, erklärt Katharina Tigges-Limmer. Sie leitet die Abteilung Medizinpsychologie am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen. »Jeder Patient sollte eine psychosoziale Evaluation durchlaufen, bevor er auf die Liste kommt«, betont die Psychotherapeutin. Dabei gehe es auf keinen Fall darum, Menschen mit solchen Leiden fernzuhalten. »Vielmehr wollen wir die Erkrankten frühzeitig so behandeln, dass der Transplantationserfolg nicht durch psychische Probleme negativ beeinflusst wird.« Für Lungentransplantationen gehört das schon zum standardmäßigen Vorgehen. In der Regel gebe es auch beim Herzen entsprechende Voruntersuchungen, so Tigges-Limmer, diese seien aktuell aber optional.

Viel Stress schon vor der Transplantation

In ihrem Berufsalltag beobachtet sie, wie belastend der gesamte Prozess für die schwer kranken Betroffenen ist. »In der Wartezeit sehen wir häufig Depressionen und Angststörungen«, erklärt sie. Diese treten umso deutlicher in Erscheinung, je stärker sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Lebensbedrohliche Zwischenfälle, die dabei immer wieder auftreten können, verschärfen die Belastung zusätzlich. Viele Patientinnen und Patienten werden arbeitsunfähig und schaffen es zum Teil auch nicht mehr, ihre Hobbys auszuüben. So verlieren sie finanzielle Sicherheit, soziale Kontakte und Selbstvertrauen. Selbst ihre Rolle in der Familie kann durch ihre langen Abwesenheiten ins Wanken geraten. Neben dem starken Stress gibt es laut Tigges-Limmer auch körperliche Beiträge zu psychischen Erkrankungen: »Wenn das Herz schlechter arbeitet, wird das Gehirn nicht mehr so gut durchblutet – sozusagen gefundener Nährboden für eine Depression.«

»Depressionen, die nach der Transplantation in Erscheinung treten, bestanden ganz oft schon zuvor«Katharina Tigges-Limmer, Medizinpsychologin

Kommt endlich die lang ersehnte Nachricht, dass ein passendes Organ bereitsteht, wäre das eigentlich Grund zur Freude. Doch diese wird sogleich durch neue Sorgen getrübt: Kann die Operation wie geplant stattfinden oder klappt irgendetwas nicht? Werde ich die Prozedur gut überstehen und wird mein Körper das Organ annehmen? Für Manja Elle kam der Anruf früh am Morgen, etwa zwei Stunden später traf sie in der Charité in Berlin ein. »Ich wurde dann noch mal komplett durchgecheckt, mit Ultraschallaufnahmen, Blutabnahmen und allen möglichen Untersuchungen – glücklicherweise hat alles gepasst.« Die Niere traf am Nachmittag ein, gegen 21 Uhr startete der Eingriff. Nachdem die Operation gut verlief, kam am nächsten Tag eine schlechte Nachricht: Der verstorbene Spender hatte ein Virus in sich getragen. Über die Niere könnte es auf Elle übergegangen sein. »Das war natürlich ein Angstfaktor. Habe ich mit dem fremden Organ jetzt eine neue Krankheit dazubekommen?«, erinnert sie sich. Zum Glück kam sie ohne Virusinfektion davon, und die Niere arbeitete wie erhofft.

Nach dem Eingriff erleben Patienten und Patientinnen häufig ein Hochgefühl, sobald sie merken, dass sie sich besser fühlen und wieder mehr schaffen. Dennoch bleibt die Gefahr psychischer Erkrankungen hoch. »Depressionen, die nach der Transplantation in Erscheinung treten, bestanden ganz oft schon zuvor«, kommentiert Tigges-Limmer. Gerade deshalb sei die psychosoziale Untersuchung so wichtig. Zudem fällt es manchen schwer, das neue Organ anzunehmen. Das scheint besonders bei Herzen ein Problem zu sein. »Wir verbinden so viel damit – wir grüßen herzlich, das Herz rutscht uns in die Hose, wir haben ein schweres Herz«, zählt die Psychologin auf. »Da ist es kein Wunder, dass sich ein anderes Herz zunächst seltsam und fremd anfühlt.« Das seien allerdings persönliche Beobachtungen aus ihrem klinischen Alltag, betont sie. Wissenschaftlich belegt sei es hingegen nicht, dass sich die psychischen Folgen einer Herztransplantation maßgeblich von denen anderer Organtransplantationen unterscheiden.

Um Betroffenen dabei zu helfen, das fremde Herz in ihr eigenes Körperbild einzufügen, nutzt Tigges-Limmers Team häufig eine Hypnose: »Wir nennen das Organintegration. Damit haben wir langjährige, gute Erfahrungen gemacht«, erzählt sie. Viele Patientinnen und Patienten hätten zu dem Zeitpunkt schon eine Hypnotherapie hinter sich, da eine solche bereits in der Wartezeit durch Krisen helfen kann. »Sie können sich dabei entspannen und den lebendigen Geist in ihrem kranken Körper spüren.« Wichtig sei, dass die Betroffenen das neue Organ nicht mehr als Fremdkörper empfinden. Nicht für jeden ist dazu eine Therapie nötig: »Manche gehen ganz mechanistisch an die Sache: Das Herz ist ein Motor, und fertig.«

Mit nagenden Schuldgefühlen umgehen

Zusätzlich belastet einen Teil ihre »Überlebensschuld« (auch Überlebenden-Syndrom genannt). Denn während sie auf ein Organ warten, lernen sich Erkrankte gegenseitig kennen. Einige sterben jedoch, bevor sie die lebensrettende Spende bekommen. So kann es passieren, dass sich jemand nach der Transplantation fragt: »Warum hatte gerade ich so viel Glück?« Das »Überleben« ist bei Krebserkrankungen bereits ein feststehendes Konzept. Es verdeutlicht, dass die Krankheit Betroffene nach einer vermeintlichen Heilung weiter begleitet. Das trifft genauso auf Organtransplantationen zu.

»Die Patienten wissen natürlich, dass niemand direkt für sie gestorben ist; trotzdem fußt ihr Glück auf dem Tod eines Menschen – und das kann sehr belastend sein«Katharina Tigges-Limmer, Medizinpsychologin

Mitunter entstehen Schuldgefühle gegenüber dem Spender oder der Spenderin. Denn häufig musste eine Person sterben, damit eine andere das gesunde Organ erhalten konnte. »Die Patienten wissen natürlich, dass niemand direkt für sie gestorben ist«, erläutert Tigges-Limmer. »Trotzdem fußt ihr Glück auf dem Tod eines Menschen – und das kann sehr belastend sein.« Ein Teil empfindet das neue Organ dagegen als großes Geschenk. So betrachtet Manja Elle auch ihre neue Niere: »Mit Schuldgefühlen hatte ich selbst kaum zu kämpfen, ich habe es eher als Chance begriffen«, erzählt sie. Um ihren Dank auszudrücken, schrieb sie einen langen Brief an die Familie des Spenders. Das funktioniert ganz unkompliziert über die Deutsche Stiftung Organtransplantation. Die Organisation setzt sich mit der Familie in Verbindung und fragt, ob sie den Brief erhalten möchte oder nicht. Beide Seiten bleiben in dem Prozess anonym. Elle half dieser Schritt bei der Verarbeitung ihrer Operation. Als psychologische Psychotherapeutin beim Bundesverband der Organtransplantierten e. V. begleitet sie nun andere Betroffene und unterstützt sie dabei, mit ihren Ängsten, Sorgen und Lebenskrisen umzugehen. Dabei empfiehlt sie die von ihr gewählte Option immer wieder. »So einen Brief kann man jederzeit schreiben, auch noch Jahre nach der Operation«, betont sie. »Es geht vor allem darum, die Gedanken nicht nur mit sich selbst auszumachen.« Einer Selbsthilfegruppe beizutreten könne ebenfalls guttun.

Wem es psychisch gut geht, der lebt gesünder

Neben der Lebensqualität profitiert auch die künftige Gesundheit von Betroffenen, wenn sie aufkeimende negative Emotionen gut verarbeiten und mentalen Belastungen entgegenwirken. Psychische Erkrankungen nach der Transplantation wirken sich nämlich auf die körperliche Fitness aus. Sie machen sogar einen frühzeitigen Tod wahrscheinlicher. So verdoppelten Depressionen gemäß einer Analyse US-amerikanischer Medicare-Daten das Risiko für ein Nierenversagen und für ein Ableben trotz eines funktionierenden Transplantats. Die Fachleute erklären das vor allem damit, dass sich Menschen mit seelischen Leiden häufig ungesünder verhalten. Weniger physische Aktivität, unregelmäßige Mahlzeiten und Junkfood sowie stärkerer Alkoholkonsum schädigen das Spenderorgan und den gesamten Körper. Der bedeutendste Faktor ist allerdings ein anderer: der Umgang mit Medikamenten. Nach dem Eingriff benötigen Patienten und Patientinnen regelmäßig Immunsuppressiva. Das sind Wirkstoffe, die die Körperabwehr unterdrücken, damit das Transplantat nicht abgestoßen wird. Im schlimmsten Fall passiert genau das, wenn jemand die Einnahme schleifen lässt. Zudem hilft eine gute psychische Verfassung auch dabei, weitere medizinische Aspekte der Krankheit zu bewältigen.

Belastende Begleitung

Die Familien und Bezugspersonen übernehmen häufig Aufgaben rund um die Pflege und Organisation – vor, während und nach der Transplantation. Diese Begleitung ist für die Gesundheit der Patienten und Patientinnen unerlässlich, gerade wenn es um Kinder und Jugendliche geht. »Angehörige stecken mit drin, sie unterstützen und trösten«, betont Katharina Tigges-Limmer. »Manchmal brauchen wir sie, damit sie auf die Medikamentengabe und Arzttermine achten.« Ihr Einsatz verbessert das Resultat der Eingriffe. Das zeigt etwa eine kleine Pilotstudie von 2020. Das Forschungsteam begleitete 14 junge Menschen im Alter von 11 bis 19 Jahren, die ein neues Herz bekommen sollten oder ihre Operation schon hinter sich hatten. Der Fokus lag auch auf den betreuenden Personen und deren Einstellung. Gingen diese optimistisch und selbstsicher an die Sache heran, resultierte das in einer besseren Lebensqualität und weniger Folgebeschwerden bei den Jugendlichen.

Bezugspersonen leben jedoch nicht nur für die Erkrankten, mahnt Tigges-Limmer. »Sie haben eigene Ängste und Themen, und es gibt viel zu wenig Angebote zu ihrer Unterstützung.« 2024 analysierte Halil İbrahim Taşdemir von der Burdur-Universität (Türkei), wie sich eine Transplantation auf das Umfeld der Betroffenen auswirkte. Dabei entdeckte er deutliche Einschränkungen der Lebensqualität, die nicht nur die Eltern und Geschwister betrafen, sondern sich in der gesamten Familienstruktur niederschlugen. Sie berührten verschiedenste Bereiche, darunter physische, emotionale und finanzielle Aspekte. Taşdemir unterstreicht, wie viel Zeit und Energie Pflegende auf ihre Lieben verwenden. Neigen sie zur Selbstaufopferung, könne das, so schreibt er, »zu Erschöpfung und hohen Stressleveln führen, die ihre eigene physische und mentale Gesundheit beeinflussen«. Er plädiert dafür, dass sich künftige Forschung intensiver mit den Bedürfnissen von Angehörigen beschäftigen sollte.

Auch Tigges-Limmer sieht aktuell noch zu wenige strukturelle Angebote für die Familien. Immerhin: Die Deutsche Stiftung Organtransplantation und der Bundesverband der Organtransplantierten e. V. bieten unter anderem Hilfestellungen und Austauschmöglichkeiten für Angehörige an.

Hilfreich ist außerdem ein geregelter Tagesablauf, bei dem die Betroffenen ihre Selbstwirksamkeit spüren. Etwa, indem sie ihre Arbeit wieder aufnehmen – in einem sinnvollen Maß, betont Manja Elle. »Viele Patienten machen sich Sorgen, wie sich ihr Lebensstil verändern wird«, so ihre Erfahrung als Therapeutin. »Tatsächlich muss man seine Einstellung zum Leben anpassen, und das kann herausfordernd sein.« Fachleute halten es deshalb für notwendig, die Zeit nach der Operation ganzheitlich zu betrachten. Bedeutsam sind neben dem Blick auf die physische und psychische Gesundheit auch die Rückkehr in den Beruf, die finanzielle Sicherheit und die Erwartungen der Betroffenen.

Der Wiedereinstieg in den Alltag fällt Kindern häufig leichter als erwachsenen Transplantationspatienten. Meistens können sie schnell wieder in die Schule gehen, wo sie eine Struktur und ein soziales Netzwerk haben. Elle sieht noch eine andere positive Seite ihrer frühen Erkrankung. Sie erhielt ihre Diagnose mit drei Jahren, mit 16 startete sie die Dialyse. »Die Krankheit war zwar immer ein Teil von mir, aber sie hat mich nie definiert«, erinnert sie sich. Von erwachsenen Betroffenen hört sie öfter, wie schwierig es ist, das Leben plötzlich komplett umzukrempeln. »Je später man damit konfrontiert wird, desto eher identifiziert man sich über die Erkrankung.«

Mit Akzeptanz zum Erfolg

Letztendlich ist es entscheidend, dass Betroffene die neue Situation annehmen. Dabei können unterschiedliche Interventionen helfen. Sie reichen von Standardbehandlungen, die physische und psychische Leiden lindern, bis hin zu Maßnahmen, die gezielt auf das Leben mit einem Transplantat zugeschnitten sind. Zu Letzteren zählt etwa, Patientinnen und Patienten über Bewältigungsstrategien aufzuklären oder ihnen eine Hypnotherapie zur Organintegration anzubieten. »Wer schon gute psychosoziale und materielle Ressourcen hat, braucht oft keine speziellen Hilfestellungen«, erklärt Elle. »Wenn man aber in negativen Denkspiralen gefangen ist, würde ich eine Psychotherapie empfehlen.«

Katharina Tigges-Limmer wünscht sich für die Nachsorge eine klarere Strategie. »Wir haben in Deutschland für alle möglichen Erkrankungen wissenschaftlich belegte Behandlungsleitlinien«, sagt die Psychotherapeutin. »Seit August 2022 existiert auch eine zur psychosozialen Diagnostik und Versorgung von Transplantationspatienten.« Sie hofft auf eine baldige, flächendeckende Umsetzung der dortigen Empfehlungen und damit auf einen besseren Zugang zu geeigneten Angeboten für Betroffene.

Gleichwohl verbessern sich die Lebensqualität und die psychische Gesundheit in den meisten Fällen nach der Transplantation deutlich. Manja Elle erfreut sich etwa daran, wie gut sie bisher durch diese Phase kommt. Sie genießt die Zeit mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Kindern und hofft, dass sie noch lange ohne erneute Dialyse auskommt. Die Angst, dass die Spenderniere sie irgendwann im Stich lässt, kann sie dennoch nicht ganz abschütteln. Sie begleitet sie, genauso wie die Dankbarkeit über das Leben, das ihr das neue Organ ermöglicht hat.

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  • Quellen

Almgren, M. et al.: Self-efficacy, recovery and psychological well-being one to five years after heart transplantation: A Swedish cross-sectional study. European Journal of Cardiovascular Nursing 20, 2021

Bailey, P. et al.: Psychosocial evaluation of candidates for solid organ transplantation. Transplantation 105, 2021

Chilcot, J. et al.: Depression and kidney transplantation. Transplantation 97, 2014

Kaplan, A. et al.: Post-liver transplantation patient experience. Journal of Hepatology 78, 2023

Lai, J. C. et al.: Liver transplant survivorship. Liver Transplantation 26, 2020

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