Soziale Netzwerke: Trauernde Freunde rücken enger zusammen
Den Tod eines Freundes zu verkraften, braucht Zeit. Soziale Netzwerke hingegen kompensieren das fehlende Bindeglied sofort: Vermehrte Interaktionen im Kreis der Hinterbliebenen gleichen den Verlust mengenmäßig aus, berichten die Facebook-Analystin Moira Burke und der Sozialwissenschaftler William Hobbs in "Nature Human Behavior". Die anhaltenden Kontakte sind nicht selbstverständlich: Frühere Studien hatten festgestellt, dass sich soziale Netzwerke in Krisenzeiten auflösen können, beispielsweise Forschungsteams an Universitäten, die eines ihrer zentralen Mitglieder verlieren.
Die Autoren erfassten die Interaktionen in rund 15 000 anonymisierten Facebook-Nutzerkreisen aus Kalifornien zwei Jahre vor und nach dem Tod eines ihrer Freunde und verglichen sie mit jenen von zirka 30 000 ähnlichen Gruppen, die keines ihrer Mitglieder verloren hatten. "Es war überraschend, wie viele Menschen nach dem Tod des gemeinsamen Freundes in Kontakt kamen", sagt Hobbs, der die Studie an der University of California in San Diego leitete. "Und die Kontakte hielten nicht nur in der akuten Trauerphase, sondern noch Jahre später an."
Zunächst ging die Zahl von Interaktionen wie Posts und Kommentaren direkt nach dem Tod steil in die Höhe. In den Folgemonaten nahm sie allmählich wieder ab und pendelte sich auf jener Gesamtmenge ein, die das Netzwerk vor dem Todesfall, also mit einem Mitglied mehr, gezählt hatte. Bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren stabilisierte sie sich sogar auf einem höheren Niveau. Das sage aber nichts über den gefühlten Verlust aus, erinnern die Autoren. Man könne aus diesen Zahlen nicht darauf zurückschließen, wie der Einzelne subjektiv mit dem Verlust zurechtkomme.
Es handle sich auch nicht um einen simplen Ersatz für den fehlenden Kontakt. Denn die Mitglieder bauten nicht etwa neue Verbindungen zu Fremden auf, sondern intensivierten die bestehenden Bande zu Freunden und Bekannten. Demnach ginge es nicht darum, das alte Niveau an Onlinekommunikation wiederzuerlangen, erläutert Hobbs. "Die Interaktion diente den Hinterbliebenen offenbar dazu, sich gegenseitig zu unterstützen."
Die vermehrten Kontakte traten allerdings nicht gleichermaßen bei allen Todesarten auf. Hatte sich ein Freund selbst das Leben genommen, fiel der Effekt schwächer aus als etwa bei tödlichen Unfällen oder Krankheiten wie Krebs. Ähnliches galt für Todesfälle, denen sexuell übertragbare oder suchtbedingte Erkrankungen zu Grunde lagen. Warum sich soziale Netzwerke je nach Todesursache anders verhalten, gilt es laut Hobbs noch zu klären.
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