Seelische Verletzungen: Auch Mehrfach-Traumatisierung ist beizukommen
Manche Menschen, die gravierende oder lebensbedrohliche Ereignisse durchmachen – wie körperliche und sexuelle Angriffe, Unfälle oder schwere Erkrankungen –, haben noch Jahre später mit psychischen Folgen zu kämpfen. Sie sind etwa ständig nervös und ängstlich, schlafen schlecht und haben unwillkürliche »Flashbacks«, bei denen sie das Geschehene noch einmal erleben. Rund vier Prozent aller Erwachsenen weltweit leiden an einer solchen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Als besonders kompliziert gelten Fälle, in denen die Betroffenen gleich mehrere traumatische Erfahrungen gemacht haben. Bei ihnen sind die Symptome der Erkrankung meist schwerwiegender und die Behandlung ist vielen Fachleuten zufolge weniger aussichtsreich. Dabei profitieren mehrfach traumatisierte Patienten und Patientinnen genauso gut von einer Psychotherapie wie jene, die ein einzelnes Ereignis verarbeiten müssen.
Das zeigt eine umfassende Übersichtsarbeit, die ein Team um Thole Hoppen von der Universität Münster veröffentlicht hat. Es wertete 137 zuvor veröffentlichte Studien mit insgesamt mehr als 10 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus. Am häufigsten kamen eine traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie und EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing, zu Deutsch etwa Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen) als Behandlung zum Einsatz. Aber auch Interventionen, die nicht speziell auf traumatisierte Patienten zugeschnitten sind, wurden in die Analyse aufgenommen, etwa die metakognitive Therapie oder eine Verhaltensaktivierung. Im Schnitt waren alle diese psychologischen Ansätze effektiv und wirkten deutlich besser als beispielsweise Entspannungsübungen, Selbsthilfebücher oder gar keine Behandlung.
Entgegen dem weit verbreiteten Vorurteil profitierten dabei Betroffene, die mehrere traumatische Ereignisse erlebt hatten, genauso deutlich von den Behandlungen wie »nur« einmalig traumatisierte Teilnehmer. Mehr noch: Für beide Gruppen galt in gleichem Maße, dass eine traumafokussierte Therapie am effektivsten war. Ein Bestandteil dieser Behandlungen ist es, sich besonders intensiv mit den Erinnerungen an das traumatische Erlebnis zu befassen.
Therapeutinnen und Therapeuten würden genau davor bei mehrfach traumatisierten Personen häufig zurückschrecken, da sie Angst hätten, damit zusätzlichen Schaden anzurichten, erläutern Hoppen und seine Kollegen. Die Daten zeigten aber, dass traumafokussierte Therapien in weniger als fünf Prozent der Fälle zu Nebenwirkungen führten. Es gebe daher keinen Grund, Betroffenen mit komplizierter Trauma-Geschichte diese effektive Behandlung vorzuenthalten.
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