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Klimawandel: Der Quanteneffekt hinter der globalen Erwärmung

Eine seltsame, umstrittene Eigenschaft des Treibhauseffekts geht auf eine Quantenresonanz zurück. Ohne sie wäre das Erdklima ganz anders.
Molekülmodell eines Kohlendioxidmoleküls mit angedeuteten Elektronenwolken drumherum. Ja, ich weiß, dass die Orbitale nicht so aussehen. Ich war schon dankbar, dass das CO2 nicht gewinkelt ist wie ca. 80 Prozent der anderen Stockbilder da.
Moleküle sind flexibel und können sich biegen und rotieren. Diese Quantenzustände nehmen Strahlung auf und geben sie ab – das macht Gase zu Treibhausgasen.

Der Treibhauseffekt durch Kohlendioxid hat eine Besonderheit, die bei näherer Betrachtung sehr merkwürdig ist: Jede Verdoppelung der CO2-Konzentration erhöht die Temperatur um rund drei Grad – unabhängig vom Startpunkt. Damit ist Kohlendioxid ein viel stärkeres Treibhausgas, als man eigentlich erwarten würde. Die Ursache dafür ist, wie sich nun herausstellt, ein Quanteneffekt. Wie eine Arbeitsgruppe um Robin Wordsworth von der Harvard University berichtet, steckt ein physikalischer Zufall hinter der bemerkenswerten Effektivität des Treibhausgases. Laut ihrer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift »The Planetary Science Journal« ist jener Schwingungszustand des Moleküls, der Infrarotstrahlung absorbiert, in einer zufälligen Resonanz mit einem anderen – und kann dadurch mehr Energie aufnehmen. Die genaue Form dieser zusätzlichen Absorption erzeugt demnach den unerwarteten Zusammenhang beim Klimawandel.

Grob gesagt kommt der Treibhauseffekt dadurch zu Stande, dass bestimmte Gase in der Atmosphäre Infrarotstrahlung absorbieren. Ohne diese Gase würde die Erdoberfläche alle eingestrahlte Sonnenenergie direkt als Infrarotstrahlung ins All zurückwerfen. Die Treibhausgase verhindern das. Stattdessen entkommt die Energie erst aus einer höheren Schicht der Atmosphäre ins Weltall. Aus Gründen der Energiebilanz hat diese höhere Atmosphärenschicht genau jene Temperatur, die die Erdoberfläche ohne Treibhausgase hätte. Da die Temperatur in der Atmosphäre mit der Höhe abnimmt, muss die Temperatur an der Oberfläche nun höher sein, als sie ohne Treibhausgase wäre.

Die entscheidende Frage ist nun: Was genau passiert, wenn man die Treibhausgaskonzentration verdoppelt? Gemäß der oben genannten Argumentation kann nun Strahlung erst von einer etwas höheren, kälteren Atmosphärenschicht ins Weltall entkommen. Damit diese genug Energie abstrahlen kann, um die eingestrahlte Sonnenenergie auszugleichen, muss sie wärmer werden, und damit auch die gesamte Atmosphäre darunter. Der Haken an der Sache: Wie eine Arbeitsgruppe um David M. Romps 2022 in einer Veröffentlichung im »Journal of Climate« argumentierte, reicht dieser Effekt nicht aus, um den logarithmischen Zusammenhang zu erklären. Tatsächlich sei der eigentliche Grund für den logarithmischen Zusammenhang die genaue Form einer ganz bestimmten Absorptionslinie, schrieb das Team.

Eine Absorptionslinie ist ein Wellenlängenbereich, in dem ein Material Strahlung einfängt und wieder abgibt, weil ihre Energie einem bestimmten Quantenübergang im Molekül entspricht. Beim CO2 kann das zentrale C-Atom senkrecht zur Längsachse des Moleküls schwingen, wenn es Infrarotstrahlung der Wellenlänge von 15 Mikrometern absorbiert. Normalerweise ist so eine Absorptionslinie »scharf«, das heißt, die Energie muss exakt zum Quantenübergang passen. Doch beim CO2 absorbiert das Molekül auch Strahlung mit etwas mehr oder weniger Energie – und damit insgesamt weit mehr Energie als mit einer scharfen Absorptionslinie.

Das Team um Wordsworth hat nun den quantenmechanischen Hintergrund dieser zusätzlich aufgenommenen Energie erklären können. Die Ursache ist eine so genannte Fermi-Resonanz: Ein anderer Schwingungszustand, bei dem die äußeren Sauerstoffatome symmetrisch auf das zentrale C-Atom zu und wieder von ihm weg schwingen, hat etwa die doppelte Energie wie die Absorptionslinie. Dadurch wechselwirken beide miteinander, ähnlich wie zwei verbundene Pendel. Das Ergebnis sind kombinierte Schwingungszustände, die bei etwas mehr und etwas weniger als 15 Mikrometern absorbieren. Solche Fermi-Resonanzen sind keineswegs ungewöhnlich und kommen in vielen Molekülen vor. Doch beim Kohlendioxid hat der Quanteneffekt drastische Auswirkungen auf Treibhauseffekt und Klimawandel: Wie ein anderes Team 2023 berechnete, verdoppeln die kombinierten Zustände die Energieaufnahme des Kohlendioxids.

Vor allem aber ist die Absorptionslinie nicht mehr scharf, sondern fällt zu den Seiten logarithmisch ab. Wenn man die Wellenlängenbereiche links und rechts des Gipfels in gleich große Abschnitte unterteilt, dann absorbiert jeder Wellenlängenabschnitt an der Flanke der Absorptionslinie halb so stark wie der nächste weiter innen gelegene Abschnitt. Und diese spezifische Form der Absorptionslinie erzeugt auch die logarithmische Abhängigkeit der Temperatur von der Kohlendioxidkonzentration. Denn dadurch hat jede Verdoppelung etwa den gleichen Erwärmungseffekt.

Jeder Abschnitt der Absorptionslinie trägt nur halb so stark zur Erwärmung bei wie der nächstinnere. Verdoppelt sich die CO2-Konzentration jedoch, trägt er so viel zur Erwärmung bei wie der Abschnitt weiter innen zuvor. Verdoppelt sich die CO2-Konzentration erneut, passiert exakt das Gleiche mit dem nächstaußen gelegenen Wellenlängenpaket. Und so weiter. Der Erwärmungseffekt ist bei jedem Verdopplungsschritt gleich – über mindestens zehn Verdoppelungsschritte. So erzeugt eine zufällige quantenmechanische Resonanz eine ganz zentrale Eigenschaft des Treibhauseffekts. Würden die beiden Schwingungszustände des Moleküls nicht wechselwirken, sähe das irdische Klima womöglich ganz anders aus.

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