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News: Trennung auf physikalisch

Wenn schon Atome winzig klein sind, dann gilt das natürlich auch für die Bindungen, die sie miteinander eingehen. Und diese Größe - oder besser: diese Kleinheit - ist ein wesentlicher Grund, warum es so schwierig ist, einzelne Bindungen zwischen Atomen gezielt aufzubrechen und neu zu knüpfen. An Versuchen, mit Lasern dem Ziel ein wenig näher zu kommen, hat es nicht gefehlt, doch bisher verliefen sie ohne Erfolg. Einen ganz anderen Weg ist eine deutsche Wissenschaftlergruppe gegangen: Sie verwendeten einen Röntgenstrahl zum Spalten einer chemischen Bindung. Dabei war ihr Ziel nicht die Bindung selbst, sondern die inneren Elektronen des Moleküls. Diese wurden durch den Strahl in höhere Energiezustände angehoben, woraufhin die entstehende Lücke mit einem Bindungselektron aufgefüllt wurde.
Schon oft haben Wissenschaftler versucht, chemische Bindungen mit Hilfe eines Lasers aufzuknacken. Dabei mußten sie allerdings feststellen, daß sich die Energie meist viel zu schnell verteilte und daher nicht ausreichte, um die Bindung zu zerstören. Der Weg, den eine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Dietrich Menzel und Peter Feulner von der Technischen Universität München einschlug, sah anders aus: Sie regten nicht die Elektronen der äußeren Schale an, sondern solche, die auf den inneren Schalen lagen. Diese wurden bei dem Prozeß in einen höheren Energiezustand angehoben, wobei die Lücke sofort mit einem Elektron der äußeren Schalen aufgefüllt wird. Wenn es sich dabei um ein Bindungselektron handelt, wird die Bindung dadurch zerstört (Physical Review Letters vom 10. Januar 2000).

Solche selektiven Spaltungen sind bisher nur in Gasen und anderen freien Systemen untersucht worden. Die Forscher aus München verwendeten hingegen für ihre Experimente Stickstoff-Moleküle, die an einer Ruthenium-Oberfläche gebunden waren. Nun ist das Stickstoffmolekül symmetrisch, und nur eines der beiden Atome haftet an der Metalloberfläche. Daher mußten sie damit rechnen, daß sich durch die asymmetrische Umgebung die Energieniveaus der beiden Atome verschieben. Doch die Änderung war sehr gering: Der Unterschied zwischen beiden Atomen betrug bei einem Elektronen-Übergang von 400 eV, lediglich 0,7 eV. Um das 1s-Elektron anzuregen, verwendeten die Forscher einen äußerst präzise einzustellenden Röntgenstrahl vom Hamburger Synchrotronstrahlungslabor (HASYLAB). Änderten die Wissenschaftler die Photonenenergie, konnten sie Elektronen, Stickstoffatome und -moleküle detektieren, die sich von der Metall-Oberfläche lösten.

Die Messungen zeigten, daß sie auf diese Weise selektiv entweder die Bindung innerhalb des Stickstoff-Moleküls oder jene zur Ruthenium-Oberfläche spalten konnten. Welche der Bindungen geknackt wurde, hin ganz von der Photonen-Energie ab und davon, ob die Forscher das innere oder äußere Atom zur Elektronen-Anregung wählten. Und hier gab es eine weitere Überaschung: Die Vermutung liegt nahe, daß die Anregung des äußeren Atoms zur Spaltung des Stickstoff-Moleküls führt, die des inneren Atoms die Spaltung der Bindung zur Metall-Oberfläche zur Folge hat. Doch diese Vermutung ist nicht richtig, es war genau umgekehrt. "Wir haben nun auch verstanden, warum das so ist", sagt Menzel. "Der Zustand in dem die Bindungen gebrochen werden, ist wirklich der, den man erhält, nachdem das Loch [gefüllt wurde]." Das unerwartete Verhalten kommt daher, daß sich die Elektronen neu ordnen.

Auch wenn die Ergbnisse nicht so bald zu einer neuen Methode für chemische Synthesen führen werden, so zeigen sie doch einen völlig neuen Weg, Bindungen zu spalten, so Menzel. William Egelhoff vom National Institute of Standards and Technology in Gaithersburg, MD, stimmt mit ihm überein. "Es ist eine elegante Art, daß man Stickstoff-Bindungen auf diese Weise knacken kann. Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet, um diesen Weg zu finden", sagt Egelhoff. "Allerdings ist es außerordentlich teuer, chemische Bindungen auf diese Weise zu brechen – die Photonen kosten eine ganze Menge."

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