Gene und Verhalten: Treuetrieb per Genknopfdruck
Ein einzelnes Gen mag ja einiges vorherbestimmen – aber wohl nicht gerade individuelle, komplexe soziale Verhaltensweisen. Oder doch? Forscher haben offenbar ein "Treue-Gen" gefunden.
Im Augenblick steht es unentschieden, im Wühlmaus-Wettkampf der Lebensentwürfe. Auf der einen Spielfeldhälfte: Die monogame Prärie-Wühlmaus, Microtus ochrogaster. Ihre männlichen Vertreter sind klassische Familienpapas, stets ein Leben lang treu ihrer einmal erwählten Mauspartnerin, allen Seitensprüngen abgeneigt, sich ausdauernd um den Nachwuchs kümmernd, ein beschauliches Leben im selbst erhaltenen Kleinfamiliennest führend. Auf jeden Fall erstrebenswert?
Vielleicht – nur steht M. ochrogaster die die Wiesen-Wühlmaus (M. pennsylvanicus) ebenso erfolgreich im Wühlmausgeschäft gegenüber. Deren Männchen machen alles ganz anders: Weibchen – möglichst viele – sind häufig wechselnde Paarungsobjekte, und resultierender Nachwuchs bleibt für Mann reine Frauensache – er ist zum Geburtstermin längst wieder auf neuer Pirsch. Resultat ist sicher eine gute Streuung männlicher Gene – aber der Stress, der ständig aufs neue fordernde Werbewettkampf? Und nie mal, wie ein Prärie-Wühlmauspäarchen, einfach nur vertraut kuscheln?
Ein Remis eben, derzeit: Beides, sowohl ein Leben als Wiesen- als auch als Prärie-Wühlmaus, scheint Vor- und Nachteile zu haben. Vielleicht spielt die Evolution ja irgendwann einmal den finalen Schiedsrichter für eine der beiden Spezies. Bis es soweit ist, bleibt aber Zeit genug, sich genauer anzusehen, was im Kopf der Männchen dieser äußerlich ähnlichen, im Verhalten aber so unterschiedlichen Wühlmausvertreter eigentlich vor sich geht. Gibt es erkennbare biochemische oder genetische Gründe für die Promiskuität der Wiesenvariante und die Treue des Prärie-Typus?
Durchaus, meinen nun Miranda Lim von der Emory-Universität in Atlanta und ihre Kollegen. Sie hatten das so genannte ventralen Pallidum des Vorderhirns der beiden Arten unter die Lupe genommen – diese Hirnregion steht wohl mit dem nahen Nucleus accumbens, einem Teil des gehirneigenen Belohnungszentrums, in Verbindung. Den Forschern fiel ins Auge, dass sich im Gehirn der monogamen Prärie-Wühlmäuse auffällig mehr so genannter V1a-Rezeptoren finden. Diese sprechen auf das Hormon Vasopressin an – und Vasopressin gilt als Substanz, die eine körpereigene Belohnungsreaktion im Gehirn anstößt. Ausgeschüttet wird Vasopressin – in Menschen übrigens ebenso wie in Wühlmäusen – bei vielem, was Spaß macht. Gutem Sex, beispielsweise.
Sind demnach, so die Idee der Forscher um Lim, Prärie-Wühlmäuse mit ihrer großen Zahl an V1a-Rezeptoren vielleicht leichter belohnbar und somit einfacher zu befriedigen als ihre Wiesen-Vettern? Stillt schon der erste Sex ihr Bedürfnis nach Glück und hält die Männchen zufrieden bei der ersten Partnerin? Wenn das so ist, dann sollten umtriebigen Wiesen-Wühlmäusen eigentlich mehr Vasopressin-Rezeptoren ebenfalls zu einer niedrigeren Befriedigungsschwelle verhelfen können – und damit vielleicht zu einem insgesamt gesetzteren Sexualleben?
Die Wissenschaftler machten die Probe aufs Exempel und schleusten mit Hilfe eines harmlosen Transportvirus größere Mengen von V1aR-Genen in das ventrale Pallidum von zu Seitensprüngen neigenden Wiesen-Wühlmausmännchen ein und beobachteten, ob sich dadurch ihr Verhalten irgendwie änderte.
Tatsächlich: In einem Käfig mit einem einmal zum Partner erkorenen Weibchen ließen sich die veränderten Wiesen-Wühlmausmännchen nun plötzlich nicht mehr von in den Ring geworfenen Nebenbuhlerinnen ablenken – wie dies bei Prärie-Wühlmäusen üblich ist, ignorierten sie das neu auftauchende potenzielle Sexualobjekt und blieben ihrer Vertrauten treu.
Ist das Rezeptorgen V1aR demnach also ein "Treuegen"? Offenbar zumindest bei Wühlmäusen mit ihrem verhältnismäßig überschaubarem Verhaltensmuster-Fundus durchaus. Auf Menschen aber, beeilen sich die Forscher zu erklären, sei dies trotz genereller Ähnlichkeiten im Vasopressin-Mechanismus natürlich nicht einfach zu übertragen: Belohnung könne hier schließlich aus ungemein vielen Verhaltensweisen neben dem Sex stammen; Befriedigung und Partnerwahl resultieren aus unzähligen, nicht zuletzt sozial bestimmten Mosaiksteinchen. Immerhin, so die Forscher: Vielleicht könnte es bei bestimmten psychischen Erkrankungen des Menschen einmal hilfreich sein, Vasopressin-Rezeptor-Kreisläufe zu beeinflussen. Etwa bei Autisten, bei denen man in der Tat nachweisbare Störungen der Vasopressin-Rezeptor-Funktionen beobachten kann. Vielleicht ziehen die Betroffenen daher insgesamt weniger Befriedigung aus allen sozialen Kontakten – was letztlich ein Grund dafür sein könnte, dass sich ihr typisches, selbst isolierendes Verhaltensmuster ausprägt.
Jedenfalls, selbst Wühlmaus sei nie gleich Wühlmaus, meinen Lim und Kollegen zum Abschluss: Auch ihre Versuchstiere zeigten im Test durchaus individuelle, vom faden Durchschnitt abweichende charakterliche Wandelbarkeit – eben von der überraschend abenteuerlustigen Prärie- bis zur erstaunlich häuslichen Wiesen-Wühlmaus. Dann doch wieder irgendwie beruhigend, das selbst bei Wühlmäusen nicht simples Rezeptorzählen in jedem Fall letzte Geheimnisse lüften kann.
Vielleicht – nur steht M. ochrogaster die die Wiesen-Wühlmaus (M. pennsylvanicus) ebenso erfolgreich im Wühlmausgeschäft gegenüber. Deren Männchen machen alles ganz anders: Weibchen – möglichst viele – sind häufig wechselnde Paarungsobjekte, und resultierender Nachwuchs bleibt für Mann reine Frauensache – er ist zum Geburtstermin längst wieder auf neuer Pirsch. Resultat ist sicher eine gute Streuung männlicher Gene – aber der Stress, der ständig aufs neue fordernde Werbewettkampf? Und nie mal, wie ein Prärie-Wühlmauspäarchen, einfach nur vertraut kuscheln?
Ein Remis eben, derzeit: Beides, sowohl ein Leben als Wiesen- als auch als Prärie-Wühlmaus, scheint Vor- und Nachteile zu haben. Vielleicht spielt die Evolution ja irgendwann einmal den finalen Schiedsrichter für eine der beiden Spezies. Bis es soweit ist, bleibt aber Zeit genug, sich genauer anzusehen, was im Kopf der Männchen dieser äußerlich ähnlichen, im Verhalten aber so unterschiedlichen Wühlmausvertreter eigentlich vor sich geht. Gibt es erkennbare biochemische oder genetische Gründe für die Promiskuität der Wiesenvariante und die Treue des Prärie-Typus?
Durchaus, meinen nun Miranda Lim von der Emory-Universität in Atlanta und ihre Kollegen. Sie hatten das so genannte ventralen Pallidum des Vorderhirns der beiden Arten unter die Lupe genommen – diese Hirnregion steht wohl mit dem nahen Nucleus accumbens, einem Teil des gehirneigenen Belohnungszentrums, in Verbindung. Den Forschern fiel ins Auge, dass sich im Gehirn der monogamen Prärie-Wühlmäuse auffällig mehr so genannter V1a-Rezeptoren finden. Diese sprechen auf das Hormon Vasopressin an – und Vasopressin gilt als Substanz, die eine körpereigene Belohnungsreaktion im Gehirn anstößt. Ausgeschüttet wird Vasopressin – in Menschen übrigens ebenso wie in Wühlmäusen – bei vielem, was Spaß macht. Gutem Sex, beispielsweise.
Sind demnach, so die Idee der Forscher um Lim, Prärie-Wühlmäuse mit ihrer großen Zahl an V1a-Rezeptoren vielleicht leichter belohnbar und somit einfacher zu befriedigen als ihre Wiesen-Vettern? Stillt schon der erste Sex ihr Bedürfnis nach Glück und hält die Männchen zufrieden bei der ersten Partnerin? Wenn das so ist, dann sollten umtriebigen Wiesen-Wühlmäusen eigentlich mehr Vasopressin-Rezeptoren ebenfalls zu einer niedrigeren Befriedigungsschwelle verhelfen können – und damit vielleicht zu einem insgesamt gesetzteren Sexualleben?
Die Wissenschaftler machten die Probe aufs Exempel und schleusten mit Hilfe eines harmlosen Transportvirus größere Mengen von V1aR-Genen in das ventrale Pallidum von zu Seitensprüngen neigenden Wiesen-Wühlmausmännchen ein und beobachteten, ob sich dadurch ihr Verhalten irgendwie änderte.
Tatsächlich: In einem Käfig mit einem einmal zum Partner erkorenen Weibchen ließen sich die veränderten Wiesen-Wühlmausmännchen nun plötzlich nicht mehr von in den Ring geworfenen Nebenbuhlerinnen ablenken – wie dies bei Prärie-Wühlmäusen üblich ist, ignorierten sie das neu auftauchende potenzielle Sexualobjekt und blieben ihrer Vertrauten treu.
Ist das Rezeptorgen V1aR demnach also ein "Treuegen"? Offenbar zumindest bei Wühlmäusen mit ihrem verhältnismäßig überschaubarem Verhaltensmuster-Fundus durchaus. Auf Menschen aber, beeilen sich die Forscher zu erklären, sei dies trotz genereller Ähnlichkeiten im Vasopressin-Mechanismus natürlich nicht einfach zu übertragen: Belohnung könne hier schließlich aus ungemein vielen Verhaltensweisen neben dem Sex stammen; Befriedigung und Partnerwahl resultieren aus unzähligen, nicht zuletzt sozial bestimmten Mosaiksteinchen. Immerhin, so die Forscher: Vielleicht könnte es bei bestimmten psychischen Erkrankungen des Menschen einmal hilfreich sein, Vasopressin-Rezeptor-Kreisläufe zu beeinflussen. Etwa bei Autisten, bei denen man in der Tat nachweisbare Störungen der Vasopressin-Rezeptor-Funktionen beobachten kann. Vielleicht ziehen die Betroffenen daher insgesamt weniger Befriedigung aus allen sozialen Kontakten – was letztlich ein Grund dafür sein könnte, dass sich ihr typisches, selbst isolierendes Verhaltensmuster ausprägt.
Jedenfalls, selbst Wühlmaus sei nie gleich Wühlmaus, meinen Lim und Kollegen zum Abschluss: Auch ihre Versuchstiere zeigten im Test durchaus individuelle, vom faden Durchschnitt abweichende charakterliche Wandelbarkeit – eben von der überraschend abenteuerlustigen Prärie- bis zur erstaunlich häuslichen Wiesen-Wühlmaus. Dann doch wieder irgendwie beruhigend, das selbst bei Wühlmäusen nicht simples Rezeptorzählen in jedem Fall letzte Geheimnisse lüften kann.
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