Hydrodynamik: Trinkende Katzen beherrschen Grundlagenphysik
Jeder hat einer Katze schon mal beim Trinken zugesehen – doch wie elegant und ausgeklügelt sie die Flüssigkeit aufnimmt, lässt sich dabei kaum erkennen: Zu schnell ist ihre Zunge. Also rückten MIT-Forscher und Katzenbesitzer Roman Stocker und seine Kollegen Stockers Katze Cutta Cutta mit Hochgeschwindigkeitskameras zu Leibe – und erhielten nach zum Teil langen Stunden des Wartens auf Aktion des Hauptdarstellers oscarverdächtige Aufnahmen, die auch Physiker begeistern dürften.
Denn der Vierbeiner erwies sich stellvertretend für seine Zunft als Meister der Hydrodynamik: Indem er ein perfektes Gleichgewicht zwischen Trägheit und Schwerkraft ausnutzt, maximiert er die aufgenommene Milch- oder Wassermenge. Cutta Cutta – und alle anderen Katzen – biegen demnach ihre Zungenspitze nach hinten, so dass nur eine kleine Fläche der Zungenoberseite die Oberfläche der Flüssigkeit berührt, nicht aber durchdringt. Anders als Hunde füllen sie deshalb nicht den dadurch entstehenden kellenartigen Hohlraum, sondern ziehen ihre Zunge nach Kontakt mit Milch oder Wasser schnell zurück. Dabei reißen sie einen Flüssigkeitszylinder mit nach oben.
Dieser bleibt bestehen, solange sich Beharrungsvermögen und Schwerkraft die Waage halten – und das nutzen die Katzen aus: Schnell schließen sie ihr Maul und schnappen sich so den oberen Teil der flüssigen Säule, während Kinn und Schnurrhaare trocken bleiben. Dabei optimieren sie die Frequenz ihrer Zungenbewegungen so, dass sie möglichst viel Wasser oder Milch ergattern: Cutta Cutta schleckte etwa viermal pro Sekunde und erwischte damit jeweils zirka 0,1 Milliliter.
Aber die Forscher werteten noch mehr Filmmaterial aus: Sie filmten auch im Zoo von Boston mehrere Großkatzen und nahmen sich unzählige Youtube-Videos mit entsprechenden Szenen vor, die sie dann zur Analyse verlangsamten. Und als wahre Experimentalphysiker stellten sie das Ganze noch mit Hilfe einer computergesteuerten Glasscheibe stellvertretend für die Zunge im Labor nach.
Sowieso liegt der Beginn der filmischen Trinkanalyse von Katzen am MIT: Schon 1940 hatte der dort angesiedelte Forscher Doc Edgerton einen oscarprämierten Kurzfilm gedreht, in dem er mit Stroboskoplicht eine trinkende Katze aufnahm, bemerken Stocker und Co stolz. Ob Cutta Cutta ebenso in die Annalen eingeht, wird sich zeigen. (af)
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben