Planetenforschung: Trockeneisbrocken gleiten Marsdünen hinab
Auf dem Mars gibt es Gruppen aus schmalen, langen Furchen, die manchen Sanddünen ein eigentümliches Aussehen verleihen. Ein Forscherteam um Serina Diniega vom Jet Propulsion Laboratory der NASA hat eine Theorie erarbeitet, die den Ursprung dieser "linear gullies" erklärt: Wenn Blöcke aus Trockeneis die Steilhänge der Dünen hinabgleiten, schieben sie den Sand wie ein Pflug beiseite. Schließlich stoppen die Trockeneisbrocken und sublimieren vollständig.
Die linear gullies werden nur in hohen Breiten auf dem Mars beobachtet, wo im Winter das Kohlendioxid, der Hauptbestandteil der dünnen Marsatmosphäre, direkt auf der Oberfläche als Trockeneis ausfriert. Im Frühjahr, wenn die Temperaturen wieder ansteigen, können dann Brocken von Trockeneis, die an steilen Flanken der Dünen entstanden waren, abgleiten. Dabei entsteht auf der Unterseite der Trockeneisbrocken im Kontakt zu den wärmeren Oberflächen der Dünen eine Schicht aus Kohlendioxidgas, auf dem die Brocken wie auf einem Luftkissen zu Tal gleiten können – ein Effekt ähnlich dem Leidenfrost-Phänomen. Schließlich erreichen sie weniger steile Bereiche der Dünen und bleiben stehen, wo sie sich durch Sublimation völlig auflösen.
Die seltsamen Furchen waren erstmals 2002 auf Bildern von Marssonden entdeckt worden. In den folgenden Jahren zeigte sich, dass weitere Strukturen dieser Art auf den Dünen entstanden. Bislang vermuteten die Planetenforscher, dass an ihrer Entstehung flüssiges Wasser beteiligt ist, welches kurzzeitig aus dem gefrorenen Untergrund hervorbricht und wegen des niedrigen Drucks auf der Marsoberfläche sofort verdampft.
Dagegen spricht jedoch die Form der Furchen, die so nur auf dem Mars gesichtet wurde. Bei einem Tal, das durch fließendes Wasser entsteht, gräbt sich das Wasser in die Oberfläche ein und spült das freigesetzte Material nach unten, wo es dann einen Fächer aus Sedimenten bildet. Die linear gullies aber zeigen entlang ihrer beiden Ränder jeweils einen schmalen Wall aus Sand und die Furchen enden nicht in einem Sedimentfächer, sondern abrupt oder mit einer kleinen Vertiefung.
Um die Theorie zu überprüfen, führte die Koautorin Candice J. Hansen Experimente mit Trockeneis in den Sandwüsten von Utah und Kalifornien durch. Sie ließ Blöcke von Trockeneis von den Hängen von Sanddünen hinabgleiten und konnte im kleinen Maßstab die Entstehung der Marsfurchen nachstellen. Zwar liegen die Temperaturen und der Luftdruck auf der Erde wesentlich höher, aber Rechnungen zeigen, dass sich die bei den Experimenten gewonnenen Erkenntnisse auf den Mars übertragen lassen. Somit könnte es im Frühjahr auf dem Mars zischende Trockeneisblöcke geben, die wie Schlitten die Sanddünen hinuntergleiten und dabei Furchen graben.
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