News: Tscherenkow-Strahlung erscheint in neuem Licht
Das von den geladenen Teilchen emittierte Licht breitet sich mit einer charakteristischen kegelförmigen Wellenfront aus, in der die Teilchenbahn die Symmetrieachse bildet. Der Kegelwinkel variiert mit der Teilchengeschwindigkeit. Die Tscherenkow-Strahlung dient heute als wichtiges Nachweisverfahren in der Hochenergie- und Elementarteilchenphysik. Mit ihr werden die bei Teilchenkollisionen erzeugten Partikel gezählt, identifiziert und hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit analysiert.
T. Stevens und J. Kuhl vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung sowie J. Wahlstrand R. Merlin von der University of Michigan führten ein optisches Experiment in einem Festkörper durch, das ein völlig neues Licht auf den Tscherenkow-Effekt wirft. Im Gegensatz zu den bekannten riesigen Teilchenbeschleunigern findet dieses Experiment auf einem Standard-Labortisch mit wenigen Quadratmetern Fläche Platz. Als "Geschosse" zur Erzeugung der Tscherenkow-Strahlung verwendeten die Forscher Lichtpulse mit einer Dauer von weniger als 100 Femtosekunden – eine Femtosekunde entspricht dem millionsten Teil einer milliardstel Sekunde (10-15 Sekunden). Das elektrische Feld der Lichtimpulse erzeugte durch Polarisation der Elektronen und Atome des Festkörpers eine ebene Verteilung sich schnell ausbreitender elektrischer Dipole. Da die Lichtgeschwindigkeit in dem Festkörper von der Wellenlänge abhängt, wurde sie im Experiment einfach durch Änderung der Trägerfrequenz des sichtbaren Laserpulses variiert.
Das Forscherteam zeigte in seinem Experiment, dass die Emission von Tscherenkow-Strahlung und die Bestimmung ihres Ausbreitungskegels keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Geschwindigkeit der Teilchen zulassen. Vielmehr fanden die Wissenschaftler, dass auch Teilchen, die sich mit einer Geschwindigkeit unterhalb der Phasengeschwindigkeit von Licht durch das Medium ausbreiteten, elektromagnetische Strahlung mit einer kegelförmigen Wellenfront emittierten. Diese Beobachtung wird durch ein weiterentwickeltes theoretisches Modell gestützt. Aus ihm geht hervor, dass ein beliebiger Kegelwinkel der Strahlung jeweils für zwei verschiedene Teilchengeschwindigkeiten steht. Die eine liegt oberhalb und die andere unterhalb der Lichtgeschwindigkeit in diesem Medium.
Dieses in der Festkörperoptik entdeckte unerwartete Phänomen revidiert die bisherigen Vorstellungen über den Tscherenkow-Effekt und könnte unter Umständen dazu beitragen, in der Hochenergiephysik auftretende Abweichungen zwischen experimentellen Ergebnissen und theoretischen Voraussagen zu erklären.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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