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Geophysik: Tsunamis schütteln den Himmel durch

Tsunami 2004
An der Küste türmen sie sich zu haushohen Wasserbergen auf, die mit unglaublicher Wucht an Land prallen und Menschen mit ihrem Hab und Gut ins Meer reißen können. Über die offene See schwappen sie dagegen allenfalls als kleine Welle in Zentimetergröße – dennoch reicht dies aus, dass Tsunamis die gesamte Atmosphäre erschüttern können. Geophysiker um Lucie Rolland vom Institut de Physique du Globe in Paris wollen dieses Signal nun nutzen, um die Vorhersage der gefährlichen Flutwellen zu verbessern.

Wenn die Tsunamis über den Ozean rasen, bringen sie die darüber liegenden Luftschichten bis in die Ionosphäre in 300 Kilometer Höhe zum Vibrieren, wie die Forscher nach Beben in Chile, bei den Kurilen 2006 und vor Samoa 2009 mit Hilfe von GPS-Satelliten beobachteten. In Folge der Erschütterung vor der Küste Chiles am 27. Februar mit der Stärke 8,8 schwappte ein Tsunami mit hoher Geschwindigkeit über den Pazifik; er erreichte auf dem Meer allerdings nur eine Höhe von zehn Zentimetern. Da aber bei einem Tsunami der gesamte Wasserkörper vom Meeresboden bis hin zur Oberfläche bewegt wird, kann eine Welle bis zu 100 Kilometer lang sein. Dadurch heben und senken sich Wassermassen über Hunderte von Quadratkilometern, was wiederum eine rhythmische Schwingung in der Atmosphäre erzeugt.

Höhe der Tsunamis zwei Stunden nach dem Beben | Zwei Stunden nach dem starken Seebeben vor Sumatras Küste erreichten die Tsunamis auf dem offenen Meer eine Höhe von 60 Zentimetern. Erst als sie flache Küstengewässer erreichten, türmten sie sich zu meterhohen Wellen auf.
Sie setzt sich nach oben hin fort, wobei sich ihre Amplitude durch die sich ausdünnende Luft vergrößert – um das 10 000-Fache bis zur Ionosphäre: Die Zehn-Zentimeter-Welle im Ozean erreicht an der Grenze zum All dann Höhen bis zu einem Kilometer. Trifft die Welle auf die Ionosphäre, drückt sie diese um etwa zehn Prozent zusammen, was sich auch auf die Dichte der freien Elektronen in der Gashülle auswirkt. Dies wiederum beeinflusst die Signale von GPS-Satelliten, was sich am Boden durch Verschiebungen der Positionswerte im Zentimeterbereich bemerkbar macht.

Durch den Datenabgleich verschiedener GPS-Satelliten konnten die Wissenschaftler verfolgen, wie sich der Tsunami in der Ionosphäre fortbewegt – allerdings mit einer zehnminütigen Verzögerung zur echten Welle auf der Erdoberfläche: Als Frühwarnsystem kommt diese Beobachtung also noch nicht in Frage. Da die Technik die Ausbreitung über große Distanzen hinweg verfolgen kann, hegen Rolland und Co jedoch Hoffnungen, dass sie eines Tages katastrophale Flutwellen rechtzeitig vorhersagen können. Eine gewisse Skepsis ist allerdings angebracht, denn bereits während des verheerenden Weihnachtstsunamis 2004 in Südostasien wurden entsprechende Fernwirkungen in der Ionosphäre registriert – seitdem hat sich die Anwendung der Technik noch nicht verbessert. (dl)
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