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Berliner Museum: Türkische Politiker wollen Pergamonaltar zurückfordern

Politiker in der Türkei wollen einen neuen Anlauf nehmen, um die Rückgabe des Pergamonaltars von Deutschland zu erreichen. Im Berliner Pergamonmuseum gibt man sich gelassen.
Der Pergamonaltar in Berlin

Den Anfang machte ein Veteran. In den 1990er Jahren, als er noch Bürgermeister von Bergama war, der türkischen Kleinstadt beim antiken Pergamon, hatte sich Sefa Taşkın energisch und lautstark für die Rückgabe des hellenistischen Zeusaltars eingesetzt, der seit Jahrzehnten das Prunkstück des Pergamonmuseums in Berlin ist. Am Mittwoch vergangener Woche sprach er – laut einem Bericht der türkischen Tageszeitung »Cumhuriyet« – von der Bühne des römischen Theaters, am Rande des Asklepios-Heiligtums der antiken Stadt, zu den versammelten Stadtabgeordneten der Ägäismetropole Izmir, Hauptstadt der Provinz, in der auch Pergamon liegt.

Eine Stunde lang erzählte der Sozialdemokrat den Nachgeborenen von der Bedeutung der einstigen Großstadt nahe der Westküste der heutigen Türkei, vom Kulturerbe, der Geschichte und dem Tourismus – und berichtete von »durchtriebenen deutschen Beamten«, die vor »160 Jahren den als heilig geltenden Marmor rechtswidrig und illegal wegschafften«. Unmittelbar nach dem historischen Vortrag sprachen sich die Anwesenden einstimmig dafür aus, Maßnahmen zur Rückholung des antiken Frieses einzuleiten. »Ab heute werden wir Hand in Hand für die Rückkehr des Zeusaltars nach Pergamon arbeiten«, sagte nach der Sitzung Tunç Soyer, der Bürgermeister von Izmir.

Als erste Schritte kündigte er die umgehende Gründung einer Kommission sowie einen von allen Abgeordneten gemeinsam verfassten Brief an Mehmet Ersoy an, den Kulturminister der Türkei. In dem Schreiben sollen alle erforderlichen rechtlichen und diplomatischen Maßnahmen zur Rückforderung des Altars angeregt werden. Keine drei Wochen vor der Stadtratssitzung unter freiem Himmel hatte bereits ein zum Teil aus pensionierten Hochschullehrern, Diplomaten und Juristen gebildetes Komitee angekündigt, sich für die Rückkehr des Altars nach Pergamon einzusetzen – und bei dieser Gelegenheit auch ausdrücklich auf die »Macht der öffentlichen Meinung« hingewiesen.

Streitpunkte im Gemenge der Restitutionsfragen

Das alles klingt erst mal nach Sommertheater vor antiker Kulisse. Es könnte jedoch mehr dahinterstecken. Zuletzt gab es vor fast zehn Jahren ernste Irritationen zwischen deutschen Wissenschaftlern und türkischen Behörden, als der damalige Kulturminister Ertuğrul Günay öffentlich und unmissverständlich die Verlängerung der Grabungslizenzen des Deutschen Archäologischen Instituts in der Türkei mit dem Entgegenkommen der zuständigen Berliner Stellen in Restitutionsfragen verknüpfte. Als Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die türkische Vorgehensweise in diesem Zusammenhang als »schon fast chauvinistisch« bezeichnete, war der türkische Minister erzürnt. Letztlich ging damals eine 3400 Jahre alte hethitische Sphinx, die 1917 zur Restaurierung nach Berlin gekommen und dort geblieben war, plötzlich und ohne viel Aufhebens zurück in die Türkei. »Als freiwillige Geste der besonderen Verbundenheit zwischen unseren Völkern«, wie Parzinger betonte. Ob die Sphinx über Jahrzehnte rechtmäßig in Berlin war oder nicht, war Ansichtssache, die Skulptur an sich ein eher weicher Streitpunkt im oft verwirrenden Gemenge der Restitutionsfragen.

Ganz anders verhält es sich jedoch mit dem Pergamonaltar – dem Glanzstück des nach ihm benannten Hauses auf der Berliner Museumsinsel. Die türkische Seite beharrt nun auf ihrem Standpunkt, wonach der deutsche Ingenieur Carl Humann (1839–1896) den Fries zwischen 1868 und 1878 illegal ausgegraben und außer Landes geschafft habe. In Berlin hingegen vertritt man die Ansicht, dass der Deutsche seine Ausgrabungen hauptsächlich ab 1878 und mit ausdrücklicher Genehmigung des Osmanischen Reichs durchgeführt habe. Die Verschickung des Pergamonaltars nach Deutschland sei amtlich und rechtlich einwandfrei erfolgt.

Steht eine neue Runde in einem alten Streit bevor?

Eine diplomatische Einigung in dieser Frage scheint angesichts der diametral entgegengesetzten Rechtsauffassungen so gut wie unmöglich. Zugleich ist aber wohl auch einem Veteranen wie Sefa Taşkın bewusst, dass der Pergamonaltar nicht in absehbarer Zeit von Berlin nach Bergama geliefert werden wird. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat jedoch bereits mehrfach bewiesen, dass er sich bisweilen gerne der von ihm eigentlich gering geschätzten Orchideenfächer annimmt, wenn sie versprechen, sein Image als Förderer und Bewahrer des türkischen Ansehens in aller Welt zu unterstreichen – zuletzt etwa bei der Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee. Sollte der Brief der Abgeordneten von Izmir über den Tisch seines Kulturministers auf den seinen wandern, wird man die nächste Runde des Restitutionsstreits zwischen der Türkei und Deutschland als eröffnet betrachten müssen.

Bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gibt man sich derweil betont gelassen. Trotz aller öffentlichen Ankündigungen gebe es bis heute keine offizielle Rückgabeforderung bezüglich des Pergamonaltars. Sollte jedoch eine solche jemals eintreffen, vertraue man auf die eindeutige Rechtslage: »Die Dokumente zu den Fundteilungen sind auf deutscher wie türkischer Seite wohlbekannt«, sagt die Pressereferentin Birgit Jöbstl gegenüber »Spektrum.de«. »Sie belegen, dass die hier befindlichen Teile des Bauwerks rechtmäßig nach Berlin gekommen sind.«

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