Attosekundenphysik: Tunneln aus der zweiten Reihe
Quantenteilchen nehmen sich gerne Freiheiten heraus. Reicht ihre Energie nicht aus, um einen Berg – genauer: eine Potenzialbarriere – zu überqueren, tunneln sie unter Umständen einfach hindurch. Auf diese Weise können auch Elektronen ihre Atome oder Moleküle verlassen, ohne die dafür eigentlich nötige Energie aufzubringen. Den so entstehenden Tunnelstrom nutzen etwa Rasterelektronenmikroskope oder auch gängige Flash-Speicher aus.
Klar war bislang, dass zumindest Elektronen im energetisch höchsten Orbital, angeregt von intensiven Laserpulsen, zum Tunneln in der Lage sind. Am Beispiel des Salzsäuremoleküls HCl bestätigte ein internationales Forscherteam um Hiroshi Akagi von der University of Ottawa, darunter auch Reinhard Dörner von der Universität Frankfurt, nun erstmals die in den letzten Jahren aufgetauchten Hinweise, dass auch stärker an den Atomkern gebundene Elektronen, die also eine höhere Barriere überwinden müssen, zum Tunnelstrom beitragen.
Beim HCl-Molekül ist nämlich das nächst tiefer gelegene Orbital wesentlich für den Zusammenhalt des Moleküls verantwortlich. Tunnelt aus ihm ein Elektron heraus, müsste das so ionisierte Molekül unter dem zusätzlichen Einfluss des Laserstrahls in seine Bestandteile zerbrechen. Genau das beobachteten die Forscher tatsächlich. Indem sie die auseinanderstrebenden Partikel – H-Atom, Cl+-Ion und entfliehendes Elektron – in Koinzidenz vermaßen, konnten sie den Vorgang isoliert, also unabhängig von weiteren Prozessen in der Probe betrachten.
Eine Analyse der Winkelverteilung der emittierten Elektronen bestätigte schließlich ihre Annahme, dass diese tatsächlich aus dem tiefer gelegenen Orbital stammten. Unter bestimmten Umständen können, so ergaben zusätzliche Berechnungen, über zehn Prozent der aus dem Molekül tunnelnden Elektronen dort ihren Ursprung haben.
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