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Persönlichkeit: Typisch Mann, typisch Frau

Bei fast jedem zweiten Charakterzug finden sich kleine, teils auch beachtliche Differenzen zwischen den Geschlechtern.
Ein paar Beine in Anzughosen, ein paar Beine in roten Strumpfhosen

Stereotype von »typisch männlichen« und »typisch weiblichen« Eigenschaften sind hinlänglich bekannt. Aber welche haben einen wahren Kern? Das untersuchten zwei Psychologen anhand der Selbstauskünfte von mehr als 320 000 Menschen zwischen 19 und 69 Jahren, die sie über verschiedene Onlinekanäle rekrutiert hatten. Petri Kajonius von der Universität Göteborg in Schweden und sein US-Kollege John Johnson von der Pennsylvania State University waren mit einer solchen Studie natürlich nicht die ersten. Doch sie beziffern ihre Befunde in der Fachzeitschrift »Personality and Individual Differences« anders als viele Vorgänger anschaulich.

In 13 der 30 Merkmale fanden die Psychologen zumindest kleine Abweichungen zwischen den Geschlechtern. Beachtlich groß waren sie bei zwei umfassenden Persönlichkeitsdimensionen aus dem bekannten Fünf-Faktoren-Modell: Verträglichkeit und emotionale Labilität (»Neurotizismus«). Erstere setzt sich aus Eigenschaften wie Altruismus und Mitgefühl zusammen, letztere unter anderem aus Ängstlichkeit und Verletzlichkeit; und diese vier Facetten waren bei Frauen im Schnitt so viel stärker ausgeprägt als bei Männern, dass Statistiker von einem mindestens mittelgroßen Effekt sprechen (d > 0,50). Praktisch bedeutet dieser Wert: Wenn man per Zufall je einen Mann und eine Frau vergleicht, ist sie in zwei Dritteln der Fälle ängstlicher beziehungsweise verletzlicher, mitfühlender, altruistischer. Wären die Merkmale bei Frauen und Männern gleichverteilt, lägen die Chancen naturgemäß bei 50/50.

»Solche Effektgrößen können sich gesellschaftlich auswirken, zum Beispiel darauf, wie Männer und Frauen einander wahrnehmen und welches Geschlecht in Studienfächern oder Berufen stärker repräsentiert ist«, schreiben Kajonius und Johnson. Im Schnitt unterschieden sich die Geschlechter in dieser Stichprobe in einer Größenordnung von 0,25, nahe an dem Wert von 0,21, den Metaanalysen bislang verzeichneten. Keine oder nur schwache Abweichungen ergaben sich in den Dimensionen Extraversion und Gewissenhaftigkeit. Entgegen mancher Stereotype bekundeten die Geschlechter beispielsweise ein vergleichbares Ausmaß an Geselligkeit, Vorsicht und an Vertrauen in andere. Was Interessen und Einstellungen anging, suchten Männer eher nach aufregenden Erfahrungen und intellektueller Stimulation, Frauen beschrieben sich als liberaler und kulturell interessierter.

Die beobachteten Unterschiede erklären die Autoren teils evolutionsbiologisch, teils auch anhand kultureller Einflüsse. Denkbar sei zudem, dass Männer bestimmte Merkmale als weiblich ansehen und sich selbst oder anderen gegenüber nicht eingestehen wollten – aber ebenso, dass sie sich im Zuge ihrer Sozialisation tatsächlich den Stereotypen entsprechend entwickelten. Die Unterschiede dürften jedoch nicht allein darauf zurückgehen, dass die Geschlechter im Fragebogen sozial erwünscht antworteten. Denn wie die Psychologen schildern, hätten sich Frauen auch in Verhaltensexperimenten als verträglicher und emotional instabiler erwiesen. Geschlechterunterschiede fallen je nach Kultur unterschiedlich aus – größer offenbar ausgerechnet dann, wenn eine Gesellschaft Wert auf Individualität und Chancengleichheit legt.

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