Saturn-Mission: Überfrorener Ursuppentopf
Temperaturen zwischen mehrfach kochendheiß und bretthart tiefgefroren, dazu radioaktiv verstrahlt und garantiert megaerdbebensicher: eindeutig ein schöner Ort zum Leben. Also auf zum Saturnmond Enceladus, wer als Molekül zum Organismus werden will!
Für alle, die die letzten fünf Jahre keine Pressemeldung der amerikanischen Weltraumbehörde gelesen haben, sei es noch einmal kurz wiederholt: Wasser ist Leben, auch im All. Und Wasser gab es einmal auf dem Mars, ganz bestimmt. Und auf dem Mars gab es demnach einmal Leben, vielleicht. Wir sollten echt mal hinfliegen, um selbst nachzuschauen.
Schade nur, dass wie bei allen Fernreisen gilt: unser Reisebudget setzt enge Grenzen. Und so ist die Strecke Mars hin und zurück für viele schon ein übertrieben luxuriöser Ausflug. Und wieder andere glauben ohnehin, dass wir Geld für ganz anders organisierte Bildungsreisen ausgeben sollten. Zum Beispiel schickt seit Jahren die kleine Sonde Cassini als unser Stellvertreter bunte Postkarten von weit entfernten Reisezielen wie etwa den Monden des Saturn. Und was dort zu sehen und erleben ist, würde einen Besuch des Menschen fast eher rechtfertigen, als die heutzutage ja nachweislich doch sehr trockenen Staubwüsten des Roten Planeten. Wenn Wasser und ein paar andere Zutaten wirklich Leben sind – dann sollte spätestens jetzt einer dieser Saturnmonde zum neuesten aufregendsten Fernziel erklärt werden.
Im Prinzip kommen an sonnenferner Ort und Stelle nur zwei Energiequellen in Frage. Eine ist der nahe Saturn selbst, der mit seiner enormen Schwerkraft am Mond zerrt und dabei Hitze produziert. Die zweite Kraft mag, so vermutete man, der radioaktive Zerfall bestimmter Mondgesteine sein. Beide Energiequellen zusammen dürften aber bei einem derart kleinen Mond wie Enceladus nicht ausreichen, um ihn wirklich langfristig zu wärmen: Eigentlich sollte er trotz Gezeiten und Radioaktivität ein mittlerweile eisig-steiniger Tiefkühlblock sein, anstatt munter Dampffontänen zu versprühen.
Julie Castillo-Rogez vom Jet Propulsion Laboratorium der Nasa in Pasadena und ein Team von Kollegen entwickelten nun aber eine ausgefeilte Theorie der Enceladus-Geologie, mit der die Herkunft der merkwürdigen inneren Hitze des Eismondes erklärt werden könnte. Am Anfang, so die Theorie, waren dabei die Kalzium-Aluminium-Inklusionen (calcium aluminium inclusions, CAI) die Astronomen als weißliche Einschlüsse in Meteoriten kennen und für eine der ursprünglichsten Substanz unseres Sonnensystems halten. In den CAI dürften in der Frühzeit des Sonnensystems auch größere Mengen an radioaktiven Aluminium- und Kalziumisotopen enthalten gewesen sein – und wahrscheinlich habe sich der Ur-Enceladus schon sehr früh aus den CAI-haltigen Gesteinsbrocken gebildet.
Der flüssige Aggregatszustand des radioaktiv hochgeheizten Mondkerns war nun Knackpunkt und wesentliche Grundvoraussetzung für die auch heute noch deutlichen Unterschiede zwischen Enceladus und anderen Monden, die zwar ähnlich groß, geologisch aber völlig inaktiv sind: Im geschmolzen Kern konnten die Gezeitenkräften des Saturn besser wirken und somit – bis heute – größere Energiemengen freisetzten. Ein Rest an Radioaktivität mag sein Übriges dazu beitragen, den Kern auf flüssiger Betriebstemperatur zu halten.
Das Modell von Castillo-Rogez und Mitstreitern liefert neben dem Ursprung der Kryovulkanität noch Erklärungen für ein paar andere spannende Beobachtungen und erlaubt auch wildere Spekulationen. Logisch ergibt sich zum Beispiel, dass sich unter dem ewig durchgewalkten Eispanzer der Mondoberfläche mit Hilfe der mondeigenen Fußbodenheizung auch flüssige Wasserreservoirs in wohltemperierten Zonen halten können. Hier findet sich dann womöglich ein abwechslungsreiches Chemielabor, in dem die wichtigsten organischen Urbausteine des Lebens gelöst sind.
Darauf deuten zumindest Analysen hin, die Cassini an den Geysirwolken vornehmen konnte. Enthalten sind in den Wassereiswölkchen zum Beispiel Kohlenwasserstoffe wie Azetylen, Propan und Methan, wenige längerkettige organische Moleküle, Kohlendioxid und sogar gasförmiger Stickstoff. Letzterer war im ursprünglichen Baumaterial von Enceladus sicher nicht enthalten – er könnte aber in der wässriger Lösung des Mondinneren entstehen, wenn die Temperaturen dort deutlich über 500 Grad Celsius erreichen (hilft ein tonähnliches Katalysatorgestein mit, dürfen es sogar etwas weniger sein). Enceladus, so freuen sich die Forscher, hat damit alle Bestandteile eines Ursuppenkochtopfs: Wärme, organische Moleküle und flüssiges Wasser.
Leben sei damit natürlich noch längst nicht gefunden – wenn man aber Geld darauf wetten müsste, ob es unter dem Eispanzer von Enceladus oder in einer trockenen roten Sandwüste des Mars auch heute existiert, sollte man seinen Einsatz wohlüberlegt platzieren.
Schade nur, dass wie bei allen Fernreisen gilt: unser Reisebudget setzt enge Grenzen. Und so ist die Strecke Mars hin und zurück für viele schon ein übertrieben luxuriöser Ausflug. Und wieder andere glauben ohnehin, dass wir Geld für ganz anders organisierte Bildungsreisen ausgeben sollten. Zum Beispiel schickt seit Jahren die kleine Sonde Cassini als unser Stellvertreter bunte Postkarten von weit entfernten Reisezielen wie etwa den Monden des Saturn. Und was dort zu sehen und erleben ist, würde einen Besuch des Menschen fast eher rechtfertigen, als die heutzutage ja nachweislich doch sehr trockenen Staubwüsten des Roten Planeten. Wenn Wasser und ein paar andere Zutaten wirklich Leben sind – dann sollte spätestens jetzt einer dieser Saturnmonde zum neuesten aufregendsten Fernziel erklärt werden.
Es geht um Enceladus, den sechstgrößten Saturnbegleiter. Er hatte schon mehrfach Schlagzeilen gemacht – beim ersten Blick als hellstes, oder genauer gesagt, am stärksten rückstrahlenden Objekt im Sonnensystem, beim näheren Hinsehen dann als eisspaltengetigerter, totalüberfrorener Vulkanmond, der hin und wieder eisige Wölkchen geysirartig aus seiner von unten überraschenderweise irgendwie ständig angewärmten Südpolarregion bläst. Damit produziert er einen stetigen Partikelnachschub für einen ganzen neuen Saturnring, den E-Ring. Was den kleinen Mond von innen derart wärmt, dass er mit regelmäßigem Kryovulkanismus protzen kann, blieb lange rätselhaft.
Im Prinzip kommen an sonnenferner Ort und Stelle nur zwei Energiequellen in Frage. Eine ist der nahe Saturn selbst, der mit seiner enormen Schwerkraft am Mond zerrt und dabei Hitze produziert. Die zweite Kraft mag, so vermutete man, der radioaktive Zerfall bestimmter Mondgesteine sein. Beide Energiequellen zusammen dürften aber bei einem derart kleinen Mond wie Enceladus nicht ausreichen, um ihn wirklich langfristig zu wärmen: Eigentlich sollte er trotz Gezeiten und Radioaktivität ein mittlerweile eisig-steiniger Tiefkühlblock sein, anstatt munter Dampffontänen zu versprühen.
Julie Castillo-Rogez vom Jet Propulsion Laboratorium der Nasa in Pasadena und ein Team von Kollegen entwickelten nun aber eine ausgefeilte Theorie der Enceladus-Geologie, mit der die Herkunft der merkwürdigen inneren Hitze des Eismondes erklärt werden könnte. Am Anfang, so die Theorie, waren dabei die Kalzium-Aluminium-Inklusionen (calcium aluminium inclusions, CAI) die Astronomen als weißliche Einschlüsse in Meteoriten kennen und für eine der ursprünglichsten Substanz unseres Sonnensystems halten. In den CAI dürften in der Frühzeit des Sonnensystems auch größere Mengen an radioaktiven Aluminium- und Kalziumisotopen enthalten gewesen sein – und wahrscheinlich habe sich der Ur-Enceladus schon sehr früh aus den CAI-haltigen Gesteinsbrocken gebildet.
Dies hätte Enceladus dann zu einem in frühester Jugend kurz – also ein paar Millionen Jahre lang – stark radioaktiv strahlenden Objekt gemacht und ihm dabei ziemlich eingeheizt. In der Folge wäre das Eis des aus schmutzigem Schneeballgemisch bestehenden Mondinneren geschmolzen, während die Gesteinsanteile wegen ihrer größeren Dichte gen Mondzentrum sackten, um sich dort zu einem größeren, heißen und daher geschmolzenen Kern zu vereinigen.
Der flüssige Aggregatszustand des radioaktiv hochgeheizten Mondkerns war nun Knackpunkt und wesentliche Grundvoraussetzung für die auch heute noch deutlichen Unterschiede zwischen Enceladus und anderen Monden, die zwar ähnlich groß, geologisch aber völlig inaktiv sind: Im geschmolzen Kern konnten die Gezeitenkräften des Saturn besser wirken und somit – bis heute – größere Energiemengen freisetzten. Ein Rest an Radioaktivität mag sein Übriges dazu beitragen, den Kern auf flüssiger Betriebstemperatur zu halten.
Das Modell von Castillo-Rogez und Mitstreitern liefert neben dem Ursprung der Kryovulkanität noch Erklärungen für ein paar andere spannende Beobachtungen und erlaubt auch wildere Spekulationen. Logisch ergibt sich zum Beispiel, dass sich unter dem ewig durchgewalkten Eispanzer der Mondoberfläche mit Hilfe der mondeigenen Fußbodenheizung auch flüssige Wasserreservoirs in wohltemperierten Zonen halten können. Hier findet sich dann womöglich ein abwechslungsreiches Chemielabor, in dem die wichtigsten organischen Urbausteine des Lebens gelöst sind.
Darauf deuten zumindest Analysen hin, die Cassini an den Geysirwolken vornehmen konnte. Enthalten sind in den Wassereiswölkchen zum Beispiel Kohlenwasserstoffe wie Azetylen, Propan und Methan, wenige längerkettige organische Moleküle, Kohlendioxid und sogar gasförmiger Stickstoff. Letzterer war im ursprünglichen Baumaterial von Enceladus sicher nicht enthalten – er könnte aber in der wässriger Lösung des Mondinneren entstehen, wenn die Temperaturen dort deutlich über 500 Grad Celsius erreichen (hilft ein tonähnliches Katalysatorgestein mit, dürfen es sogar etwas weniger sein). Enceladus, so freuen sich die Forscher, hat damit alle Bestandteile eines Ursuppenkochtopfs: Wärme, organische Moleküle und flüssiges Wasser.
Leben sei damit natürlich noch längst nicht gefunden – wenn man aber Geld darauf wetten müsste, ob es unter dem Eispanzer von Enceladus oder in einer trockenen roten Sandwüste des Mars auch heute existiert, sollte man seinen Einsatz wohlüberlegt platzieren.
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