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Überleben: Ameisen amputieren gezielt Beine von Artgenossen

Manche Ameisen betätigen sich als Chirurgen. Ist das Bein eines Artgenossen verwundet, beißen sie es gezielt ab, um das Leben des Kollegen zu retten. Dabei passen sie die Behandlung je nach Art der Verletzung an.
Nahaufnahme einer Florida-Holzameise (Camponotus floridanus)
Florida-Holzameisen (Camponotus floridanus) werden bis zu 1,5 Zentimeter groß und verteidigen ihr Revier aggressiv gegen andere Ameisen.

Es ist ein radikales Vorgehen: Florida-Holzameisen (Camponotus floridanus) beißen die verwundeten Gliedmaßen von Artgenossen ab, um zu verhindern, dass diese an Infektionen sterben. Dabei gehen sie je nach Art der Verletzung unterschiedlich vor: Sie amputieren nicht oder nur an bestimmten Stellen des Beins, wie Forscherinnen und Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg zeigen.

Für die Experimente verletzten sie gezielt einzelne Tiere und beobachteten dann, wie andere Ameisen darauf reagierten. Dabei stellten sie fest, dass die Ameisen Artgenossen nur bei Verletzungen am Oberschenkel amputieren – und zwar unabhängig davon, ob die Wunde steril oder bakteriell infiziert war. Durch das Abbeißen des Beins wird verhindert, dass sich Bakterien im Körper weiter ausbreiten, was die Überlebenschancen der Ameisen drastisch erhöht. Rund 90 Prozent der amputierten Tiere überleben die Behandlung. Trotz des Verlustes eines ihrer sechs Beine können sie danach ihre Aufgaben wieder im vollen Umfang übernehmen.

Bei Verletzungen am Unterschenkel verzichteten die Ameisen jedoch auf diese Maßnahme. Stattdessen investieren sie Zeit in die Reinigung der Wunde und lecken sie intensiv aus. Dies ging mit einer Überlebensrate von etwa 75 Prozent einher. Doch warum amputieren die Ameisen in diesem Fall nicht? Wären die Chancen zu überleben dann nicht vielleicht größer? Auch das wurde untersucht: Das Forschungsteam führte selbst Amputationen bei Ameisen mit verwundeten und bakteriell infizierten Unterschenkeln durch. Das überraschende Ergebnis: Die Überlebensrate lag bei nur 20 Prozent.

Die Fachleute erklären sich das folgendermaßen: Ist der Unterschenkel verwundet, dringen die Bakterien sehr schnell in den Körper ein. Die Ameisen »wissen«, dass die Chance auf Rettung bei einer Amputation in diesem Fall gering ist und investieren lieber Zeit in die intensive Säuberung. Bei einer Oberschenkelverletzung ist jedoch der Hämolymphefluss beeinträchtigt, so dass sich Pathogene langsamer verbreiten und entsprechend mehr Zeit für die Amputation bleibt.

Die in der Studie untersuchte Ameisenart kommt im Südosten der USA vor. Die rotbraunen Tiere werden mit bis zu 1,5 Zentimeter Körperlänge relativ groß. Sie nisten in verrottendem Holz und verteidigen ihr Nest energisch gegen rivalisierende Ameisenvölker. Kommt es zu Kämpfen, besteht Verletzungsgefahr. Das Forschungsteam hat sich diese Art ausgesucht, weil sie keine Metapleuraldrüse besitzen. Mit dieser Drüse produzieren andere Ameisenarten ein antibiotisch wirksames Sekret, das sie auf infizierte Wunden auftragen. So kam die Frage auf, welche anderen Mittel Camponotus-Ameisen gegen Infektionen einsetzen. Dass es sich dabei um Amputationen handelt, war eine große Überraschung, so die Autoren.

Lebensrettende Amputation

Eine Ameise beißt das Bein eines verletzten Artgenossen ab, um sein Überleben zu sichern.

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