Überlebensstrategie: Kot fressen statt Winterschlaf halten
Manche Tiere ziehen weg, andere fressen sich Fettreserven an oder halten Winterschlaf. Doch ein kleines Säugetier, das die Inspiration für das Pokémon Pikachu lieferte (nach dem englischen Begriff »pika«), trotzt auch ohne solche Strategien dem Winter auf dem kalten, trockenen und mehr als 4500 Meter hoch gelegenen Tibet-Plateau. Eine Arbeitsgruppe um John R. Speakman von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften hat herausgefunden, wie die nur maximal etwa 350 Gramm schweren Schwarzlippigen Pfeifhasen (Ochotona curzoniae) unter den extremen Bedingungen überleben. Wie das Team in der Fachzeitschrift »PNAS« schreibt, verfolgen sie eine doppelte Strategie: Zum einen fahren sie ihren Stoffwechsel drastisch herunter – und zum anderen fressen sie die herumliegenden Fäkalien von Yaks.
Letzteres erschien sogar Fachleuten unglaubwürdig, berichtet der Hauptautor Speakman gegenüber »National Geographic«. Doch das ungewöhnliche Verhalten ergibt Sinn. Denn Yak-Dung enthält nicht nur ungenutzte Nährstoffe, sondern ist auch eine gut zugängliche Nahrungsquelle – während fast alles andere knapp ist. Entsprechend gibt es dort, wo mehr Yaks leben, auch mehr Schwarzlippige Pfeifhasen. Auf der kargen Hochebene fallen die Temperaturen im Winter auf minus 30 Grad Celsius. Das Team legt mehrere Indizien für dieses als Koprophagie bezeichnete Verhalten vor. Es fand Yak-DNA in den Mägen toter Schwarzlippen-Pfeifhasen – es ist eher unwahrscheinlich, dass sie Yaks direkt fressen –, zudem ähneln sich die Mikrobiome im Darm der beiden Arten im Winter stärker. Während der 13-jährigen Beobachtungen erwischte die Gruppe die Fäkalienfresser außerdem in flagranti, berichtet sie in ihrer Veröffentlichung.
Nicht weniger bemerkenswert ist der zweite Teil der Überwinterungsstrategie. Sie fahren ihren Stoffwechsel drastisch herunter. Experimente der Arbeitsgruppe mit markiertem Wasser zeigten, dass die Tiere im Winter etwa 30 Prozent weniger Energie verbrauchen, indem sie ihre Körpertemperatur gezielt absenken. Außerdem bewegen sie sich deutlich weniger. Entscheidend für Letzteres seien die Yak-Fäkalien. Sie sind leicht zu finden, so dass die Pfeifhasen weniger Gefahr laufen, Raubtieren wie Falken oder Füchsen zu begegnen, zumal die Forschungen des Teams auch darauf hindeuten, dass die Tiere Dungfladen in ihrem Bau horten. Ein Aspekt, der vermutlich keinen Eingang in die Pokémon-Welt finden wird.
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