Kosmologie: Überraschung im frühen Universum
Beim Blick in extreme Entfernungen und längst vergangene Zeiten erkennene Astronomen manchmal Dinge, die sie nicht erwartet haben - zum Beispiel jenes neue superlative Objekt, das der Theorie nach so weit draußen gar nicht zu finden sein sollte.
Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, befindet sich in vergleichsweise wenig bevölkerter kosmischer Nachbarschaft. Im Gegensatz dazu gibt es spezielle Regionen im All, in denen sich einige Hundert bis mehrere Tausende Galaxien vergleichbar der Milchstraße konzentrieren, die über ihre wechselseitige Anziehungskraft aneinander gebunden sind. Diese Systeme werden Galaxienhaufen genannt und bilden die größten und massereichsten Objekte im Universum – sie sind fundamentale "Marksteine" der größten Strukturen im Kosmos. Darüber hinaus gibt ihre Anzahl und das Muster ihrer Verteilung im Weltraum Auskunft über die "Architektur" sowie die Entwicklung des gesamten Universums selbst.
Bei der systematischen Auswertung einer langen, mehr als zwölfstündigen Beobachtung einer nahen Galaxie mit dem weltweit größten Röntgenobservatoriums XMM-Newton der europäischen Weltraumbehörde Esa entdeckten die Wissenschaftler im äußeren Teil des Gesichtfeldes eine sehr schwache Quelle. Neben den Quasaren sind Galaxienhaufen die leuchtkräftigsten Röntgenstrahler – dennoch fing XMM-Newton nur 280 Photonen, im Schnitt also nur alle 2,5 Minuten ein Lichtteilchen, von dem fraglichen Objekt auf – ein erstes Indiz für dessen extreme Entfernung. Zum Vergleich: Beim Anblick einer in der Entfernung des Mondes platzierten herkömmlichen 100-Watt-Glühbirne würden unsere Augen etwa die gleiche Anzahl Lichtteilchen sammeln.
Besonders überrascht die Wissenschaftler, ein so massereiches Objekt bereits zu dieser frühen Zeit im noch jungen Universum zu finden. Bis vor kurzem gingen Kosmologen davon aus, dass sich solch komplexe Strukturen erst wesentlich später in der kosmischen Entwicklung gebildet haben. Da sich das Licht mit einer endlichen Geschwindigkeit von 300 000 Kilometer pro Sekunde durch die Weiten des Alls bewegt, können die Astronomen eine Art "kosmische Archäologie" betreiben. Während sie Licht von weit entfernten Objekten sammeln, schauen sie gleichzeitig in die Vergangenheit und sehen eine Momentaufnahme des Universums zu einem früheren Zeitpunkt. So sehen wir beispielsweise den Mond wie er vor einer Sekunde aussah, die Sonne zum Zeitpunkt vor acht Minuten und den Saturn im Zustand von vor einer guten Stunde.
Der neu entdeckte Galaxienhaufen ist für die Forscher eine Art riesiges Labor, mit dessen Hilfe sich konkurrierende Theorien zur Strukturentstehung und -entwicklung im Universum direkt testen lassen. Aus diesem Grund werden derzeit weitere detaillierte Beobachtungen des Rekordobjekts mit bodengebundenen Großteleskopen sowie Weltraumobservatorien durchgeführt. "Diese Entdeckung motiviert uns, gezielt nach weiteren extrem entfernten Galaxienhaufen zu suchen", kommentiert Hans Böhringer vom Max-Planck-Institut und gibt einen abschließenden Ausblick: "Die Ergebnisse unserer systematischen Suche und der weiterer zukünftiger Experimente auf diesem Gebiet werden letztendlich die fundamentalen Parameter unseres Universums stark eingrenzen."
Galaxienhaufen enthalten außer den im sichtbaren Licht beobachtbaren Galaxien auch noch große Mengen extrem heißen Gases, das bei einer Temperatur von bis zu 100 Millionen Grad vor allem Röntgenstrahlung aussendet. Dieses Röntgenlicht war es nun auch, welches ein Astronomen-Team um Forscher des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik nun auf die Fährte eines neu entdeckten Objekts führte.
Bei der systematischen Auswertung einer langen, mehr als zwölfstündigen Beobachtung einer nahen Galaxie mit dem weltweit größten Röntgenobservatoriums XMM-Newton der europäischen Weltraumbehörde Esa entdeckten die Wissenschaftler im äußeren Teil des Gesichtfeldes eine sehr schwache Quelle. Neben den Quasaren sind Galaxienhaufen die leuchtkräftigsten Röntgenstrahler – dennoch fing XMM-Newton nur 280 Photonen, im Schnitt also nur alle 2,5 Minuten ein Lichtteilchen, von dem fraglichen Objekt auf – ein erstes Indiz für dessen extreme Entfernung. Zum Vergleich: Beim Anblick einer in der Entfernung des Mondes platzierten herkömmlichen 100-Watt-Glühbirne würden unsere Augen etwa die gleiche Anzahl Lichtteilchen sammeln.
Dennoch vermuteten die Forscher einen Galaxienhaufen hinter dem Objekt – und versuchten, den Verdacht mit Hilfe von optischen Beobachtungen an einem der 8,2-Meter-Teleskope des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in der Atacama-Wüste in Chile zu bestatätigen. Mit Erfolg: Tatsächlich konnten die Wissenschaftler hier anhand der Verschiebung der spektralen Merkmale der Galaxien zeigen, dass sich der neue Rekordhalter, gemessen über die Lichtlaufzeit, in einer Entfernung von neun Milliarden Lichtjahren befindet, was einer Rotverschiebung von 1,4 entspricht. Das riesige Galaxiensystem befindet sich also von der Erde etwa 85 100 000 000 000 000 000 000 Kilometer entfernt und besitzt eine mehrere hundert Billionen Mal größere Masse als unsere Sonne.
Besonders überrascht die Wissenschaftler, ein so massereiches Objekt bereits zu dieser frühen Zeit im noch jungen Universum zu finden. Bis vor kurzem gingen Kosmologen davon aus, dass sich solch komplexe Strukturen erst wesentlich später in der kosmischen Entwicklung gebildet haben. Da sich das Licht mit einer endlichen Geschwindigkeit von 300 000 Kilometer pro Sekunde durch die Weiten des Alls bewegt, können die Astronomen eine Art "kosmische Archäologie" betreiben. Während sie Licht von weit entfernten Objekten sammeln, schauen sie gleichzeitig in die Vergangenheit und sehen eine Momentaufnahme des Universums zu einem früheren Zeitpunkt. So sehen wir beispielsweise den Mond wie er vor einer Sekunde aussah, die Sonne zum Zeitpunkt vor acht Minuten und den Saturn im Zustand von vor einer guten Stunde.
Auf Grund der enormen Entfernung des neu entdeckten Objektes wird dieser "Blick in die Vergangenheit" extrem. "Durch Einfangen des Lichts des Galaxienhaufens, das seit neun Milliarden Jahren auf dem Weg zu uns ist, sehen wir ein Bild des Universums im Jugendalter, zu einem Zeitpunkt, als es weniger als fünf Milliarden Jahre alt war, also nur etwa ein Drittel des heutigen Alters erreicht hatte", erklärt Teammitglied Chris Mullis von der University of Michigan. "Die optischen Bilder des Very Large Telescopes zeigen ganz Erstaunliches", fügt ESO-Astronom Piero Rosati hinzu. "Schon in dieser frühen Periode der kosmischen Geschichte sehen wir diese riesige und vollentwickelte Struktur. Das bedeutet, dass wir es mit einem alten Galaxienhaufen in einem jungen Universum zu tun haben."
Der neu entdeckte Galaxienhaufen ist für die Forscher eine Art riesiges Labor, mit dessen Hilfe sich konkurrierende Theorien zur Strukturentstehung und -entwicklung im Universum direkt testen lassen. Aus diesem Grund werden derzeit weitere detaillierte Beobachtungen des Rekordobjekts mit bodengebundenen Großteleskopen sowie Weltraumobservatorien durchgeführt. "Diese Entdeckung motiviert uns, gezielt nach weiteren extrem entfernten Galaxienhaufen zu suchen", kommentiert Hans Böhringer vom Max-Planck-Institut und gibt einen abschließenden Ausblick: "Die Ergebnisse unserer systematischen Suche und der weiterer zukünftiger Experimente auf diesem Gebiet werden letztendlich die fundamentalen Parameter unseres Universums stark eingrenzen."
© Max-Planck-Gesellschaft/spektrumdirekt
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