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News: Überschätzte Erosion?

Die Erosion von fruchtbarer Erde auf Farmland in gemäßigten, feuchten Breiten ist möglicherweise doch nicht so alarmierend wie bisher angenommen. Das ist das Ergebnis einer amerikanischen Untersuchung, durchgeführt in einer Farmregion im US Bundesstaat Wisconsin. Die Befunde überraschen, denn die meisten bisherigen Studien zu diesem Problem sagen voraus, daß die Abtragung von fruchtbarem Ackerland in den USA inzwischen wieder genauso schlimm ist wie vor sechzig Jahren.
Bei den bisher durchgeführten Studien zur Erosion in den Vereinigten Staaten haben die Wissenschaftler Bodenbewegungen in einem bestimmten Landstrich beobachtet und dann ein theoretisches Modell herangezogen, um den Verlust von Boden für ein ganzes Wassereinzugsgebiet auszurechnen. Seit den siebziger Jahren sind die Ergebnisse immer alarmierender: Zunehmend aggressivere Bewirtschaftungsmethoden der Landwirte führten dazu, daß große Mengen von fruchtbarem Oberboden einfach verschwunden sind – in manchen Fällen war die Erosionsrate so hoch wie 1930. Zur Kompensation der schlechteren Bodeneigenschaften, düngten und bewässerten die Farmer ihr Land, was wiederum ganz andere Umweltprobleme hervorrief. Außerdem mußten Schiffahrtswege freigeräumt und verschmutzte Grundwasserleiter gereinigt werden.

Stanley Trimble von der University of California in Los Angeles hat bei seiner Studie zur Erosion nicht nur einen anderen wissenschaftlichen Weg eingeschlagen, er kommt auch zu völlig anderen Ergebnissen. Die Reise eines Sedimentteilchens in einem Fließgewässer ist eine sehr komplexer und vor allem langwieriger Prozeß – das Teilchen könnte zum Beispiel viele Male auf Sandbänken abgefangen und später wieder weitertransportiert werden. Daher kam für Trimble nur eine Langzeituntersuchung in Frage, um verläßliche Aussagen darüber zu machen, wieviel Erde nun wirklich abgetragen wird. Der Wissenschaftler führte seine Studie im Einzugsgebiet des Coon Creek und seinen Zuflüssen in einer Farmregion im US-Bundesstaat Wisconsin durch. Dabei konnte er auf Informationen über Sedimentablagerungen und Erosion an dieser Region aufbauen, die über einen Zeitraum von 140 Jahren vorliegen.

Seine Ergebnisse zeigen, daß insgesamt die Erosion im Untersuchungsgebiet seit 1930 beständig zurückgeht und inzwischen bei nur mehr sechs Prozent von der damaligen Rate liegt. Die Bodenkonservierungsmaßnahmen, die seit den achtziger Jahren von immer mehr Landwirten durchgeführt werden, scheinen also zu wirken.

Doch wieso kommt Trimble zu so völlig anderen Ergebnissen als seine Kollegen? "Man kann Materie nicht machen oder zerstören, und Bodenteilchen sind eigentlich nur sehr selten wasserlöslich. Daher frage ich‚wieso wir dann so viel Erosion haben können?", sagt der Wissenschaftler. Er geht von der Überlegung aus, daß der abgetragene Boden vom Land rund um Coon Creek auch an verschiedenen Stellen des Wassereinzugsgebietes wieder auftauchen müßte. Doch er konnte keine verstärkte Sedimentation in den Gewässern feststellen (Science vom 20. August 1999).

Ähnlich wie Mitte der achtziger Jahre, als die Bodenkonservierungsprogramme erste Erfolge zeigten, ging im Coon Creek auch nach 1938 die Sedimentationsrate im Flußbett abrupt zurück. Damals ergriff der neu eingeführte Boden-Konservierungs-Dienst Maßnahmen zum Schutz von Ackerland. Im selben Jahr begannen auch die Vorgänger von Trimble ihre Studie an diesem Fluß, um herauszufinden, wie sich die Maßnahmen auswirken würden. Die älteste Sedimentschicht, die sie dabei untersuchten, stammte aus dem Jahr 1850. Bereits 1973 setzte Trimble die Studie fort und sah damals schon erste Anzeichen für einen Rückgang der Erosion.

"Wir fanden heraus, daß viel von dem Sediment im Coon Creek nicht sehr weit kommt, und daß es sich auf sehr komplizierten Wegen bewegt," sagt Trimble. Das zeigte sich zum Beispiel daran, daß die eigentliche Sedimentmenge, die das Fluß-System verläßt und vom Mississippi weitertransportiert wird (das galt lange als Hauptindikator dafür, wieviel Boden wirklich vom Land abgetragen wird), sich in den letzten 140 Jahren kaum verändert hat. Daran sieht man, daß die Erosions-, und Transportprozesse in Wassereinzugsgebieten komplizierter sind, als Wissenschaftler bisher angenommen haben, und daß sie das aktuelle Modell der Erosion neu überdenken müssen.

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