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Tropenökologie: Üppiger Reichtum auf üppigem Grund

Alexander von Humboldt sah in den dichten Regenwäldern Südamerikas die letzte Landreserve zur Ernährung der Welt - so überzeugt gab sich der Naturforscher von der Fruchtbarkeit ihrer Böden. Dies war eher ein Trugschluss, wie wir heute wissen. Aber gilt dies immer und überall?
Ohia-Wald
Alexander von Humboldts Ansicht über den üppigen Reichtum der Tropen spukte noch lange nach ihm in den Köpfen von Wirtschaftsbossen, Politikern und Militärs herum, die alle den riesigen Amazonasraum endlich für die Menschen nutzbar machen wollten: Sie erschlossen die Wälder mit Straßen und lockten landlose Kleinbauern in das scheinbar endlose Grün. Sie rodeten und brannten den Wald nieder und förderten Projekte wie "Fordlandia", eine für 1930 moderne Superfarm von Henry Ford, oder die Jarí-Unternehmung des amerikanischen Milliardärs Daniel Ludwig, der dort im großen Stil Reis anbauen wollte.

Über kurz oder lang scheiterten sie alle an der realen Unfruchtbarkeit dieser tropischen Böden, die in Amazonien, dem Kongobecken oder auf Borneo oft die Basis des Pflanzenwuchses bilden, nach der Brandrodung aber in wenigen Jahren erschöpft sind. Der deutsche Geograf Wolfgang Weischet ging sogar so weit, diese Substrate als natürliche ökologische Benachteiligung der Tropen zu bezeichnen. Zumeist hatte er damit Recht, denn gerade die zentralen Regenwaldgebiete unterliegen seit Millionen von Jahren einer ungebremsten Verwitterung und Auslaugung durch hohe Temperaturen und ausgiebige Niederschläge.

Ohia-Wälder auf den Hawai'i-Inseln | Ohia-Wälder auf den Hawai'i-Inseln wachsen auch auf den steilen Flanken der ehemaligen Vulkane. Dieses bewegte Relief führt zu sehr unterschiedlichen Nährstoffverhältnissen, sodass fruchtbare und unfruchtbare Böden in enger Nachbarschaft liegen können – die Vegetation ist dennoch stets üppig.
Und während europäische Böden eher flachgründig sind, reichen ihre tropischen Pendants oft Dutzende von Metern tief, bis sie auf Festgestein stoßen. In ihrem Körper darüber wurden die wichtigen Pflanzennährelemente wie Phosphate, Kalium oder Magnesium entweder von der Vegetation aufgenommen und dort gespeichert oder schon vor langem ausgewaschen und dem Meer zugeführt. Stattdessen beherrschen unfruchtbare Quarzsande, aluminiumhaltige Kaolinit-Tone und Eisen-Verbindungen das Bild – letztere erzeugen den charakteristischen Rot-Ton vieler Tropenböden.

Ohne Nachschub von unten muss sich das üppige Ökosystem deswegen selbst erhalten: Ein Myriadenheer an Bodenmikroben, Pilzen und Insekten zersetzt rasch die verrottende Biomasse, und ein dichtes, oberflächennahes Wurzelgeflecht führt die dabei frei werdenden Nährstoffe sofort den Pflanzen wieder zu – dies gebiert eine Vielzahl ökologischer Nischen und damit eine hohe Artenvielfalt. Unausweichliche Verluste werden am Amazonas durch den gelegentlich durch Stürme eingetragenen Saharastaub ein wenig ausgeglichen.

Doch gilt das von Weischet gezeichnete Bild nicht für alle Regenwälder des Globus: In Zentralamerika, auf Java und in Teilen Sumatras oder Afrikas bilden auch fruchtbare Vulkanböden die Grundlage für artenreiche Biotope – sofern sie nicht bereits in Kulturland umgewandelt wurden. Und zu Füßen der Anden oder in Überschwemmungsgebieten entlang der großen Urwaldflüsse finden sich ebenfalls ergiebige Nutzflächen; zum Teil liegen unfruchtbare Sandböden und reichhaltige Marschländer in unmittelbarer Nachbarschaft.

Phosphat-Konzentrationen | Die Phosphat-Konzentrationen im Laub von Ohia-Bäumen hängen stark von ihrem Standort ab: Geringe Werte (violette Töne) finden sich vor allem auf alten Schilden, während hohe Mengen in Tälern und Hangfüßen auftreten (gelbe Töne). Die von den Wissenschaftlern anhand der tatsächlich gemessenen Phosphat-Gehalte prognostizierte Verteilung (links) entsprach dabei weitgehend jene, die dann per Fernerkundung diagnostiziert wurde. Abweichungen ergeben sich nur an wenigen Stellen – etwa wo Ohia-Wälder fehlen (Punkt 1) oder am Fuße scharfer Grate, die von den Wissenschaftlern eigentlich von den Berechnungen ausgeschlossen worden waren (Punkt 2).
Dies war Grund genug für Ökologen um Stephen Porder von der Stanford-Universität, sich diese kleinräumlichen Unterschiede am Boden und aus der Luft einmal genauer anzusehen: Sie nahmen die Nährstoffverhältnisse und ihre räumlichen Veränderungen so genannter Ohia-Wälder (Metrosideros polymorpha) auf der hawaiianischen Insel Kaua'i – die sich durch ein besonders bewegtes Terrain auszeichnet – unter die Lupe. Aufgespürt werden sollten dabei die jeweiligen Phosphor-Gehalte der Böden, denn gerade dieses Element ist der Mangelfaktor für Pflanzenwuchs in den Tropen.

Um die Verteilung des Phosphors in der Landschaft zu ermitteln, werteten die Forscher spezielle Luftbilder aus, die mit einem Spektroskop angefertigt wurden. Mit dieser Technik maßen sie in engen Kanälen das von der Erde zurückgestrahlte Sonnenlicht, wobei die aufgenommenen jeweiligen Wellenlängen wiederum Aussagen über die Art der Oberfläche zuließen. Anschließend wurde jedes Bild Pixel für Pixel in einem Photonen-Transport-Modell auf die Chlorophyll-Gehalte seiner Vegetation untersucht – sie geben indirekt Auskunft über das Vorhandensein von Phosphor. Als Eichmaß dienten hierfür dann die in der Realität in den obersten Blättern von Ohia-Bäumen aus verschiedenen Linien von Hochplateaus bis zu den Hangfüßen ermittelten Gehalte des Nährstoffs.

Ohia-Baum | Die starken Niederschläge laugen gerade die Böden auf steilen Graten und den alten Schilden aus, während die Hangfüße und die Täler vom Nährstoffeintrag profitieren.
Die Untersuchung erbrachte eine deutliche, aber sehr kleinräumige Variabilität des im Laub vorhandenen Phosphors: Maximal hohe und niedrige Konzentrationen lagen häufig eng nebeneinander – manchmal nur im Meterabstand –, sodass sich auf den erzeugten Karten ein buntes Muster ergibt. Gerade an den Hangfüßen und in Tälern waren die Nährstoff-Mengen oft doppelt so hoch wie auf den alten, hoch liegenden Schilden. Ursache dafür ist natürlich die Erosion, die an den steilen Hängen stets frisches, unverbrauchtes Gestein freilegt und die frei gesetzten Nährstoffe beständig zu Tal trägt.

So stehen nur auf 17 Prozent der untersuchten Fläche Ohia-Wälder auf armen Böden – zumeist auf den Schilden und damit wesentlich seltener als gedacht –, aber reichere Substrate machen gleichfalls gerade einmal 15 Prozent aus. Der große Rest liegt irgendwo dazwischen, ohne dass Unterschiede in der Vegetation zu sehen sind, was Verallgemeinerungen nun nahezu unmöglich macht. Lässt sich dieses Ergebnis aus bewegtem Relief allerdings auf die weiten Ebenen etwa des Amazonasbeckens übertragen? Durchaus meinen die Forscher, denn ähnliche Flickenteppiche können ebenso in eher flachem Gelände entstehen: durch unterschiedliche Pflanzengemeinschaften, klimatische oder tektonische Einflüsse.

Wiederum ist jedoch Vorsicht angebracht: Denn auch wenn gerade brasilianische Provinzpolitiker glauben, Amazonien wäre der Brotkorb wie die Fleischtheke der Welt, und die dem Wald deshalb gnadenlos den Garaus bereiten, bedeutet nährstoffreicher dennoch nicht gleich fruchtbar – ganz abgesehen von all den Schädlingen und Pilzkrankheiten, die sich auf Rodungen besonders wohl fühlen.

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