News: Ultradünne Filme aus Polymeren
Um diese Beschränkung zu überwinden und hydrophile Oberflächen mit hohen Karbonsäure-Dichten zu erhalten – die für Modelle superabsorbierender Polymere, Bioadsorptions-Studien und als Vorläufer für spätere chemische Modifikationen wünschenswert sind – haben Alan Esker, Christoph Mengel und Gerhard Wegner vom Max-Planck-Institut für Polymer-Forschung in Mainz eine andere Methode angewendet (Esker et al., Science, Band 280, 8. Mai 1998).
Eine Modifikation der vorgeformten LB-Filme aus Poly(tert-Butyl-Methacrylsäureester) (PtBMA) und Poly(tert-Butyl-Acrylsäureester) (PtBA) nach dem Transfer liefert Polyelektrolyt-Filme für Polymethacrylsäure (PMAA) bzw. Polyacrylsäure (PAA) in der Gasphase. Isobutylen wird eliminiert, indem die Vorläufer-Filme für sechs Stunden gasförmiger Chlorwasserstoffsäure bei 60°C ausgesetzt werden. Dies wandelt die Ester-Gruppen in Karbonsäure-Anteile um und läßt Polyelektrolyte mit unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften und chemischer Reaktivität entstehen.
Der erste Schritt bei dieser Methode ist die Bildung stabiler Einzelschichten an der Grenzfläche von Luft und Wasser, wobei die Moleküle in zweidimensionalen (2D) Anordnungen eingefangen werden. Für PtBMA und PtBA war dieses Verhalten bereits durch Einzelschicht-Studien ihrer Isothermen, ihrer Oberflächendynamik und Rheologie (Fließkunde) bekannt. Danach folgt ein LB-Transfer der Materialien in hydrophobe (wasserabweisende) Silicium-Wafer, in denen eine Einzelschicht bei jedem Hub des Substrats übertragen wird. Dies wurde per Röntgenreflektometrie bestätigt. Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Systemen ist die Anwesenheit eines sogenannten Bragg-Peaks für PtBA-Filme, der auf eine Doppelschichtstruktur hinweist. Bei PtBMA ist dieser bisher nie beobachtet worden; das deutet darauf hin, daß die Methyl-Gruppen entlang der Hauptkette die Charakteristik der Packung verändern. Daten über die Schichtdicke aus der Röntgenreflektometrie und die Oberflächenkonzentration während des Transfers können zur Berechnung der PtBMA-Filmdichte verwendet werden, die hervorragend mit dem Volumenwert übereinstimmt. Im Gegensatz dazu ist die berechnete PtBA-Dichte signifikant niedriger als der Volumenwert. Das heißt, daß PtBMA sowohl an der Grenzfläche von Wasser und Luft als auch im Volumen eine ähnliche Packung aufweist, während PtBA, der eine größere Flexibilität besitzt, eine Anordnung annehmen kann, bei der alle hydrophoben Gruppen von der Grenzfläche abgewandt sind.
Nachträgliche Hydrolyse der PtBMA- und PtBA-Filme erhöht die Rauhigkeit ihrer Oberflächen nicht wesentlich. Die lineare Beziehung zwischen der Dicke von PMAA und PAA und der Anzahl der ursprünglich übertragenen Schichten – zusammen mit dem Fehlen von Entnetzung – deuten darauf hin, daß, obwohl die Doppelschichtstruktur zerstört wird, die Schichtstruktur möglicherweise erhalten bleibt (d.h. die 2D-Anordnungen bleiben erhalten). Neben der Röntgenreflektometrie wurde auch Infrarot-Spektroskopie eingesetzt, um die Umwandlung der Tert-butyl-Ester-Gruppen in die gewünschten Karbonsäuren zu bestätigen. Saubere Verschiebungen der Karbonsäure- und C-O-Linien sowie das Auftreten einer breiten Hydroxyl-Linie zeigen die Existenz von PMAA, primär als Säure-Dimer, an.
Für künftige Anwendungen werden Netzwerke dieser Materialien benötigt. Um die Machbarkeit dieses Ansatzes zu testen, wurde Isopentylzellulose-Cinnamat mit bifunktional-vinylbenzyl-terminierter PtBMA gemischt. Eine nachträgliche photo-induzierte Vernetzung ließ unlösliche Netzwerkstrukturen zurück, die wie oben hydrolysiert werden konnten. Da das PtBMA-Derivat nur zwei vernetzte Gruppen pro Moleküle enthielt, konnten gut definierte Netzwerk-Filme nur auf 60 mol % PtBMA-Monomer eingestellt werden.
Die Möglichkeit, 2D-Anordnungen für PMAA und PAA nach der Hydrolyse zurückzuhalten, indem man zuerst die Materialien vernetzt, bedeutet, daß Verbundkonstruktionen aufgebaut werden könen, die sich nur um eine einzige Schicht (ein Monomer dick) unterscheiden. Zum einen ergeben sich Einsatzmöglichkeiten als Modelle für superabsorbierende Polymer-Netzwerke und Bioadsorptions-Studien. Weiterhin sollten diese Materialien in idealer Weise für die flexiblen hydrophilen Zwischenschichten geeignet sein, die zwischen unterstützten Doppelschichten und soliden Substraten für biologisch relevante Studien der physikalischen Eigenschaften von Membranen benötigt werden.
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