Die südamerikanische Fledermausart Anoura fistulata besitzt wohl eine der verhältnismäßig längsten Zungen unter den Wirbeltieren: Sie erreicht mit einer Länge von knapp 8,5 Zentimetern bis zu 150 Prozent der Körperlänge, wie nun Nathan Muchhala von der Universität in Miami messen konnte.

Im Gegensatz zu anderen Nektar fressenden Fledermäusen – und der überwiegenden Mehrzahl anderer Säugetiere – beginnt die Zunge nicht am Grunde der Mundhöhle, sondern reicht bei Anoura fistulata bis in den Brustkorb, wo sie zwischen Herz und Brustbein verankert ist und von einer eigenen Geweberöhre umhüllt wird. Diese außergewöhnliche Länge ermöglicht es dem Tier, Nektar aus dem Blütenkelch des Glockenblumengewächses Centropogon nigricans zu trinken, was anderen Fledermäusen verwehrt bleibt. Womöglich ist die erst vor einem Jahr in den Nebelwäldern Ecuadors entdeckte Spezies sogar der einzige Bestäuber der Pflanze – ein Mutualismus, der nach Ansicht des Forschers eines der spektakulärsten Beispiele für die Koevolution zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern darstellen würde.

Gemessen wurde die Zungenlänge durch Videostudien, nachdem den Tieren – darunter zwei weitere Anoura-Spezies zum Vergleich – das Trinken von Zuckerwasser durch gläserne Halme antrainiert worden war. Die Zungen der beiden anderen Fledermausvertreter blieben mit weniger als vier Zentimetern deutlich hinter Anoura fistulata zurück. Nur Chamäleons besitzen proportional noch längere Zungen. (dl)