Direkt zum Inhalt

Umfrage: Studie findet weltweit hohes Vertrauen in die Wissenschaft

In der Corona-Pandemie hat die Wissenschaft den Menschen viel zugemutet und wurde selbst zum politischen Spielball. Ihrem globalen Ansehen hat das offenbar nicht geschadet.
Teilnehmende an einer Wissenschaftsdemo für Klimaschutz
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei einer Demo für Klimaschutz in Den Haag. Mehr als die Hälfte der Befragten wünschen sich von der Politik eine stärkere Berücksichtigung von Wissenschaft.

Menschen auf der ganzen Welt haben ein hohes Maß an Vertrauen in die Wissenschaft. Das ist das Ergebnis einer Umfrage in 67 Ländern. Die Mehrheit der Befragten wünschte sich darüber hinaus, dass sich Forschende stärker an der politischen Entscheidungsfindung beteiligen. Allerdings ergab die Umfrage auch, dass es häufig von den politischen Einstellungen einer Person abhängt, wie sehr sie der Wissenschaft vertraut.

Auch variiert das Ansehen der Wissenschaft von Land zu Land, ergab die Befragung von mehr als 70 000 Menschen. Die Ergebnisse wurden im vergangenen Monat online vorab veröffentlicht, eine Publikation in einer Fachzeitschrift steht noch aus.

»Der Grundtenor ist positiv«, sagt James Liu, Psychologe an der Massey University of New Zealand in Auckland. Die Corona-Pandemie hätte das Ansehen der Wissenschaft stark polarisieren können, aber das sei offenbar nicht geschehen: »Das Vertrauen in die Wissenschaft ist über alle Bevölkerungsgruppen hinweg recht hoch.«

Nan Li von der University of Wisconsin-Madison lobt das Vorgehen des Forscherteams. Frühere Studien zur öffentlichen Wahrnehmung hätten sich häufig nur auf ein oder zwei Aspekte von Vertrauen gestützt. Das Team um die Sozialwissenschaftlerin Viktoria Cologna von der Leibniz Universität Hannover habe dagegen ein robusteres Maß für Vertrauen verwendet. Und zudem viel Arbeit in die Studie gesteckt, an der Forschende aus der ganzen Welt beteiligt waren, sagt Li. »Ich bewundere das«, sagt Li, die wie ihr Kollege James Liu nicht an der Studie beteiligt war.

Die Veröffentlichung zählt zu den umfassenden Studien zum Vertrauen in die Wissenschaft, die seit dem Ausbruch der Pandemie durchgeführt wurden. Cologna und Kollegen haben dazu insgesamt 71 417 Personen rund um den Erdball befragt. In den meisten Ländern rekrutierten sie die Teilnehmenden online über Marketingfirmen, mit Ausnahme der Demokratischen Republik Kongo, wo sie Einzelinterviews durchführten. Die Befragten wurden gebeten, auf einer Skala von 1 bis 5 anzugeben, wie sehr sie einem Dutzend Aussagen über die Integrität, Kompetenz, das Wohlwollen und die Offenheit von Wissenschaftlern zustimmten. Je höher die Punktzahl, als desto größer schätzten die Studienautoren das Vertrauen in die Wissenschaft ein.

Über alle Befragten hinweg war der durchschnittliche Vertrauenswert mit 3,62 mäßig hoch. Weltweit wurden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Schnitt als sehr kompetent, eher integer und wohlmeinend eingeschätzt. Die Offenheit für Rückmeldungen wurde niedriger bewertet: 23 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass Wissenschaftler anderen Ansichten nur wenig oder gar keine Beachtung schenken. Drei Viertel der Befragten stimmten zu, dass die wissenschaftliche Methode der beste Weg sei, um herauszufinden, ob etwas wahr ist.

Ägypten ganz vorn, Deutschland eher unterdurchschnittlich

Die Teilnehmer aus Ägypten hatten das höchste Vertrauen in Wissenschaftler, gefolgt von Indien und Nigeria; in Albanien, Kasachstan und Bolivien hatten die Menschen das geringste Vertrauen. Teilnehmer in Ländern wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, Australien und China hatten überdurchschnittlich viel Vertrauen in Wissenschaftler, während die Teilnehmer in Deutschland, Hongkong und Japan ein unterdurchschnittliches Vertrauen hatten.

Die Studie untersuchte auch, wie politische Einstellungen mit dem Ausmaß des Vertrauens zusammenhängen. Global gesehen gab es einen klaren Trend, wonach eine eher linke politische Orientierung mit einem höheren Vertrauen einherging. Das Team fand diesen Zusammenhang auf Länderebene in Kanada, den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, Norwegen und China. In 41 der 67 untersuchten Länder – darunter Neuseeland, Argentinien und Mexiko – fand das Team jedoch keinen signifikanten Zusammenhang zwischen politischer Orientierung und Vertrauen. Und in einigen Ländern, etwa Georgien, Ägypten, den Philippinen, Nigeria und Griechenland, waren linksgerichtete Ansichten mit geringerem Vertrauen verbunden.

Die Ergebnisse würden sich möglicherweise dadurch erklären lassen, dass in einigen Ländern rechtsgerichtete Parteien Vorbehalte gegen die Wissenschaft geschürt hätten und andernorts die linksgerichteten, heißt es in der Studie. Zum Beispiel hat die konservative griechische Regierungspartei Nea Dimokratia seit 2020 konsequent mit Forschern bei der Umsetzung einer Agenda für die öffentliche Gesundheit zusammengearbeitet. Das könnte erklären, warum in diesem Land eine politische Orientierung rechts von der Mitte mit einem höheren Vertrauen in Wissenschaftler verbunden ist.

»Es geht darum, wie die politische Führung der Parteien mit Wissenschaftlern umgeht«, sagt Liu. Hinzu kommt: Was in einem Land eine linke Position ist, gilt in einem anderen als rechts. Das erschwert die Interpretation der Ergebnisse.

Mehr Politik wagen?

Mehr als die Hälfte der Befragten sind der Meinung, dass Forscher und Forscherinnen stärker in die politische Entscheidungsfindung einbezogen werden sollen. Auch wären sie damit einverstanden, wenn Wissenschaft und Politik enger verzahnt wären, etwa was die Berücksichtigung wissenschaftlicher Ergebnisse in der politischen Entscheidungsfindung angeht. Das sei intuitiv nachvollziehbar, findet der Neuseeländer Liu: »Wenn Menschen den Wissenschaftlern vertrauen, wollen sie auch, dass sie integriert werden.«

Aber für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sei es »wie ein Vollkontaktsport«, sich politisch zu Wort zu melden, erklärt er. »Wir sehen das zum Beispiel bei Klimaforschern, deren Aussagen immer wieder ignoriert oder öffentlich in Zweifel gezogen werden.«

Viele, die aus der Forschung kommen und sich politisch einmischen wollen, könnten von einem Kommunikationstraining profitieren, findet Liu. Damit wären sie besser für den rauen Umgang in der politischen Arena gerüstet. 80 Prozent der Befragten in der Studie wünschten sich, dass Forschende mit der Öffentlichkeit mehr über Wissenschaft kommunizieren sollten. Dabei hängt es immer auch stark vom Fachgebiet ab, wie sehr die Menschen einem Wissenschaftler oder einer Wissenschaftlerin vertrauen. Das Team plant nun, seinen Datensatz online zugänglich zu machen, um anderen eine weitere Untersuchung des Themas zu erleichtern.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.