Neurobiologie: Umgedreht
Erregende und hemmende Nervenzellen leisten als Grundbausteine die Informationsverarbeitung des Nervensystems. Bisher galt als sicher, dass dieser Charakter der Neuronen unumstößlich genetisch festgelegt ist. Doch dem scheint nicht so zu sein.
Ein einziger Grundbaustein genügt, um Informationen – wie beispielsweise diesen Text, den Sie gerade lesen – zu verarbeiten und zu verstehen: das Neuron. Schätzungsweise 30 Milliarden dieser Schaltelemente arbeiten im Nervensystem eines Menschen zusammen, wobei sich die Anzahl der Verknüpfungen untereinander auf den unvorstellbaren Wert von 1014 aufsummieren.
Und diese Verknüpfungen, die Synapsen, sind es, die den menschlichen Computer prägen. Das Neuron dient damit nicht nur der Informationsweiterleitung, sondern vor allem auch der Informationsverarbeitung. Jedes einzelne erhält Botschaften von über Tausenden seiner Nachbarn, wobei diese Signale sowohl addiert als auch subtrahiert werden können.
Der Trick liegt hierbei in der Chemie der Synapse. Denn die Nervenzellen sind nicht unmittelbar miteinander verbunden, sondern über einen winzigen Spalt voneinander isoliert. Das elektrische Signal des Nervenimpulses, das Aktionspotenzial, muss an der Synapse in ein chemisches umgewandelt werden, um diesen Spalt zu überbrücken. Sobald ein Aktionspotenzial das Endköpfchen der Synapse erreicht, strömt Kalzium in die Zelle ein. Dieser Ioneneinstrom sorgt wiederum dafür, dass das Neuron chemische Botenstoffe, die Neurotransmitter, in den synaptischen Spalt freisetzt, die zur benachbarten Nervenzelle wandern und hier bestimmte Ionenkanäle öffnen.
Dabei – und das ist das Entscheidende – hängt es vom Transmitter ab, welche Ionenkanäle sich öffnen: Acetylcholin beispielsweise aktiviert Natrium-Kanäle, Natrium-Ionen strömen dann in die Zelle ein, und der dadurch bedingte Spannungsabfall kann ein Aktionspotenzial auslösen. Umgekehrt öffnen Transmitter wie gamma-Aminobuttersäure, auch kurz GABA genannt, Kalium-Kanäle. Der jetzt erfolgende Kalium-Ausstrom erhöht die negative Zellspannung, die Auslösung eines Aktionspotenzials wird erschwert.
Je nach freigesetztem Transmitter lassen sich demnach zwei Typen von Nervenzellen unterscheiden: Erregende oder exzitatorische sowie hemmende oder inhibitorische Neuronen. Und dieser Charakter sollte – so glaubten Neurobiologen zumindest bisher – bei jeder einzelnen Nervenzelle unveränderlich genetisch festgelegt sein. Das Einzige, was sich im Leben einer Nervenzelle noch ändern könnte, wäre die Menge des freigesetzten Transmitters, nicht jedoch der Transmittertyp.
Wenn sich allerdings die Ergebnisse von Laura Borodinsky bestätigen sollten, dann wäre dieses Dogma schwer erschüttert. Denn die Neurobiologin konnte zusammen mit ihren Kollegen von der Universität von Kalifornien in San Diego den erregenden oder hemmenden Charakter von Nervenzellen während der Embryonalentwicklung nachträglich verändern.
Beides – Gene und Umwelt – prägen demnach den Charakter von Nervenzellen, vermuten die Forscher. Während die Strukturen, welche die elektrische Aktivität eines Neurons auslösen, genetisch programmiert sind, kann diese neuronale Aktivität selbst festlegen, welche Transmitter das Neuron produziert. Und das macht durchaus Sinn, wie Arbeitsgruppenleiter Nicholas Spitzer erklärt: "Die Biologie arbeitet schon mal etwas schlampig. Eine Nervenzelle muss mitunter bis zur anderen Seite des sich entwickelnden Gehirns wachsen und dort eine Synapse bilden. Gene legen diese Wachstumsrichtung fest, es gibt dabei jedoch keine absolute Genauigkeit. Anstatt also sich ganz auf die Gene zu verlassen, kann die Aktivität die Feineinstellung über die ausgeschütteten Neurotransmitter vornehmen, sobald die Nervenzelle ihr Ziel gefunden hat."
Und diese Verknüpfungen, die Synapsen, sind es, die den menschlichen Computer prägen. Das Neuron dient damit nicht nur der Informationsweiterleitung, sondern vor allem auch der Informationsverarbeitung. Jedes einzelne erhält Botschaften von über Tausenden seiner Nachbarn, wobei diese Signale sowohl addiert als auch subtrahiert werden können.
Der Trick liegt hierbei in der Chemie der Synapse. Denn die Nervenzellen sind nicht unmittelbar miteinander verbunden, sondern über einen winzigen Spalt voneinander isoliert. Das elektrische Signal des Nervenimpulses, das Aktionspotenzial, muss an der Synapse in ein chemisches umgewandelt werden, um diesen Spalt zu überbrücken. Sobald ein Aktionspotenzial das Endköpfchen der Synapse erreicht, strömt Kalzium in die Zelle ein. Dieser Ioneneinstrom sorgt wiederum dafür, dass das Neuron chemische Botenstoffe, die Neurotransmitter, in den synaptischen Spalt freisetzt, die zur benachbarten Nervenzelle wandern und hier bestimmte Ionenkanäle öffnen.
Dabei – und das ist das Entscheidende – hängt es vom Transmitter ab, welche Ionenkanäle sich öffnen: Acetylcholin beispielsweise aktiviert Natrium-Kanäle, Natrium-Ionen strömen dann in die Zelle ein, und der dadurch bedingte Spannungsabfall kann ein Aktionspotenzial auslösen. Umgekehrt öffnen Transmitter wie gamma-Aminobuttersäure, auch kurz GABA genannt, Kalium-Kanäle. Der jetzt erfolgende Kalium-Ausstrom erhöht die negative Zellspannung, die Auslösung eines Aktionspotenzials wird erschwert.
Je nach freigesetztem Transmitter lassen sich demnach zwei Typen von Nervenzellen unterscheiden: Erregende oder exzitatorische sowie hemmende oder inhibitorische Neuronen. Und dieser Charakter sollte – so glaubten Neurobiologen zumindest bisher – bei jeder einzelnen Nervenzelle unveränderlich genetisch festgelegt sein. Das Einzige, was sich im Leben einer Nervenzelle noch ändern könnte, wäre die Menge des freigesetzten Transmitters, nicht jedoch der Transmittertyp.
Wenn sich allerdings die Ergebnisse von Laura Borodinsky bestätigen sollten, dann wäre dieses Dogma schwer erschüttert. Denn die Neurobiologin konnte zusammen mit ihren Kollegen von der Universität von Kalifornien in San Diego den erregenden oder hemmenden Charakter von Nervenzellen während der Embryonalentwicklung nachträglich verändern.
Die Forscher hatten mit Embryonen des Krallenfroschs Xenopus laevis gearbeitet. Hier gelang es ihnen, den Kalzium-Einstrom der sich entwickelnden Nervenzellen zu manipulieren. Unterdrückten sie den Kalzium-Einstrom – schwächten sie also einlaufende Signale ab –, dann schütteten die heranreifenden Nervenzellen später überraschenderweise verstärkt exzitatorische Neurotransmitter wie Acetylcholin oder Glutaminsäure aus. Umgekehrt bremste ein erhöhter Kalzium-Einstrom die Freisetzung dieser Transmitter und förderte stattdessen hemmende Botenstoffe wie GABA oder Glycin. Die Nervenzellen der Krallenfroschembryonen reagierten also immer entgegengesetzt: Erregende Erfahrungen während der Embyronalentwicklung machte sie zu späteren Bremsen des Nervensystems, frühzeitige Unterdrückung förderte dagegen ihren späteren erregenden Charakter.
Beides – Gene und Umwelt – prägen demnach den Charakter von Nervenzellen, vermuten die Forscher. Während die Strukturen, welche die elektrische Aktivität eines Neurons auslösen, genetisch programmiert sind, kann diese neuronale Aktivität selbst festlegen, welche Transmitter das Neuron produziert. Und das macht durchaus Sinn, wie Arbeitsgruppenleiter Nicholas Spitzer erklärt: "Die Biologie arbeitet schon mal etwas schlampig. Eine Nervenzelle muss mitunter bis zur anderen Seite des sich entwickelnden Gehirns wachsen und dort eine Synapse bilden. Gene legen diese Wachstumsrichtung fest, es gibt dabei jedoch keine absolute Genauigkeit. Anstatt also sich ganz auf die Gene zu verlassen, kann die Aktivität die Feineinstellung über die ausgeschütteten Neurotransmitter vornehmen, sobald die Nervenzelle ihr Ziel gefunden hat."
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