Direkt zum Inhalt

Glaziologie: Umkippende Eisberge lösen Tsunamis aus

Wenn Gletscher an ihrem Zungenende kalben und Eisberge ins Meer stürzen, entstehen immer Wellen, da die herabstürzenden Brocken natürlich Wasser verdrängen. Doch das sind offensichtlich nicht die einzigen Wellenbewegungen, die die Eisberge in ihrem Leben auslösen können, wie Douglas Macayeal von der University of Chicago von der grönländischen Küste beschreiben: Die massigen Gebilde kippen wegen ihrer speziellen, zu Beginn vielfach kopflastigen Geometrie oft um – und erzeugen dadurch lokale Tsunamis, die durchaus schwere Schäden anrichten können.

© Jason Amundson, University of Alaska, Fairbanks
Massives Kalben am Jakobshavn-Gletscher
Diese aus Einzelbildern zusammengesetzte Sequenz zeigt den Abbruch eines gigantischen Eispakets vom Jakobshavn-Gletscher. Riesige Brocken kippen anschließend über und erzeugen Wellen, die bis zum anstehenden Gletscher hochschwappen. Dessen Front ragt etwa 100 Meter hoch über dem Wasser auf.
Je nach Größe der Eisberge setzen sie beim Umstürzen eine Energie frei, die in etwa einem Erdbeben der Stärke 5 bis 6 auf der Gutenberg-Richter-Skala entspricht. Vor allem Eisberge, die halb so dick wie hoch sind, besitzen eine kritische Masse, die beim Umkippen eine Wirkung wie mehrere tausend Tonnen Sprengstoff vom Typ TNT entfalten können. Vor der Küste Grönlands oder der Antarktis erzeugt die Massenverdrängung dann eine Welle, deren Kamm etwa ein Prozent der ursprünglichen Eisberghöhe erreichen könnte. Im Falle des Jakobshavn Isbræ auf Grönland können, die bis zu einem Kilometer hohen Eispakete also auch Wellen von maximal zehn Meter Höhe auf dem offenen Wasser auslösen – Werte, die auch nach den Seebeben vor Sumatra 2004 und Japan 2011 erreicht wurden. In engen Buchten wachsen sie sich dann zu teilweise noch höheren Tsunamis aus.

Im Gegensatz zu Seebeben, die eine riesige Wassersäule in einem relativ großen Gebiet in Bewegung versetzen, wird im Falle der umkippenden Eisberge jedoch vergleichsweise wenig Wasser bewegt. Zudem entstehen sie in dünn besiedelten oder menschenleeren Regionen, so dass sie nur selten registriert werden. Bisweilen richten sie aber auch lokal Schäden an, wie das Video zeigt. Das Phänomen ist zudem aus glaziologischer Sicht interessant, denn derartige Wellen können Gletscherzungen, die im Meer enden, sowie Eisschelfe zerrütten und ihren Zerfall beschleunigen. (dl)

© Erik Bjerregaard
Und noch ein Eisberg-Tsunami

© N24
Von Eisberg ausgelöster Tsunami
  • Quellen
Ann. o. Glaciol. 52, S. 51–56, 2011

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.