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Demografie: Umverteilung von Arbeit gegen Geburtenrückgang?

James Vaupel und Elke Loichinger vom Max-Planck-Insitut für demografische Forschung fordern angesichts der alternden Gesellschaft ein längeres Arbeitsleben und mehr Teilzeitbeschäftigung. Damit wollen sie unter anderem die Geburtenrate steigern. "Das 20. Jahrhundert war eines der Umverteilung von Vermögen, im 21. Jahrhundert wird es um die Umverteilung von Arbeit gehen", so Vaupel.

Die Rostocker Forscher entwickelten zwei neue Indices, um die Belastung der Gesellschaft durch Überalterung auszudrücken. Normalerweise wird dafür das Verhältnis der Über-60-Jährigen zu den 20- bis 60 Jährigen herangezogen. Vaupel und Loichinger sehen jedoch einen größeren Informationsgehalt im Verhältnis von nicht arbeitender zu arbeitender Bevölkerung, die in Deutschland derzeit 1,27 beträgt: Auf fünf Nichtarbeiter kommen vier Personen, die mindestens eine Stunde pro Woche einer bezahlten Tätigkeit nachgehen. Im Jahr 2025 würde sich dieses Verhältnis auf drei zu zwei verschieben, mahnen die Sozialwissenschaftler.

Der zweite Index basiert auf der Zahl an Arbeitsstunden pro Woche und Kopf. In Deutschland lag der Wert im Jahr 2005 bei 16,3, da nur 44 Prozent der Bevölkerung überhaupt arbeiten. Bis 2025 wird dieser Wert um acht Prozent sinken. In anderen europäischen Ländern sehe die Situation ähnlich aus. Der momentane Lebensstandard ließe sich dann aber nur halten, wenn die Produktivität entsprechend hoch sei. Die Arbeitsverteilung werde hingegen noch ungleicher, da immer weniger Menschen arbeiteten.

Um dieser Belastung entgegen zu wirken, sei es daher notwendig, dass auch ältere Menschen noch stärker ins Arbeitsleben einbezogen werden – angesichts der Fortschritte in der Medizin sei dies zwar nicht immer, aber durchaus häufig auch gesundheitlich möglich. Entsprechende Maßnahmen politisch durchzusetzen, werde aber zunehmend schwieriger, je stärker der Anteil der Wählerschaft in dieser Altersgruppe wachse. Jedenfalls müssten entsprechende Angebote zu lebenslangem Lernen und besserer Arbeitsumgebung die Produktivität älterer Arbeitnehmer fördern, so die Forscher weiter. Außerdem müssten konsequenter Teilzeitmöglichkeiten für 20- bis 30-Stunden-Wochen geschaffen werden, die für alle Altersgruppen interessant seien. Gerade Jüngeren wäre damit mehr Gelegenheit geboten, Arbeit, Ausbildung, Familienplanung und Freizeit besser miteinander vereinbaren zu können.

Für nachfolgende Generationen könnte es schwer sein nachzuvollziehen, warum wir die Berufstätigkeit ausgerechnet in jenen Lebensjahren konzentrieren, in denen wir Kinder haben könnten und diese die Zeit und Energie ihrer Eltern benötigten. "Dann, mit Ende 50 oder Anfang 60, gehen wir in den Ruhestand und genießen ausgedehnte Freizeit, überwiegend finanziert von jungen Erwachsenen, die auch noch Kinder aufziehen", erklären die Wissenschaftler. Wenn man endlich wirklich Zeit habe, sei man schon zu alt zum Kinderkriegen und die Kinder selbst schon zu alt, um davon noch zu profitieren – ein irrational anmutender Lebenslauf.

Wie allerdings sich Familien mit Teilzeitjobs finanzieren könnten, das müsse noch genauer ausgeklügelt werden. Wenn durch Teilzeitangebote mehr Menschen arbeiteten, sollten sich unter anderem die Abgaben für die Unterstützung Arbeitsloser und auch Rentner reduzieren, meinen Vaupel und Loichinger. Auch eine größere Anzahl von Frauen könnte dann wieder berufstätig werden. "Eine Umverteilung der Arbeit auf mehr Köpfe sollte daher die Wahrung des Lebensstandards ermöglichen", schreiben die Wissenschaftler.

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