Ewigkeitschemikalien: Mikroben zerstören PFAS
Eine Gruppe von Bakterien kann die extrem starken Kohlenstoff-Fluor-Bindungen aufbrechen, der per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) ihren Beinamen Ewigkeitschemikalien verdanken. Möglicherweise könnten solche Mikroben eines Tages dazu beitragen, die mittlerweile überall gegenwärtigen Schadstoffe aus der Umwelt zu entfernen.
Perfluoralkyl- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) bezeichnet man eine Gruppe von rund 15 000 Chemikalien. Sie sind häufig in alltäglichen Konsumgütern wie Pizzakartons, Regenjacken oder Sonnenschutzmitteln zu finden. Die Stoffe können über viele Wege in den Körper gelangen, etwa über das Trinkwasser oder den Verzehr von Pflanzen, die mit PFAS-haltigem Klärschlamm gedüngt wurden. Studien zufolge trägt die US-Bevölkerung die Stoffen flächendeckend im Blut. Eine chronische Belastung mit PFAS kann, selbst wenn die Mengen gering sind, zahlreiche gesundheitliche Folgen haben, etwa Nierenkrebs, Schilddrüsenerkrankungen oder Colitis ulcerosa.
PFAS lassen sich zwar zerstören, die Methoden erfordern jedoch extreme Hitze oder starken Druck und funktionieren nur zuverlässig, wenn die Abfälle vorher sortiert wurden. Schon lange denken Fachleute darüber nach, ob Bakterien die Chemikalien in der Umwelt direkt abbauen könnten. Aber Kohlenstoff-Fluor-Bindungen kommen hauptsächlich in von Menschen hergestellten Materialien vor, und PFAS existieren erst seit relativ kurzer Zeit. Bakterien haben daher noch nicht die Fähigkeit entwickelt, sie zu verdauen. Eine Studie, die im Juli 2024 im Fachblatt »Science Advances« veröffentlicht wurde, hat jetzt eine Mikrobe gefunden, welche Kohlenstoff-Fluor-Bindungen aufbricht. Es sei zwar nicht das erste Mal, dass ein solches Bakterium aufgespürt werde, sagt der Chemiker William Dichtel, der an der Northwestern University energieeffiziente Wege zum chemischen Abbau von PFAS untersucht. Die Studie stelle jedoch einen Schritt nach vorn dar.
Um eine viel versprechende Gruppe von Bakterien zu identifizieren, untersuchten die Autoren mehrere im Abwasser lebende Mikrobengemeinschaften. Vier Stämme der Gattung Acetobacterium stachen dabei heraus. Jeder Stamm produzierte ein Enzym, das Kaffeesäure verdauen kann. Die Verbindung kommt in manchen Pflanzen vor und ähnelt einigen PFAS strukturell. Das spezielle Enzym tauschte bestimmte Fluoratome in den PFAS durch Wasserstoffatome aus; anschließend schleuste ein Transportprotein die Fluoridionen enthaltenden Nebenprodukte aus den einzelligen Mikroben heraus und schützte sie so vor Schäden. Innerhalb von drei Wochen spalteten die meisten Stämme die anvisierten PFAS-Moleküle in kleinere Fragmente auf. Diese ließen sich anschließend mit herkömmlichen chemischen Methoden abbauen.
Weil die Bakterien direkt die Kohlenstoff-Fluor-Bindungen angriffen, zersetzten sie teilweise sogar Perfluoralkylsubstanzen – eine Art von PFAS, die nur sehr wenige Mikroben abbauen können. Allerdings konnten diese Acetobacterium-Stämme nur solche perfluorierten Alkylverbindungen bearbeiten, die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen benachbart zu den Kohlenstoff-Fluor-Bindungen enthalten. Solche ungesättigten Perfluoralkylverbindungen dienen als Bausteine für die meisten größeren PFAS: Sie werden großtechnisch hergestellt und entstehen außerdem, wenn man PFAS verbrennt.
Fachleute hatten zuvor nachgewiesen, dass eine Mikrobe namens Acidimicrobium sp. Stamm A6 Kohlenstoff-Fluor-Bindungen aufbrechen und zwei der am häufigsten vorkommenden Perfluoralkylverbindungen vollständig abbauen kann. Dieses Bakterium wächst jedoch langsam und funktioniert nur unter sehr speziellen Umweltbedingungen. Außerdem versteht man noch nicht ganz, wie dieser Bakterienstamm seine Aufgabe erfüllt.
Die Acetobacterium-Linien zielen auf eine andere Gruppe von PFAS ab, und das Team hofft, dass es die Einzeller entweder effizienter machen oder deren Wirkung auf weitere Perfluoralkylverbindungen ausweiten kann. Die leitende Autorin der Studie Yujie Men von der University of California in Riverside schätzt, dass die Mikroben am besten funktionieren, wenn man sie mit anderen Ansätzen zum Abbau von PFAS kombiniert. Die chemischen Strukturen der Stoffe in dieser Klasse seien so vielfältig, »dass ein einzelnes Labor dieses Problem nicht allein lösen kann«.
Bis man die Mikroben kommerziell nutzen kann, sind noch einige Hürden zu nehmen. So müsste die Abbaugeschwindigkeit gesteigert werden und die Ergebnisse außerhalb des Labors replizierbar sein. Man ist trotzdem optimistisch: »Wir ebnen den Weg Schritt für Schritt«, sagt sie.
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