Fortpflanzungsbiologie: (Un-)Gleichgewicht der Schrecken
Sexualität gilt als die Triebfeder der Evolution schlechthin. Schließlich müssen die Männchen auf all die Innovationen ihrer Konkurrenten reagieren und bestenfalls noch eins draufsatteln. Und auch viele Weibchen setzen den gesteigerten Avancen der Galane geänderte Auswahlkriterien und körperliche Reaktionen entgegen. Kleine Samenkäfer treiben diesen Anpassungsprozess im wahrsten Sinne auf die Spitze.
Geht es um die Fortpflanzung lässt sich Mutter Natur einiges einfallen. Das beginnt bei der Balz, wenn Vogelmännchen mit buntem Gefieder, stimmigem Gesang und bisweilen ausgefeilten Tanzeinlagen um ihre Zukünftige werben, Hirsche mit veritablem Geweih Eindruck schinden wollen oder Buntbarsche Liebesnester aus Steinchen und Stöckchen bauen. Es setzt sich fort mit Kämpfen um das beste Revier oder den größten Harem, wobei Mufflonböcke sich mit ihren Hörnern halsbrecherisch in Scharmützel stürzen, siamesische Kampffische bisweilen erst mit ihrem Ableben aufgeben oder Erdkröten blind vor Liebe ihre Geschlechtsgenossen statt einer Lurchin besteigen. Und es endet noch lange nicht beim eigentlich Zeugungsakt, den Argentinische Ruderenten mit dem längsten Phallus der Wirbeltiere bestreiten – er kann doppelt so lange werden wie sie selbst – und der bei Hunden mit einem verkeilten Liebespaar schließt, das sich erst dreißig Minuten nach seiner Ejakulation lösen kann.
Denn viele männliche Samenkäfer haben im Laufe der Evolution sehr bizarre Gemächter entwickelt, deren Enden mit harten Dornen gespickt sind. Mit diesen Spitzen penetrieren sie den weiblichen Kopulationstrakt und verhaken sich darin, damit sie während der Paarung einen besseren Halt finden. Die Kerfe wollen damit ihre Chancen auf eine erfolgreich Befruchtung verbessern und gleichzeitig verhindern, dass das Weibchen zu früh wieder von dannen zieht und sich mit einem zweiten Gatten vermählt, dessen Spermien dadurch unmittelbar mit den eigenen wettstreiten.
Auf der anderen Seite hinterlassen diese ungewöhnlichen Penisse allerdings Verletzungen, die zwar vernarben, aber auch die körperliche Gesundheit der Weibchen auf Dauer belasten – was natürlich nicht in deren Sinn ist. Was also tun, um im Wettstreit der Geschlechter nicht auf der Strecke zu bleiben? Die drei Forscher betrachteten dazu insgesamt sieben Samenkäferarten, deren Geschlechtsteilarsenal unterschiedlich intensiv ausgebildet ist: Während bei Callosobruchus phaseoli der glatte Fortpflanzungsapparat eher für sanften Sex geformt ist, gleicht er bei C. analis einem mittelalterlichen Morgenstern – zumindest unter dem Elektronenmikroskop.
Alles in Ordnung also für die Tiere? Nicht unbedingt, denn dummerweise läuft die Koevolution von Schild und Speer nicht immer parallel ab, sondern mitunter schreitet sie bei den Herren der Schöpfung schneller voran, was nicht nur die Damen, sondern bisweilen die gesamte Spezies gefährdet. Hinken die Abwehrmaßnahmen der Aufrüstung hinterher, so verschlechtert sich die durchschnittliche Gesundheit der Weibchen, sinkt ihre Lebensspanne und reduziert sich die Zahl der Nachkommen. Die Paarung und die anschließende Erholung braucht zu viele Ressourcen auf, die ansonsten auch in den Nachwuchs investiert werden könnten. Nach Ansicht verschiedener Wissenschaftler kann dieses Ungleichgewicht sogar so weit gehen, dass die gesamte Art existenziell bedroht ist.
Auch die Welt der Kerbtiere macht bei diesem geschlechtlichen Ringelpietz keine Ausnahme, doch hat bei manchen Insektenarten die Fortpflanzung kaum etwas mit romantisch verklärtem Liebesleben zu tun. Vielmehr liefern sich Männlein und Weiblein einen regelrechtes Wettrüsten zwischen dem sichersten Keuschheitsgürtel und dem rabiatesten Schlüssel dazu – schließlich will Sie sich nicht mit jedem einlassen, während Er verhindern möchte, dass seine Spermien noch von jenen der Konkurrenz verdrängt werden könnten. Wohl nur selten geht es zwischen den bisweilen zwangsweise Liebenden aber so brutal zu wie bei den Samenkäfern aus der Familie der Bruchidae, wie Johanna Rönn, Mari Katvala und Göran Arnquvist von der Universität Uppsala feststellen mussten.
Denn viele männliche Samenkäfer haben im Laufe der Evolution sehr bizarre Gemächter entwickelt, deren Enden mit harten Dornen gespickt sind. Mit diesen Spitzen penetrieren sie den weiblichen Kopulationstrakt und verhaken sich darin, damit sie während der Paarung einen besseren Halt finden. Die Kerfe wollen damit ihre Chancen auf eine erfolgreich Befruchtung verbessern und gleichzeitig verhindern, dass das Weibchen zu früh wieder von dannen zieht und sich mit einem zweiten Gatten vermählt, dessen Spermien dadurch unmittelbar mit den eigenen wettstreiten.
Auf der anderen Seite hinterlassen diese ungewöhnlichen Penisse allerdings Verletzungen, die zwar vernarben, aber auch die körperliche Gesundheit der Weibchen auf Dauer belasten – was natürlich nicht in deren Sinn ist. Was also tun, um im Wettstreit der Geschlechter nicht auf der Strecke zu bleiben? Die drei Forscher betrachteten dazu insgesamt sieben Samenkäferarten, deren Geschlechtsteilarsenal unterschiedlich intensiv ausgebildet ist: Während bei Callosobruchus phaseoli der glatte Fortpflanzungsapparat eher für sanften Sex geformt ist, gleicht er bei C. analis einem mittelalterlichen Morgenstern – zumindest unter dem Elektronenmikroskop.
Zum Schutze vor diesen Instrumenten verstärken die Weibchen ihre Begattungstasche, die Bursa copulatrix, in der sie das Sperma der Männchen zuerst aufnehmen und kurzfristig speichern, bevor sie die Eier befruchten. Je dorniger das männliche Organ ausfällt, desto dicker bilden ihre Partnerinnen das Schutzschild aus, was neuerlich die Männchen antreibt und so fort. Auf der Suche nach einem möglichst stabilen Gleichgewicht entwickeln sich dann unter Umständen neue Spezies, die sich von ihren Vorgängern in Art und Form von Penis wie Keuschheitsgürtel unterscheiden und so die Diversität fördern: Viele Mitglieder der Bruchidae lassen sich deshalb nur über ihren Phallus bestimmen.
Alles in Ordnung also für die Tiere? Nicht unbedingt, denn dummerweise läuft die Koevolution von Schild und Speer nicht immer parallel ab, sondern mitunter schreitet sie bei den Herren der Schöpfung schneller voran, was nicht nur die Damen, sondern bisweilen die gesamte Spezies gefährdet. Hinken die Abwehrmaßnahmen der Aufrüstung hinterher, so verschlechtert sich die durchschnittliche Gesundheit der Weibchen, sinkt ihre Lebensspanne und reduziert sich die Zahl der Nachkommen. Die Paarung und die anschließende Erholung braucht zu viele Ressourcen auf, die ansonsten auch in den Nachwuchs investiert werden könnten. Nach Ansicht verschiedener Wissenschaftler kann dieses Ungleichgewicht sogar so weit gehen, dass die gesamte Art existenziell bedroht ist.
Allerdings lässt sich aus der reinen Zahl an Vernarbungen des weiblichen Körpers nicht auf die tatsächlichen Gesundheitskosten der traumatischen Verpaarungen und damit die evolutionäre Überlebenswahrscheinlichkeit zurückschließen. Denn gerade die Arten mit den am übelsten traktierten Weibchen hatten bisweilen die besten Werte. Womöglich, so die Forscher, haben gerade diese Tiere im Laufe der Evolution noch weitere Abwehrmaßnahmen – etwa ein stärkeres Immunsystem – entwickelt, um über die schmerzhafte Paarung hinwegzukommen. Auf Dauer sind die Verteidigungswaffen der Frauen also vielleicht doch unschlagbar – zum Wohle der ganzen Sippe.
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