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Unerfüllter Kinderwunsch: »Jede künstliche Befruchtung ist mit großen Hoffnungen verbunden«

Was, wenn es mit dem Schwangerwerden nicht klappt? Der Reproduktionsmediziner Klaus Grunwald erklärt, welche Gründe es dafür gibt – und wie eine Kinderwunschbehandlung abläuft.
Eine werdende Mutter hält ein Ultraschallbild in der Hand
Wenn trotz tüchtiger Versuche ein Jahr vergangen ist, ohne dass es mit dem Schwangerwerden geklappt hat, sollte man eine ärztliche Abklärung in Betracht ziehen.

Herr Grunwald, wenn es mit dem Kinderkriegen nicht klappt, bekommen Paare manchmal zu hören, sie sollten sich ›einfach mal entspannen‹ und in den Urlaub fahren. Bringt das etwas?

Höchstens, wenn sie dann mehr Geschlechtsverkehr haben, was in einem Urlaub ja tatsächlich der Fall sein mag – schlichtweg, weil man wieder Zeit füreinander hat. Das geht manchmal in der Hektik des Alltags unter. Der gut gemeinte Rat beruht auf der Annahme, dass Stress die Wahrscheinlichkeit senkt, schwanger zu werden. Manche Frauen glauben, sie müssten stets die Nerven bewahren und dürften sich nicht aufregen. Das ist nach neueren Erkenntnissen nicht der Fall. Zwischen dem Pegel des Stresshormons Kortisol und Fruchtbarkeit gibt es keinen Zusammenhang, jedenfalls nicht bei geringer bis moderater Belastung. Es sind eher die indirekten Auswirkungen von chronischem Stress, die sich negativ auswirken können.

Welche sind das zum Beispiel?

Portraitbild des Gynäkologen Klaus-Michael Grunwald
Klaus-Michael Grunwald | Der Mediziner hat sich nach seiner 1996 abgelegten Facharztprüfung in der Gynäkologie und Geburtshilfe auf Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin spezialisiert. Er arbeitete unter anderem als Leitender Oberarzt der Frauenklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Klinikum der RWTH Aachen und als niedergelassener Facharzt, bevor er 2020 zum Kinderwunschzentrum Aachen wechselte.

Manche Menschen greifen zu Zigaretten oder Alkohol; beides ist Gift für Ungeborene und kann die Fruchtbarkeit herabsetzen. Oder sie entwickeln ungesunde Ernährungsgewohnheiten. Fettgewebe ist hormonell aktiv und schüttet Botenstoffe aus, was zu Zyklusstörungen führen kann. Mit zunehmendem Übergewicht nimmt die Fertilität ab. Frauen mit einem Body-Mass-Index über 30 haben ein fast dreifach erhöhtes Risiko für Infertilität verglichen mit solchen mit einem normalen BMI. Schwangerschaftskomplikationen und Fehlgeburten sind ebenfalls häufiger. Und bei Männern kann Übergewicht die Spermienzahl und -qualität negativ beeinflussen.

Also auf Zigaretten und Alkohol verzichten und auf das Gewicht achten. Was können Paare noch tun, um ihre Chance auf eine Schwangerschaft zu erhöhen?

Frauen sollten auf ihren Zyklus achten. Dafür gibt es viele gute Apps. Ist der Zyklus unregelmäßig, zu kurz, zu lang oder bleibt die Blutung aus, sollte man die Gründe dafür medizinisch abklären lassen. Mit Ovulationstests, die die Konzentration von LH messen, des eisprungauslösenden, luteinisierenden Hormons, können Frauen ihre fruchtbaren Tage selbst bestimmen und den Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs danach ausrichten. Ansonsten: Eine ausgewogene Ernährung macht Sinn, um Nährstoffmangel vorzubeugen. Moderate Bewegung ist förderlich, extremes oder ungewohntes Training kann sich hingegen negativ auswirken. Es ist wichtig, dass Frauen bei einem Kinderwunsch frühzeitig Folsäure einnehmen. Sie spielt eine wesentliche Rolle bei Zellneubildung und Zellteilung, und ein Mangel daran kann bei Ungeborenen zu Spina bifida führen, einer Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks.

»Von Mönchspfeffer über Globuli bis hin zu Fruchtbarkeitstees habe ich alles ausprobiert«

Eine Hand hält ein digitales Thermometer über einem Kalender auf einem rosa Hintergrund. Ein Fertilitätsstest liegt auf dem Kalender. Ein Tag ist rot eingekreist und mit "Ovulation" beschriftet.
Fruchtbare Tage | Mittels Kalendermethode und Temperaturmessungen lässt sich der Zeitpunkt des Eisprungs abschätzen – und damit der optimale Zeitpunkt zur Zeugung eines Kindes.

Ich habe nicht von heute auf morgen festgestellt, dass es nicht klappt mit dem Schwangerwerden. Das war ein schleichender Prozess. Vor zehn Jahren – ich war damals 27 – war der Zeitpunkt für meinen Partner und mich günstig: Wir hatten das Studium hinter uns und steckten im Berufsleben. Anfangs haben wir einfach nicht mehr verhütet. Erst nach zwei, drei Jahren haben wir gezielt versucht, ein Kind zu zeugen. Ich habe damals mit Zyklusmonitoring begonnen, also meine fruchtbaren Tage bestimmt. Es gab nie einen Hinweis darauf, dass sich jemals eine befruchtete Eizelle eingenistet hätte. Irgendwann haben wir uns gefragt, warum es nicht klappt. Von Mönchspfeffer über Globuli bis hin zu Fruchtbarkeitstees habe ich alles ausprobiert. Solche Mittel sind größtenteils reine Geldmacherei und haben nichts gebracht. Mein Kinderwunsch war damals sehr groß; ein Gefühl, das ich schwer beschreiben kann.

*anonyme Patientin, 37

Zu Ihnen ins Kinderwunschzentrum kommen Paare, bei denen es trotz eigener Bemühungen nicht klappt. Wann spricht man von einem unerfüllten Kinderwunsch?

Der Definition der Weltgesundheitsorganisation zufolge nach einem Jahr regelmäßigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Wobei das nur als Orientierung dient. Die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, ist altersabhängig. Mit 25 kann man sich als Frau in der Regel mehr Zeit lassen. Mit 35 sinkt die Fertilität etwas ab. Und wenn man schon um die 40 ist, sollte man sich frühzeitig ärztlich beraten lassen, bevor die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, zu stark sinkt. Ungewollte Kinderlosigkeit ist recht häufig und kommt bei 10 bis 15 Prozent der Paare vor.

Themenwoche Fruchtbarkeit

Symbolische Darstellung mehrerer weißer Spermien, die vor einem blauen Hintergrund in Richtung einer roten Eizelle schwimmen.
Auf dem Weg zur Befruchtung

Bei manchen klappt es ganz schnell, während der Kinderwunsch anderer lange unerfüllt bleibt. Dafür gibt es mehrere mögliche Gründe: von Störungen im weiblichen Zyklus bis hin zu unfitten Spermien. Welche Beschwerden sollten Frauen besonders ernst nehmen, wenn sie sich um ihre Fruchtbarkeit sorgen? Was hat es mit der Hormonstörung PCOS auf sich, und wie lässt sie sich behandeln? Welche Möglichkeiten haben Paare, wenn die erwünschte Schwangerschaft auf sich warten lässt? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert »Spektrum.de« in einer Themenwoche.

Menstruation: Die versteckten Vorzüge der Regelblutung

Polyzystisches Ovarialsyndrom: Schwanger werden trotz PCOS

Vorzeitige Menopause: Frühstart in die Wechseljahre

Spermakrise: Gibt es einen weltweiten Samenschwund?

Kinderwunschbehandlung: »Jede künstliche Befruchtung ist mit großen Hoffnungen verbunden«

Alle Inhalte zur Themenwoche »Fruchtbarkeit« finden Sie auf unserer entsprechenden Themenseite.

Die meisten Frauen sprechen dann vermutlich erst einmal ihre Frauenärztin an. Können sich Paare auch direkt an ein Kinderwunschzentrum wenden?

Ja, das geht prinzipiell, wobei es sinnvoll ist, zunächst eine Gynäkologin oder einen Gynäkologen anzusprechen. In der Frauenarztpraxis erfasst man Vorerkrankungen und bespricht, wie sich der Lebensstil auf die Wahrscheinlichkeit auswirken kann, schwanger zu werden. Auch ein Ultraschall kann durchgeführt werden. Außerdem sollte man dort überprüfen, ob die erforderlichen Impfungen vorhanden sind. Für spezialisierte diagnostische Tests sind Kinderwunschzentren besser ausgestattet, und sie bieten umfassende medizinische Interventionen an.

»Zwischen meinen starken Regelschmerzen und dem unerfüllten Kinderwunsch bestand ein Zusammenhang«

Eine Frau liegt schmerzgekrümmt auf einem Sofa und hält eine rosa Wärmflasche an ihren Bauch.
Schmerzhafte Regelkrämpfe | Frauen mit Endometriose leiden während ihrer Periode besonders stark unter Schmerzen.

Schon immer hatte ich starke Regelschmerzen. Schmerzmittel haben kaum geholfen, aber zumindest war ich dann in der Lage, zu arbeiten. Ich war als Sozialarbeiterin in einem Krankenhaus tätig, und eines Tages sprach mich ein befreundeter Kollege an, ich solle wegen der Schmerzen doch mal einen Ultraschall machen lassen. Ich bin seinem Rat gefolgt, und plötzlich war der Verdacht Endometriose auf dem Tisch. Mir wurde klar: Zwischen meinen starken Regelschmerzen und dem unerfüllten Kinderwunsch bestand womöglich ein Zusammenhang. Im Kinderwunschzentrum hat mir der Arzt gesagt, die Endometriose sei so ausgeprägt, dass ich auf natürlichem Weg nicht schwanger werden könne. Das hat mich ziemlich umgehauen und ich habe das erst gar nicht geglaubt. Mein Partner und ich sind in den Urlaub geflogen, um Abstand zu gewinnen. Erst Monate später haben wir mit der Behandlung im Kinderwunschzentrum begonnen.

* anonyme Patientin, 37

Was passiert beim ersten Termin im Kinderwunschzentrum?

Der erste Schritt ist auch hier das Gespräch – mit beiden Partnern, denn eine Kinderwunschbehandlung betrifft immer das Paar. Die Ursachen des unerfüllten Kinderwunsches liegen zu 25 Prozent beim Mann, zu 25 Prozent bei der Frau und zu 50 Prozent bei beiden.

Wie geht es weiter?

Das hängt davon ab, ob bereits ein Problem festgestellt wurde, und falls ja, welches. In der Regel prüfen wir am Anfang die Werte von Hormonen, die bei Frauen den Zyklus regulieren. Außerdem schauen wir uns an, ob die Gebärmutterschleimhaut unauffällig ist und ob regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen gemacht wurden. Um festzustellen, ob ein Eisprung stattfindet, kann man sich die Basaltemperaturkurve ansehen. Das ist recht einfach und hat den Vorteil, dass Frauen dafür nicht extra ins Kinderwunschzentrum kommen müssen. Sie messen lediglich morgens vor dem Aufstehen ihre Körpertemperatur. Meist steigt diese kurz vor der Ovulation ein wenig an. Aufwändiger und genauer ist es, die Reifung von Follikeln zu verfolgen, die die Eizellen enthalten. Dafür macht man in regelmäßigen Abständen Ultraschalluntersuchungen. Ergänzend kann man Hormonwerte aus dem Blut bestimmen. Zur Basisdiagnostik zählt zudem eine körperliche Untersuchung, um Hinweise auf Faktoren zu erhalten, die die Fruchtbarkeit einschränken können.

Welche wären das zum Beispiel?

Manche Myome in der Gebärmutter können die Fertilität herabsetzen – es kommt ganz darauf an, wo sich diese Muskelwucherungen befinden. Neubildungen der Gebärmutterschleimhaut, so genannte Polypen, können die Fruchtbarkeit ebenfalls beeinträchtigen. Je nach Art und Lage können auch flüssigkeitsgefüllte Bläschen, also Zysten, ein Problem darstellen. »Schokoladenzysten« weisen auf Endometriose hin, von der ungefähr 25 bis 30 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch betroffen sind. Die Erkrankung kann die Fruchtbarkeit je nach Ausprägung einschränken.

Kann man diese Gewebsveränderungen operativ entfernen?

Ja, kann man. Ob und welche Eingriffe Sinn machen, muss man von Fall zu Fall entscheiden. Entfernt man etwa ein Myom, führt das zu einer Narbe, die die Fruchtbarkeit mitunter beeinträchtigt und das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft erhöht. Beseitigt man Endometrioseherde, kann das helfen, aber häufig kehren die Gewebewucherungen nach einiger Zeit zurück. Wenn es nicht zur Schwangerschaft kommt, sollte man prüfen, ob die Eileiter verklebt sind, weil das die Aufnahme von Eizellen und Spermien verhindern kann. Sie gehen oft auf Eileiterentzündungen zurück, etwa auf Grund von Chlamydieninfektionen, früheren Eileiterschwangerschaften oder Endometriose.

Das alles klingt so, als seien Frauen bei der Kinderwunschbehandlung stärker involviert als Männer.

Das ist auch so und liegt vor allem daran, dass Frauen diejenigen sind, die schwanger werden sollen. Doch es gibt auch Untersuchungen, die bei Männern anfallen – und zwar gleich zu Beginn einer Kinderwunschbehandlung.

Welche sind das?

Männer gehen zum Urologen, wo eine körperliche Untersuchung ansteht. Natürlich ist auch bei ihnen die Vorgeschichte wichtig. Wenn etwa ein Hodenhochstand in der Kindheit nicht frühzeitig behandelt wurde, kann das die Fruchtbarkeit einschränken. Zentral ist das Spermiogramm: Männer geben eine Samenprobe ab, die unterm Mikroskop auf verschiedene Parameter untersucht wird: Man schaut sich das Volumen des Ejakulats an, die Konzentration der Spermien, ihre Beweglichkeit und den Anteil normal geformter Spermien. Wenn nach acht bis zwölf Wochen eine neue Kohorte an Samenzellen herangereift ist, sollten Männer ein zweites Spermiogramm machen lassen, denn die Qualität schwankt.

»Es hat eine Weile gedauert, bis ich es ein zweites Mal mit einer künstlichen Befruchtung versucht habe«

Ein Mikroskopbild zeigt eine In-vitro-Fertilisation (IVF), bei der eine feine Nadel in eine menschliche Eizelle eingeführt wird.
In-vitro-Fertilisation | Wenn Spermium und Eizelle nicht auf natürlichem Weg zusammenfinden, kann man ihnen mit einer künstlichen Befruchtung dabei helfen.

Ich habe drei ICSI-Behandlungen hinter mir, eine Form der künstlichen Befruchtung, wo Spermien direkt in die Eizellen gespritzt werden. Dazu wurde mir geraten – wegen meiner Endometriose und weil das Spermiogramm meines Mannes eingeschränkt war. Jedes Mal war es anders. Nach der ersten ICSI war ich Ende 2020 mit eineiigen Zwillingen schwanger. Von Anfang an gab es Probleme. In der neunten Woche hatte ich eine Fehlgeburt. Das war richtig schlimm. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich davon erholt und es ein zweites Mal mit einer künstlichen Befruchtung versucht habe. Dieses Mal hat es geklappt. Unsere Tochter ist inzwischen drei Jahre alt. Ich bin unglaublich dankbar, dass es sie gibt. Die Schwangerschaft war total unkompliziert. Ende 2023 kam bei mir der Wunsch nach einem weiteren Kind auf. Im Sommer 2024 bekam ich eine Eizelle eingesetzt, die bei der zweiten ICSI eingefroren wurde – ohne Erfolg. Erst eine weitere, komplette Behandlung hat funktioniert. Jetzt bin ich in der zwölften Woche schwanger. Die Ärzte sind optimistisch, aber ich zittere noch. Die Erfahrung nach der ersten ICSI hat mich geprägt.

* anonyme Patientin, 37

Welche Wege gibt es, Paaren zu einem Kind zu verhelfen?

Manchmal hilft es bereits, beruhigend aufzuklären und abzuwarten – etwa wenn der Kinderwunsch seit einem halben Jahr oder weniger besteht, der Zyklus der Frau regelmäßig ist und es in Gesprächen und Untersuchungen keine Hinweise auf Probleme gibt. Viele Frauen werden im darauf folgenden halben Jahr schwanger, wenn das Paar ungeschützten Verkehr zum richtigen Zeitpunkt hat. Bei unregelmäßigem Zyklus und ausbleibendem Eisprung kann man die Eireifung mit Medikamenten wie Clomifen oder Letrozol unterstützen. Wichtig ist es, zu kontrollieren, dass nicht zu viele Eibläschen heranreifen, denn dann kann es zur Mehrlingsschwangerschaft kommen. Folge wäre ein deutlich erhöhtes Risiko für Komplikationen, weshalb wir bei uns im Kinderwunschzentrum in solch einem Fall vom Verkehr abraten und es stattdessen im nächsten Zyklus noch einmal versuchen.

Wenn die Spermienqualität schlecht ist, erreichen die Samenzellen die Eizelle oft gar nicht. Wie kann man Paaren hier helfen?

Bei nur leicht eingeschränktem Spermiogramm kann man es mit einer Insemination versuchen. Dabei werden die Spermien des Mannes mit einem Katheter direkt in die Gebärmutterhöhle übertragen. Sinnvoll ist diese Methode auch, wenn der Muttermund vernarbt ist und eine Engstelle für Spermien darstellt. Das ist der Fall, wenn dort Gewebe operativ entfernt wurde, um Gebärmutterhalskrebs vorzubeugen oder zu behandeln. Eine Insemination bietet sich teilweise bei einer idiopathischen Sterilität an, wenn keine Ursache für die Infertilität gefunden wird. Bei uns im Kinderwunschzentrum kommt das bei fünf bis zehn Prozent der Paare vor. Ist man damit nicht erfolgreich, versucht man es mit einer In-vitro-Fertilisation, kurz IVF.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Das ist eine Befruchtung außerhalb des Körpers, manchmal auch als künstliche Befruchtung bezeichnet. Bei einer speziellen Form der IVF bringt man Spermien und Eizellen nicht einfach nur zusammen, sondern injiziert einzelne Spermien direkt in die Eizellen. Man spricht hier von ICSI, einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion. Es gibt mehrere Gründe, aus denen man eine IVF-Behandlung durchführt: verschlossene, fehlende oder funktionsuntüchtige Eileiter, Endometriose mit ausgeschöpfter, konservativer Therapie, idiopathische Sterilität bei langjährigem, unerfülltem Kinderwunsch und hochgradig eingeschränkte Spermien. Bei letzterem Fall ist oft eine ICSI-Behandlung notwendig.

Wie läuft die künstliche Befruchtung im Detail ab?

Man beginnt mit einer Stimulation der Eierstöcke. Die Hormone injizieren sich die meisten Frauen selbst mit einer Spritze unter die Haut, in Höhe des Bauchnabels. Ziel ist es, mehrere Eizellen heranreifen zu lassen. Mittels Ultraschall verfolgt man, ob das klappt. Auch die Hormonwerte werden bei Bedarf überprüft. Haben die Eibläschen die richtige Größe, löst man den Eisprung aus und entnimmt die Eizellen in einem ambulanten Eingriff, meist unter leichter Narkose. Diese so genannte Follikelpunktion dauert nur wenige Minuten, aber die Frauen bleiben danach noch für einige Stunden zur Beobachtung bei uns und brauchen meist ein paar Tage zur Erholung, sind dann also krankgeschrieben. Am selben Tag gibt der Mann eine Spermienprobe ab, die im Labor mit den Eizellen zusammengebracht wird. Werden die Eizellen befruchtet und entwickeln sich zu Embryonen, kann man einen davon in die Gebärmutter der Frau übertragen.

Was passiert mit den übrigen Embryonen?

Sie können eingefroren und für spätere Behandlungen verwendet werden – auch Jahre später noch, wenn das Paar ein zweites Kind möchte. Das nennt man Kryokonservierung. Manchmal werden auch zwei Embryonen übertragen. Wir machen das in der Regel nicht, weil es dann zu zweieiigen Mehrlingsschwangerschaften kommen kann. Das Risiko für eineiige Mehrlinge können wir nicht beeinflussen, denn die entstehen aus einer einzigen, befruchteten Eizelle.

Wie belastend ist eine Kinderwunschbehandlung für Paare?

Das hat ganz wesentlich damit zu tun, ob und wie schnell sie erfolgreich ist. Am schwierigsten ist meist die Zeit zwischen Einsetzen des Embryos bei einer IVF und dem Schwangerschaftstest 12 bis 14 Tage später, weil sie dann hoffen und bangen. Natürlich können auch operative Eingriffe belastend sein. Manche Frauen haben Probleme damit, sich die Spritzen zur hormonellen Stimulation zu setzen. Das kann auch ihr Partner übernehmen – in der Regel ist ihnen das lieber, als dafür extra in die Klinik zu kommen. Außerdem fallen Kosten an, und die Termine können mit beruflichen Verpflichtungen kollidieren. Ist die psychische Belastung groß, kann man sich zusätzlich an Beratungsstellen wenden, zum Beispiel an Pro Familia oder Donum Vitae.

»Kinderwunschbehandlung und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung«

Eine Person injiziert sich Hormone in den Bauchbereich.
Unterstützte Reifung | Um vor der Entnahme von Eizellen für die IVF die Reifung mehrerer Follikel zu fördern, müssen Frauen sich regelmäßig Hormonspritzen setzen.

Wegen meiner Endometriose habe ich mich zweimal operieren lassen. Der erste Eingriff war sehr aufwändig und hat ungefähr sechs Stunden gedauert. Ich war danach krankgeschrieben und habe viele Wochen gebraucht, um mich zu erholen. Das war aber nicht die einzige Schwierigkeit. Im Lauf der Zeit habe ich eine große Aversion gegen Spritzen entwickelt, die man sich bei einer künstlichen Befruchtung zur Stimulation der Eierstöcke täglich selbst setzen muss. Mein Mann hat das dann übernommen. Zum Glück wohne und arbeite ich ganz in der Nähe des Kinderwunschzentrums. Deshalb hatte ich kurze Anfahrtswege und konnte auch mal in der Mittagspause zum Ultraschall in die Klinik. Trotzdem: Kinderwunschbehandlung und Arbeit unter einen Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung. Ständig musste ich zu Terminen. Hinzu kommt die psychische Belastung: Jede künstliche Befruchtung ist mit großen Hoffnungen verbunden, die schnell enttäuscht werden können.

* anonyme Patientin, 37

Welche teuer ist eine Kinderwunschbehandlung?

Gesetzliche Krankenkassen verteilen die Kosten auf beide Partner. Sie übernehmen meist 50 Prozent bei einer Insemination, IVF oder ICSI, wenn die Frau unter 40 und der Mann unter 50 ist. Der Eigenanteil liegt zwischen 1000 bis 2000 Euro. Bei privaten Kassen gilt das Verursacherprinzip: Ist das Spermiogramm stark eingeschränkt, zahlt die private Kasse des Mannes – selbst wenn die Frau gesetzlich versichert ist. Eine Kryokonservierung kostet 700 bis 1000 Euro. Hier zahlen die Kassen nichts, und auch der Transfer eingefrorener Eizellen wird nicht übernommen.

Wie erfolgreich sind Kinderwunschbehandlungen?

Das kann man pauschal nicht sagen. Das Alter spielt eine wesentliche Rolle. Schon ab 35 sinkt bei Frauen die Qualität der Eizellen. Unsere Patientinnen sind im Schnitt Mitte 30, die Altersspanne reicht von etwa 25 bis 45. Auf Basis der individuellen Situation geben wir vor einer Intervention eine Prognose ab, wie die Chancen für das Paar stehen. Bei manchen liegt sie pro IVF bei unter fünf, bei anderen über 40 Prozent. Es ist die Entscheidung des Paars, ob sie es versuchen wollen. Wenn keine Chance auf eine Schwangerschaft besteht, machen wir natürlich nichts.

Was für Möglichkeiten gibt es für Paare, die kein gemeinsames biologisches Kind haben können?

Wenn der Mann keinerlei funktionsfähigen Samenzellen hat, kann man auf Spendersperma ausweichen. Das macht auch Sinn, wenn das Risiko besteht, Erbkrankheiten vom Mann an das Kind weiterzugeben. Lesbische Paare oder alleinstehende Frauen können sich mit Spendersperma ebenfalls ihren Kinderwunsch erfüllen. Das klappt meist gut mittels Insemination, wenn eine Ovulation erfolgt oder induziert werden kann. Ist die Eizellreserve erschöpft, weichen manche auf eine Eizellspende aus. In Deutschland ist das auf Grund des Embryonenschutzgesetzes nicht erlaubt, aber in Spanien gibt es beispielsweise darauf spezialisierte Kliniken. Natürlich ist auch Adoption eine Möglichkeit – übrigens auch für homosexuelle Männer –, jedoch oft mit erheblichen bürokratischen Hürden verbunden.

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