Paläoanthropologie: Unerwartet frühe Besiedlung Nordeuropas
Vor etwa 1,8 Millionen Jahren begann der Frühmensch von Afrika aus Eurasien zu besiedeln. Doch wann er genau bis wohin gelangte, ist noch ziemlich unklar. Neue Grabungsfunde eines Teams um Nick Ashton vom British Museum belegen nun, dass unser Vorfahr unerwartet früh auch schon sehr weit nach Norden vorstieß.
Nicole Wedemeyer
Nature 466, 2010.
Die Paläoarchäologen entdeckten im Flusssediment von Happisburgh im englischen Norfolk Reste von Steinwerkzeugen, die sie auf ein Alter von 780 000 Jahren datieren konnten. Die Artefakte gehören damit zu den ältesten frühmenschlichen Zeugnissen in Großbritannien. Die Fundumstände in Happisburgh deuten darauf hin, dass die ersten Hominiden sich auch zu einer Zeit im Pleistozän, als das Klima deutlich kälter war als heute, nicht von einer Besiedelung Nordeuropas abschrecken ließen.
Die Experten sind erstaunt von diesem frühen Vorstoß in eine Region, die klimatisch der heutigen kaltgemäßigten Nadelwaldzone Nordskandinaviens entsprach und deshalb hohe Anforderungen an die Robustheit und das Anpassungsvermögen der Frühmenschen gestellt haben muss. Bisher galten die ersten Auswanderer aus dem Schwarzen Kontinent noch als eher verzärtelte Gesellen, die zunächst ausschließlich in Warmzeiten den 45. Breitengrad überschritten und sich über Gebirge wie Pyrenäen oder Alpen wagten. Dort sollen sie nur solange geblieben sein, bis die Temperaturen wieder in den Keller gingen. Dementsprechend waren frühere Funde aus Pakefield in Suffolk, die bereit das stattliche Alter von 700 000 Jahren aufwiesen, einer vorübergehenden Besiedelung Englands während einer Interglazials mit mediterranem Klima zugeschrieben worden. Diese Vorstellung ist nun wohl revisionsbedürftig.
Nicole Wedemeyer
Nature 466, 2010.
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