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News: Unerwartete Aufgaben für einen alten Bekannten

Wenn unser Gehirn dringende, aufregende Nachrichten übermitteln will, verwendet es als Botenstoff unter anderem Glutamat. Doch der Neurotransmitter muss für seine Reise ordentlich in Bläschen verpackt werden, bevor er ordnungsgemäß zugestellt werden kann. Seit Jahren sind Wissenschaftler auf der Suche nach dem Protein, das diese Aufgabe übernimmt - jetzt haben sie es endlich gefunden.
Wenn eine Nervenzelle eine Botschaft an eine angrenzende Zelle versenden will, mit der sie keinen direkten Kontakt hat, übersetzt sie das elektrische in ein chemisches Signal. An ihrem so genannten synaptischen Endköpfchen oder Terminal befinden sich zahlreiche Bläschen oder Vesikel, die mit Neurotransmittern – wie zum Beispiel Glutamat oder GABA (gamma-Aminobuttersäure) – gefüllt sind. Wird die Nervenzelle aktiviert und leitet das elektrische Aktionspotential an das synaptische Terminal weiter, regt es die Bläschen dazu an, mit der Zellmembran zu verschmelzen und ihren Inhalt in den synaptischen Spalt zwischen den beiden Zellen auszuschütten. Die Neurotransmitter diffundieren durch den Spalt zur Empfängerzelle und werden dort von Rezeptoren aufgenommen. Glutamat gehört dabei zu den wichtigsten Neurotransmittern unseres Körpers. Es wirkt vor allem anregend und versetzt das Gehirn in "Alarmbereitschaft". Dadurch spielt es eine wichtige Rolle in allen Prozessen, die mit höheren Hirnfunktionen wie beispielsweise der Wahrnehmung verknüpft sind. Störungen der Glutamatfreisetzung können zu schweren epileptischen Anfällen oder sogar zum Absterben von Nervenzellen führen, wie es unter anderem bei den neurodegenerativen Krankheiten Alzheimer oder Parkinson auftritt.

Aber wie gelangen die chemischen Botenstoffe überhaupt in die Vesikel? Für die meisten wichtigen Neurotransmitter haben Wissenschaftler die dafür verantwortlichen Moleküle bereits gefunden. Bei Glutamat jedoch tappten sie bisher noch im Dunkeln.

Robert H. Edwards und seine Mitarbeiter von der University of California in San Francisco sind nun dem Protein auf die Spur gekommen, das Glutamat für den Transport "verpackt". Schon länger vermuteten sie dahinter das so genannte BNPI, von dem bekannt war, dass es im Gehirn anorganisches Phosphat transportiert. Darum schleusten sie in Rattenzellen, denen BNPI normalerweise fehlt, das entsprechende Gen ein, sodass die Zellen das Protein nun doch synthetisieren konnten. Anschließend stellten die Forscher fest, in welchem Umfang die Vesikel dieser Zellen Glutamat anreichern können, und verglichen die Ergebnisse mit Bläschen aus Rattenzellen, denen das BNPI fehlte. Der Unterschied war deutlich: In den veränderten Zellen sammelte sich gegenüber den nicht manipulierten Zellen die zwei- bis vierfache Menge des Neurotransmitters an (Science vom 11. August 2000).

Passend zur neu entdeckten Aufgabe benannten die Wissenschaftler das Protein nun in VGLUT1 – vesicular glutamate transporter – um. Doch das Molekül scheint nicht nur als Transporterprotein zu arbeiten, welches das Glutamat entgegen des Konzentrationsgradienten aus dem Zellinneren in die Vesikel einschleust. Die Wissenschaftler vermuten, dass VGLUT1 offenbar auch als Kanalprotein funktionieren kann, das Molekülen erlaubt, einem Konzentrationsgradienten vom höheren zum niedrigeren Niveau zu folgen. Ein solches Kanalprotein kann zwar nicht gegen das Konzentrationsgefälle arbeiten wie ein Transportermolekül, aber dafür ist es sehr viel schneller. Edwards vermutet, dass die kanalbildende Eigenschaft entstanden ist, weil das Gehirn oft plötzlich sehr große Mengen an Glutamat freisetzen muss – ein Transporterprotein wäre mit der Aufgabe womöglich überfordert, die Vesikel entsprechend schnell wieder aufzufüllen.

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