News: Unerwarteter Strukturwandel
Marcus Fändrich und seine Kollegen vom Oxford Centre for Molecular Sciences entdeckten nun eine unerwartete neue Struktur des Myoglobins: Sie setzten Apomyoglobin – das Myoglobin-Molekül ohne die Hämgruppe – bei pH 9 und 65 Grad Celsius einer Natriumborat-Lösung aus. Diese Bedingungen destabilisieren die natürliche Faltung von Proteinen.
Die anschließende Röntgenstrukturanalyse des denaturierten Proteins überraschte die Forscher: Große Bereiche lagen im Molekül jetzt als beta-Faltblatt-Strukturen vor, die sich zu Fasern zusammenlagerten und senkrecht zur Hauptachse orientiert waren. Bisher gab es beim Myoglobin keine Hinweise auf die Bildung derartiger Fibrillen. In ihrer Kernstruktur waren sie nicht von den Amyloidfibrillen zu unterscheiden, die bei der Alzheimer- und Creutzfeldt-Jakob-Krankeit entstehen.
Aufgrund der Parallelen zwischen den "krankhaften" und "gesunden" Proteinen vermuten die Forscher, dass den Polypeptidketten verschiedene "Baupläne" für die Sekundärstruktur innewohnen, die das Protein in zwei unterschiedliche Formen falten können. Bei einem kugelförmigen Molekül wie Myoglobin legen Interaktionen zwischen den Seitenketten die charakteristische Faltung der Hauptkette fest. Im Gegensatz dazu führen wahrscheinlich Wechselwirkungen zwischen den Hauptketten zu derartig überkreuzten beta-Konformationen.
Die Wissenschaftler vermuten, dass die Natur ausgeklügelte Mechanismen entwickelt hat, um in der lebenden Zelle die Bildung von Amyloidfasern zu unterdrücken. Unter anderem engagiert die Zelle hierfür molekulare "Anstandsdamen" – so genannte Chaperone –, die penibel überwachen, dass sich die neugebildete Aminosäurekette in die korrekte Sekundärstruktur faltet. Bestimmte Bedingungen – wie beispielsweise Mutation oder die Alterung der Zelle – können jedoch diese Schutzstrategien ausschalten. Dann, so befürchten die Forscher, kann sich eine hochselektive natürliche Polypeptidsequenz in eine krankhafte Alternativgestalt umwandeln.
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