News: Ungeliebt und doch geheuert?
Das gilt ähnlich für die Probleme, mit denen Führungskräfte angesichts des ständigen Wechsels und der "Modewellen" neuer Managementkonzepte zu kämpfen haben – macht man nun Gemeinkostenwertanalyse oder besser in Unternehmenskultur, sollte man lean production oder business reeingeneering einführen? Die vielfache Kritik an den "Modewellen" neuer Managementkonzepte führt keineswegs zum Nachfragerückgang bei den Beratern, die sie propagieren. Im Gegenteil, Manager, die sich den neuen Konzepten gegenüber reserviert zeigen, laufen sogar Gefahr nicht "up-to-date" zu sein.
Und einen weiteren Effekt erhofft man sich manchmal durch das Engagement von Beratern: allein das Wissen darum, daß Externe sich Gedanken um die eigene Organisation machen, kann zur Aktivierung der eigenen Kräfte im Unternehmen, der Mitarbeiter führen und dadurch die Selbsterneuerung fördern. Der Unternehmensberater wird bezahlt für den "Placebo-Effekt", als Heilmittel, das zwar eigentlich keine Wirkung hat, aber trotzdem die Organisation aktiviert.
"Nicht zu übersehen ist, daß die Expansion der Branche allerdings auch mit dem Aufkommen neuer inhaltlicher Herausforderungen für die Wirtschaft sowie mit einer Ausweitung des Kundenkreises einherging", so Dr. Josef Hilbert. Mit dem Boom der Branche ist auch die Zahl der anbietenden Unternehmen stark gewachsen. Neben Finanzdienstleistern und Industrieunternehmen, die sich am Markt positionieren, gibt es eine große, unüberschaubare Zahl an Existenzgründungen und Kleinstbetrieben: ehemalige Politiker, Beschäftigte aus der Industrie oder Beratungsgesellschaften, Hochschulabsolventen, die durch Existenzgründungen den Fall in die Arbeitslosigkeit zu vermeiden suchen. Viele Einzelberater und kleinere Beratungsgesellschaften etablieren sich mit neuen Beratungsprodukten oder als "Nischenfüller". Die großen Umsätze werden allerdings nach wie vor von den großen, universell ausgerichteten Beratungsfirmen gemacht. 1997 erzielten die 25 führenden Beratungsunternehmen – weniger als 0,3 Prozent der Branche – rund rund 4,5 Milliarden DM Umsatz und damit 27 Prozent des Gesamtumsatzes.
Beratung in Sachen Informations- und Kommunikationstechnik macht inzwischen rund zwei Drittel der Beratungstätigkeit aus, 1990 waren es noch 34,8 Prozent. Im Bereich der Unternehmensführung, wo Anfang der 90er Jahre noch vorrangig Beratungshilfen für Personalwesen und Betriebswirtschaft nachgefragt wurden, ist mittlerweile das Interesse an strategischen Hilfen und deren Umsetzung in den Vordergrund gerückt. Diese werden immer weniger als einmalige, punktuelle Beratung, sondern zunehmend in langfristigen, stabilen Beratungspartnerschaften durchgeführt. Für weitere Nachfrageschübe sorgen die Internationalisierung der Wirtschaft und neue Anforderungen an das Umwelt- und Qualitätsmanagement.
Zusätzlich kommen neue Kunden auf die Unternehmensberatungen zu. Bei Non-Profit-Organisationen werden die Auswirkungen sozialer und demografischer Veränderungen an öffentlichen Finanzierungsproblemen, sinkender Akzeptanz öffentlicher Leistungen, Kirchenaustritten, Mitgliederschwund bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie fehlender Attraktivität von Parteien immer deutlicher erkennbar und zwingen die nichterwerbswirtschaftlich orientierten Organisationen zu Neuorientierungen bezüglich der Ziele.
Wahrscheinlich wird das Wachstum der Beraterbranche auch in den nächsten Jahren noch anhalten. Hierfür spricht zum einen, daß bei den skizzierten sachlichfachlichen und legitimatorischen Ursachen des bisherigen Wachstums kein Ende in Sicht ist. Zum anderen unterstützt der Vergleich mit den USA die Wachstumserwartungen: 1994 kamen dort auf 1 Million Einwohner 240 Unternehmensberater, in Deutschland erst 126.
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