Naturschutz: Ungeliebte Wildnis
Ärger, Unfrieden und noch mehr Ärger. Um eine Region einmal so richtig aufzumischen, scheint es in Deutschland ein ziemlich sicheres Rezept zu geben: Man braucht nur die Einrichtung eines neuen Nationalparks vorzuschlagen. Meist organisieren sich dann in kürzester Zeit Befürworter und Gegner, deren Interessen oft heftig aufeinanderprallen. Reichlich Querelen gab es etwa um den künftigen Nationalpark Schwarzwald, dessen Einrichtung die grün-rote Mehrheit im baden-württembergischen Landtag am 28. November beschlossen hat. Die Emotionen kochten hoch, verhärtete Fronten verlaufen seither mitten durch Orte und Familien.
Auch die Idee, im Ammergebirge einen weiteren Alpen-Nationalpark einzurichten, ist umstritten. Den seit Jahrzehnten diskutierten Buchenwald-Nationalpark im fränkischen Steigerwald hat die bayerische Staatsregierung im Sommer 2011 nach heftigen Protesten vor Ort abgelehnt. Und das Planungsverfahren für ein entsprechendes Schutzgebiet im nordrhein-westfälischen Teutoburger Wald wurde im letzten Jahr abgebrochen.
"Selbstläufer sind neue Nationalparks normalerweise nicht"
Christof Schenck
"Selbstläufer sind neue Nationalparks normalerweise nicht", bestätigt Christof Schenck, der Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF). Er und seine Kollegen wissen das aus eigener Erfahrung. Rund um die Welt arbeiten sie in den verschiedensten Schutzgebieten von den Savannen der Serengeti bis zum peruanischen Regenwald. Und auch in Deutschland setzen sie sich für die Schaffung neuer Nationalparks sein. Denn die bieten ihrer Ansicht nach eine große Chance: "Mitten ins dicht besiedelte Europa mit seinen jahrhundertealten Kulturlandschaften kann dort ein bisschen Wildnis zurückkehren", erläutert Schenck. In Nationalparks soll schließlich nicht der Mensch Regie führen, sondern überwiegend die Natur selbst. Einfach mal nicht eingreifen und pflegen, aufräumen und organisieren – das ist die Grundidee solcher Schutzgebiete. Doch dieses Konzept begeistert längst nicht jeden.
Streit ums Holz
"Die Gründe für die Ablehnung sind dabei sehr vielfältig", sagt Stefan Heiland, Professor für Landschaftsplanung und Landschaftsentwicklung an der TU Berlin. Bei manchen Konflikten geht es wohl weniger um das Schutzgebiet an sich als vielmehr um Animositäten der Akteure, um alte Rechnungen und Profilierungsversuche. "Da ist dann oft sehr schwer zu durchschauen, was eigentlich genau das Problem ist", so Heiland.
Andere Motive dagegen sind leichter nachzuvollziehen. So sollen die Kernzonen der künftigen Nationalparks nicht mehr bewirtschaftet werden – was regelmäßig die bisherigen Nutzer auf die Barrikaden bringt. Da es bei vielen Plänen um Waldgebiete geht, hagelt es zum Beispiel immer wieder Kritik von Vertretern der Holzindustrie und von Sägewerksbetreibern, von Jägern und Förstern. Tatsächlich entstehen durch die Einstellung der Forstwirtschaft in den Kernzonen der Nationalparks betriebswirtschaftliche Verluste. Weil es sich bei den geplanten Nationalparkflächen fast ausschließlich um Staatswald handelt, treffen diese aber normalerweise keine Privatleute, sondern vor allem die Landesforstbehörden.
Allerdings bedeutet das Ende der Bewirtschaftung auch weniger Holz für die weiterverarbeitende Industrie der Region. Und das wird vielerorts durchaus als Problem empfunden. Der Verein "Unser Nordschwarzwald e.V.", in dem sich Kritiker der baden-württembergischen Nationalparkpläne zusammengeschlossen haben, hat dazu im Januar 2013 eine Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut forsa in Auftrag gegeben. Fast drei Viertel der mehr als 1000 befragten Baden-Württemberger waren demnach nicht bereit, zu Gunsten von Naturschutzgebieten auf einheimisches Holz zu verzichten und dieses stattdessen aus dem Ausland zu beziehen.
"Die Gründe für die Ablehnung sind dabei sehr vielfältig"
Stefan Heiland
Nach Einschätzung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) in Bonn wird das aber auch nicht nötig sein. Schließlich wachsen in den Kernzonen aller 14 schon bestehenden Nationalparks zusammen nicht einmal ein Prozent der bundesweiten Holzvorräte. Andererseits sehen die BfN-Experten durchaus die Schwierigkeiten, in die ein neuer Nationalpark die regionale Holzwirtschaft bringen kann. Wenn etwa Sägewerke das fehlende Holz nicht mehr aus der direkten Nachbarschaft beziehen können, führt das zu längeren Transportwegen und damit höheren Kosten. Vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen sei in solchen Fällen eine Unterstützung sinnvoll, heißt es in einem im April veröffentlichten BFN-Papier. Man könne solchen Betrieben beispielsweise Holz aus Forstämtern zusichern, die an den Nationalpark angrenzen.
Pluspunkt Tourismus
Nun bedeutet die Einrichtung eines Nationalparks aber keineswegs nur wirtschaftliche Härten für die betroffene Region – im Gegenteil. "Wegen ihrer Anziehungskraft für Touristen tragen diese Schutzgebiete zur ökonomischen Wertschöpfung bei", erklärt Stefan Heiland. Das ist eines der Ergebnisse eines großen bundesweiten Qualitätschecks, dem sich alle 14 schon bestehenden deutschen Nationalparks zwischen 2009 und 2012 unterzogen haben. Angestoßen wurde diese freiwillige Evaluierung von EUROPARC, dem Dachverband der deutschen Nationalparks, Biosphärenreservate und Naturparks. Sie sollte zeigen, wo die Stärken und Schwächen der einzelnen Schutzgebiete liegen, wie effektiv sie arbeiten und ob sie die gestellten Ziele erreichen. Beurteilt wurden dabei zehn verschiedene Kategorien vom Erhalt der natürlichen Vielfalt über Forschung bis hin zur Regionalentwicklung. "Für fast alle Nationalparks ließ sich dabei ein positiver Effekt auf die regionale Wirtschaft nachweisen", berichtet Heiland, der damals Sprecher des Evaluierungskomitees war.
Gemessen wurden die ökonomischen Einflüsse nach einer Methode, die der Regionalforscher Hubert Job von der Universität Würzburg entwickelt hat. Dabei werden so genannte Einkommensäquivalente berechnet: Man teilt die durch Besucher erzielten Umsätze durch das Durchschnittseinkommen der jeweiligen Region. So lässt sich abschätzen, wie viele Menschen rein rechnerisch von den Gästen leben können.
Insgesamt verzeichnen die 14 deutschen Nationalparks nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz 51 Millionen Besucher pro Jahr. Diese schaffen einen jährlichen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro, was einem Einkommensäquivalent von rund 60 000 Personen entspricht. Allerdings fällt die Bilanz je nach Region sehr unterschiedlich aus. So haben Gutachter für den Nationalpark Unteres Odertal in Brandenburg ein Einkommensäquivalent von 61 Beschäftigten ermittelt. In der Sächsischen Schweiz lag der Wert dagegen bei etwa 600 und im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer sogar bei rund 30 400.
"Man kann natürlich diskutieren, ob nicht wenigstens einige Leute auch ohne Nationalpark in die jeweilige Region gekommen wären", sagt Heiland. Schließlich waren das Niedersächsische und das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer schon Tourismusregionen, bevor sie sich mit dem Titel schmücken konnten. Und in den Hainich in Thüringen fährt man nicht nur wegen des dortigen Buchenwald-Nationalparks, sondern auch wegen der Wartburg. Den Kritikern von "Unser Nordschwarzwald e.V." will dann auch nicht einleuchten, wieso ein Nationalpark mehr Besucher in ihre Region ziehen sollte als der schon bestehende Naturpark.
"Für fast alle Nationalparks ließ sich ein positiver Effekt auf die regionale Wirtschaft nachweisen"
Stefan Heiland
Umfragen zeigen allerdings, dass sich zumindest ein Teil der Besucher durchaus vom Nationalparksiegel locken lässt. In der Sächsischen Schweiz zum Beispiel gab fast ein Drittel der befragten Besucher an, die Existenz des Nationalparks habe bei ihrer Entscheidung für diese Urlaubs- oder Ausflugsregion eine große oder sehr große Rolle gespielt. Selbst wenn sie nur diese Nationalparktouristen im engeren Sinn berücksichtigen, kommen Hubert Job und seine Kollegen noch zu beeindruckenden Zahlen. Demnach handelt es sich bundesweit um etwa 10,5 Millionen Besucher, die pro Jahr 431 Millionen Euro Bruttoumsatz und damit das Einkommensäquivalent von rund 14 000 Personen erwirtschaften.
Neue Gelassenheit und alte Ängste
"Vor allem für strukturschwache Regionen können Nationalparks also durchaus wirtschaftliche Chancen bieten", sagt Heiland. Und das wird in den schon bestehenden Nationalparkregionen auch durchaus anerkannt. Die Akzeptanz vor Ort ist laut Evaluierung sogar eine der besonderen Stärken dieser Schutzgebiete. So werben viele Gemeinden inzwischen mit dem Siegel "Nationalparkgemeinde", weil sie sich davon einen Imagegewinn versprechen. Der Bahnhof von Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz nennt sich seit zwei Jahren "Nationalparkbahnhof". Und generell stehen Anwohner, Nutzerverbände und regionale Entscheidungsträger den etablierten Nationalparks in der Regel deutlich positiver gegenüber als noch zum Zeitpunkt ihrer Einrichtung.
Das liegt wohl zum einen daran, dass sich viele Befürchtungen einfach nicht erfüllt haben. Zum anderen versuchen die Nationalparkverwaltungen oft mit viel Engagement, auf die Bevölkerung zuzugehen. Da gibt es Kooperationen mit Schulen und mit örtlichen Betrieben, die verschiedensten Veranstaltungen und Projekte zur Regionalentwicklung. "Das heißt natürlich nicht, dass überall die pure Harmonie herrscht", betont Heiland. Selbst in gut etablierten Nationalparks gibt es immer mal wieder Konflikte zwischen den Interessen von Naturschutz und Nutzern. Mal geht es um Fischerei oder das Befahren von Schifffahrtswegen, mal um Trendsportarten oder Weiderechte. "Solche Konflikte werden aber ausgetragen, ohne das Existenzrecht der Nationalparks generell in Frage zu stellen", sagt Heiland. Die Aufregung der Anfangszeiten hat sich in den meisten der etablierten Schutzgebiete inzwischen gelegt.
"Oft stößt man vor Ort auf enorme Ängste"
Michael Brombacher
Auf die Gegner von zukünftigen Nationalparks hat diese Gelassenheit allerdings nicht übergegriffen. Die positiven Beispiele aus anderen Regionen scheinen keineswegs jeden zu überzeugen. "Oft stößt man vor Ort auf enorme Ängste", berichtet Christof Schencks Kollege Michael Brombacher, der für die Europaprojekte der ZGF zuständig ist. Wird der Wald vor meiner Haustür eingezäunt? Muss ich da künftig Eintritt zahlen? Und werden am Ende noch Wölfe angesiedelt? Das sind Befürchtungen, die der Naturschützer immer wieder zu hören bekommt. Nichts davon wird tatsächlich passieren. Doch die Ablehnung ist erst einmal da.
Lieber keine Experimente?
Die umweltpsychologische Forschung liefert Hinweise darauf, wie solche Akzeptanzprobleme zu Stande kommen können. "Bei einem geplanten Nationalpark muss man sich ja erst einmal vorstellen, wie das Ganze in Zukunft aussehen wird", erläutert Anke Blöbaum vom Institut für Psychologie der Universität Magdeburg. Das aber fällt Menschen bei derartig weit reichenden Vorhaben generell schwer. Viele Betroffene befürchten daher, für einen eher diffusen und schwer abschätzbaren gesellschaftlichen Nutzen persönliche Nachteile oder unerwünschte Entwicklungen vor der eigenen Haustür in Kauf nehmen zu müssen. "Aus Angst vor dem Unbekannten und vor Kontrollverlust will man dann lieber alles so lassen, wie es ist", sagt die Psychologin. Wer kann schließlich wissen, ob einem die veränderte Landschaft des neuen Nationalparks auch gefällt?
"Aus Angst vor dem Unbekannten und vor Kontrollverlust will man dann lieber alles so lassen, wie es ist"
Anke Blöbaum
Wie drastisch solche Veränderungen ausfallen können, hat sich im Bayerischen Wald gezeigt. Deutschlands erster Nationalpark, der bereits 1970 eingerichtet wurde, hat in den 1980er und 1990er Jahren eine Massenvermehrung von Borkenkäfern erlebt. Und die haben in den früher gepflanzten Fichtenmonokulturen kräftig aufgeräumt, auf Hunderten von Hektar starben die Nadelbäume ab. "Das sah schon dramatisch aus", sagt Christof Schenck. Und für viele Menschen, die mit diesen Wäldern aufgewachsen waren, war es ein Schock. "Unsere Heimat stirbt, weil ihr nichts unternehmt", war ein weit verbreiteter Vorwurf an die Nationalparkverwaltung.
Doch inzwischen hat sich die Lage wieder beruhigt. Denn entgegen allen Befürchtungen haben sich die Touristen nicht von den Insektenaktivitäten abschrecken lassen. Seit die Fichten nicht mehr vollständige Flächen dominieren, gehen auch die Borkenkäferbestände zurück. Und ganz ohne Zutun des Menschen ist an Stelle der eintönigen Fichtenbestände ein artenreicher junger Mischwald gewachsen. Trotzdem geistert der Borkenkäfer immer noch als Schreckgespenst durch viele Debatten. Auch Nationalparkgegner im Schwarzwald haben immer wieder vor Massenaufkommen und Baumsterben gewarnt. Ihre Heimat von Insekten umgestalten zu lassen, ist für viele Menschen doch eine sehr gewöhnungsbedürftige Vorstellung.
Außer um die vertraute Landschaft fürchten viele Kritiker aber auch um lieb gewordene Traditionen – nach dem Motto: "Ich habe hier schon als Kind Pilze gesammelt, und das will man mir jetzt verbieten. Wenn man mich überhaupt noch in den Wald lässt." Zwar sind Nationalparks prinzipiell frei zugänglich, allerdings gibt es dabei etliche Auflagen. Besucher müssen zum Beispiel auf den Wegen bleiben und dürfen nicht beliebig Beeren oder Pilze mitnehmen. "Viele Menschen fühlen sich dadurch erst einmal eingeschränkt", sagt Anke Blöbaum, "vor allem, wenn sie die Gründe für solche Vorschriften nicht kennen."
Die Forscherin ist auch in der umweltpsychologischen Beratung tätig und bietet beispielsweise bei der Ausweisung von Schutzgebieten ein Konfliktmanagement an. Da kennt sie solche Probleme zur Genüge. Wichtig sei in solchen Fällen vor allem eine gute Kommunikation vor Ort: Gründe für Vorschriften erklären, Kompromisse aushandeln, sich für die Bedürfnisse der anderen Seite interessieren. Dann seien die Leute oft durchaus bereit, Einschränkungen zu akzeptieren. "Die meisten Nationalparkgegner sind ja nicht grundsätzlich gegen Naturschutz", sagt Anke Blöbaum, "sie haben nur Probleme mit der Umsetzung vor Ort."
Das Problem mit der Wildnis
Tatsächlich führen viele Skeptiker auch Naturschutzargumente gegen die Nationalparkpläne an. "Den Kritikern eines Nationalparks Nordschwarzwald, die sich hier zu Wort melden, liegt die Natur sehr am Herzen", heißt es etwa auf der Internetseite von "Unser Nordschwarzwald". Den Wald sich selbst zu überlassen, bringe aber keine Vorteile gegenüber der bisherigen Kombination aus kleineren Schutzgebieten und naturverträglicher Bewirtschaftung der übrigen Flächen – im Gegenteil: Im Nordschwarzwald eine "Pseudowildnis" zu schaffen, gefährde die vorhandene Artenvielfalt. Ganz ähnlich argumentiert auch ein Positionspapier von regionalen Förstern: Erst ihre Arbeit habe den Nordschwarzwald zu dem wertvollen Lebensraum gemacht, der er heute ist. Eine Aufgabe der Nutzung berge unkalkulierbare Risiken.
Christof Schenck und seine Kollegen sehen das deutlich anders. Genutzte Wälder und andere Kulturlandschaften zu schützen, habe in manchen Fällen zwar durchaus seine Berechtigung. Doch was in Mitteleuropa fehle, sei vor allem mehr Wildnis. Nur etwa 0,7 Prozent der Landfläche Deutschlands bleiben derzeit sich selbst überlassen, schätzt das Bundesamt für Naturschutz. Nach der 2007 von der Bundesregierung verabschiedeten Nationalen Biodiversitätsstrategie soll dieser Anteil bis 2020 auf zwei Prozent steigen.
"Gerade ungenutzte Wälder mit ihren sehr alten Bäumen und langen Zerfallsprozessen gibt es bei uns fast gar nicht mehr", sagt Schenck. Dabei haben sich zahlreiche Arten speziell an diese Lebensräume angepasst. Da hämmern Spechte ihre Höhlen in dicke Stämme, Hohltauben ziehen später als Nachmieter ein. Und von deren ausgefallenen Federn ernähren sich die Glanz-Knochenkäfer. Selbst für die abgestorbenen Bäume finden sich noch zahlreiche Interessenten. So ist jede vierte europäische Käferart zumindest in einem ihrer Entwicklungsstadien auf Totholz angewiesen. Einen Teil dieses natürlichen Artenspektrums könnte man in sich selbst überlassenen Wäldern wohl zurückgewinnen. Und man könnte dort lernen, wie ein mitteleuropäischer Urwald überhaupt funktioniert, wie er auf den Klimawandel regiert oder mit Naturkatastrophen fertig wird. "Wenn wir mehr Wildnis zulassen, haben wir viel zu gewinnen", resümiert Schenck.
"Wenn wir mehr Wildnis zulassen, haben wir viel zu gewinnen"
Christof Schenck
Seiner Erfahrung nach ist dieser Gedanke in Mitteleuropa allerdings deutlich schwerer zu vermitteln als in anderen Teilen der Welt. "Wir sind hier eben schon sehr lange daran gewöhnt, in Kulturlandschaften zu leben", bestätigt Anke Blöbaum. "Die Natur einfach sich selbst zu überlassen, das kennen wir gar nicht mehr." Deshalb werde unkontrollierte Wildnis oft als bedrohlich oder doch zumindest als unordentlich und verbesserungswürdig empfunden. Und auch dieser psychologische Mechanismus schafft offenbar Nationalparkgegner.
Konflikte entschärfen
"Da sind manchmal auch diffuse Ängste im Spiel, die nicht immer rational begründbar sind", sagt Anke Blöbaum. Sie warnt aber davor, die Bedenken von Schutzgebietsgegnern als irrational abzuqualifizieren. Vielmehr gelte es, sämtliche wichtigen Akteure vor Ort in die Planungen einzubeziehen – und zwar bevor irgendwelche Entscheidungen gefallen sind. Die Menschen vor Ort mit fertigen Lösungen zu überfallen, die Experten schon durchgerechnet haben, kommt ihrer Erfahrung nach meist schlecht an. Wenn man zunächst nach den Interessen und Befürchtungen der Betroffenen frage, könne man viele Bedenken dagegen bereits im Vorfeld ausräumen oder tragbare Kompromisse finden – solange die Fronten noch nicht verhärtet sind. Wenn sie und ihre Kollegen erst als Konfliktvermittler tätig werden müssen, ist diese Chance meist verpasst. "Dann dauert es oft sehr lange, bis man die Leute wieder aus den festgefahrenen Positionen herausholen und sachlich diskutieren kann", sagt die Psychologin. Das kostet Zeit, Geld und Nerven.
Die Naturschützer von der ZGF haben solche Situationen schon öfter erlebt. Aber auch nicht immer. So stimmen die betroffenen Gemeinden in Rheinland-Pfalz derzeit über einen möglichen Nationalpark im Hunsrück ab. Und Michael Brombacher ist optimistisch, dass die Pläne eine Mehrheit finden werden. "Es gab dort nie diese stark aufgeladene negative Stimmung wie in anderen Regionen", berichtet der ZGF-Mitarbeiter. Es seien vor Ort viele sachliche Diskussionen über Borkenkäfer und Brennholznutzung geführt worden, durchaus vorhandene Ängste habe man mit Argumenten einfangen können. Und viele Gemeinden seien offen für die Nationalparkidee gewesen, weil man sich davon neue Perspektiven für die wirtschaftlich nicht auf Rosen gebettete Region verspreche. Manchmal scheint es auch ohne überschäumende Emotionen zu gehen.
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