Wetter auf dem Ringplanet: Ungewöhnlich mittelmäßige Stürme auf Saturn
2018 tobte eine ziemlich ungewöhnliche Folge von Stürmen um den Saturn-Nordpol; das zeigen mehr als 500 von Amateuren und Profis gefertigte Teleskopaufnahmen: Bei den Turbulenzen handelte es sich weder um die typischen Fronten, die als helle Wolken erkennbar, mit weniger als 2000 Kilometer Durchmesser eher kleinräumig sind und sich in wenigen Tagen auflösen – aber auch nicht um eines der zehnmal größeren Monster wie den bekannten Weißen Fleck, die in der Sturmsaison über Monate hinweg herumwirbeln. Stattdessen sind die neuen Sturmtypen eher ein Mittelding, das in die gängigen Theorien schlecht passt, berichten Agustín Sánchez-Lavega von der Universität des Baskenlandes in Bilbao und seine Kollegen im Magazin »Nature Astronomy«.
Auf den ausgewerteten Aufnahmen erkennen die Astronomen eine Serie von vier mit mehreren tausend Kilometern Durchmesser mittelgroßen Sturmsystemen, die nach 10 bis gut 200 Tagen wieder verschwanden. Womöglich, so die Forscher, handelte es sich bei den Stürmen um gescheiterte Anfänge von Sturmmonstern wie dem Großen Weißen Fleck, den Amateurastronomen und die Raumsonde Cassini ab Dezember 2010 monatelang auf der Nordhalbkugel des Planeten beobachten konnten. Solche großen Stürmen entstehen recht regelmäßig im späten Frühjahr oder Frühsommer der Nordhemisphäre. Zu dieser Zeit heizt die Sonneneinstrahlung die obersten Schichten der Troposphäre auf und stört die Wärmeschichtung zwischen den oberen Ammoniak-Eiswolken und den darunterliegenden Wasserdampfwolken: Diese wallen in die Höhe, und es entstehen als gigantische Wolken sichtbare Konvektionszellen, in denen wärmere Gasmassen emporsteigen und an deren Rändern kühlere Gasmassen absinken.
Unklar ist, welche Prozesse die nun beobachteten mittelgroßen Sturmfronten gebildet haben oder ihre Entwicklung zu größeren Systemen womöglich verhindert haben. Denn sie könnten tatsächlich gescheiterte Vorläufer eines Großen Weißen Flecks sein, vermutet Sánchez-Lavega. Solche Ereignisse sind von der Erde aus seit 1876 nur siebenmal beobachtet worden, sie starten ihre Laufbahn allerdings zumeist in eher tiefen Breiten. Doch auch in Nordpolnähe – dort, wo die neuen Stürme ihren Ausgang nahmen – bilden sie sich gelegentlich; zuletzt 1960, also vor etwa zwei Saturnjahren, das sind 29,5 Erdjahre. Vielleicht wären die Stürme von 2018 sogar pünktlich zur Saison zu einem Großen Weißen Fleck geworden, spekulieren die Forscher nun – wenn ihnen dazu nicht die notwendige Wärmeenergie in der Atmosphäre gefehlt hätte. Denkbar sei, dass der Große Weiße Fleck von 2010 weiter südlich bereits zu viel Energie abgezogen und verbraucht hat.
Dagegen spreche allerdings die Atmosphärenphysik des Saturn, meint der Planetologe Robert West vom Caltech gegenüber dem Wissenschaftnachrichtendienst »Science News«. Er weist darauf hin, dass die Gashülle des Ringplaneten recht stabil in Bändern unterschiedlicher Breiten bleibt und sich kaum nord- oder südwärts mischt. Daher sollte der Riesensturm von 2010 praktisch keine Auswirkungen auf die eher polnahe Atmosphäre gehabt haben, in der sich die neuen Stürme nun ausgetobt haben. Ihr Ursprung bleibe ebenso ungeklärt wie ihr Zusammenhang mit anderen Wetterphänomen auf Saturn.
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