Sternentwicklung: Ungewöhnliche Stoßfront vor Beteigeuze entdeckt
Der alternde Stern Beteigeuze hat Materie ausgeworfen und damit leuchtende Gasbögen erzeugt, wie neue Infrarotaufnahmen des Weltraumobservatoriums Herschel zeigen: Drei Bögen und eine balkenartige, gerade Gasstruktur lassen sich in den Aufnahmen im Umfeld von Beteigeuze erkennen. Zwar sind solche Gasstrukturen auch um andere Sterne bekannt, aber Beteigeuze ist der Erste, bei dem eine Aufteilung in mehrere Einzelfronten entdeckt wurde. Ausgewertet wurden diese Aufnahmen von einem Team um Leen Decin von der belgischen Universität in Leuven.
Wirft ein Stern Materie aus, so breitet diese sich mit einer hohen Geschwindigkeit in den interstellaren Raum aus. Trifft sie dabei mit Überschallgeschwindigkeit auf dort diffus verteiltes Gas, so bildet sich eine Stoßfront aus. In ihr wird die Materie abgebremst und verdichtet, was den Stoßfronten die Form leuchtender Bögen verleiht.
Im Falle von Beteigeuze kollidieren die ausgestoßenen Gasmassen mit einer Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Sekunde mit dem interstellaren Medium. Der Auswurf dieses Materials liegt wahrscheinlich schon mehr als 30 000 Jahre zurück. Fraglich ist nun, weshalb sich Beteigeuzes Stoßfront mit ihrer dreifachen Schichtung von bisher abgelichteten Stoßfronten unterscheidet. Die Schichtung könnte durch aufeinander folgende Auswürfe zustande gekommen sein. Sie könnte jedoch auch auf Staubteilchen zurückgehen, die sich im herausgeschleuderten Gas bildeten: Wegen ihrer höheren Masse sind solche Staubteilchen träger als das sie umgebende Gas. Prallt die Gasfront auf das interstellare Medium, so werden diese Staubteilchen nicht so schnell gebremst wie Gasmoleküle und können somit weiter in das interstellare Medium vordringen. Die Bögen auf den Bildern von Herschel würden dann vom Licht der Staubteilchen geprägt, die wegen ihrer unterschiedlichen Größe auch unterschiedlich weit in das interstellare Medium vordrangen. Da diese Partikel das Licht von Beteigeuze streuen, wären auch sie als leuchtende Bögen erkennbar.
Vermutlich beruht auch die Bildung des Gasbalkens auf demselben Prozess, wie Entstehung der Bögen. Dafür spricht, dass er die selbe Dichte und die selbe Temperatur wie die Bögen aufweist und auch in der Richtung liegt, in welche die Bögen vom Stern davon treiben.
Der Grund, weshalb Beteigeuze diese Gasmassen auswirft, ist sein hohes Alter. Der Stern entstand wahrscheinlich vor rund zehn bis zwölf Millionen Jahren in einer der Molekülwolken, die sich auch heute noch mit Teleskopen im Orion erspähen lassen. Nun nähert er sich jedoch dem Ende seiner Entwicklung und durchläuft das Stadium eines Roten Riesen: Obwohl er nur das 20-fache der Sonnenmasse aufbringt, hat er ihren tausendfachen Durchmesser. Seine Oberfläche brodelt durch heiße, aus dem Sterninneren aufsteigende Gasblasen. Steigen diese mit großem Schwung auf, so vermuten die Forscher, dann können sie die Schwerkraft des aufgeblähten Sterns überwinden und davontreiben.
In den neuen Aufnahmen könnten sogar Hinweise auf diesen Prozess enthalten sein: Bei genauer Betrachtung entdeckt man, dass die leuchtenden Bögen innerlich fein strukturiert sind. Diese Struktur geht auf Regionen unterschiedlicher Dichte zurück. Auch der Zwischenraum von Beteigeuze zur Stoßfront ist von Gasklumpen übersät. Bei ihnen könnte es sich um die davongetriebenen Gasblasen handeln.
Zur Zeit ist Beteigeuze am nächtlichen Himmel zu sehen: Der in kupferfarbenem Licht glänzende helle Stern steht links oben im Wintersternbild Orion und lässt sich mit bloßem Auge leicht erkennen. Eines Tages wird der Riese seinen Entwicklungsweg als Supernova beenden.
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