Maschinenwesen: Unheimlich realistisch
Hyperrealistische Roboter in Menschenform wirken schnell wie wandelnde Leichname. Die Furcht vor den synthetischen Artgenossen ist wohl ein evolutionäres Erbe.
Menschen dazu zu bringen, leblose Maschinen wie empfindsame Wesen zu behandeln, ist eine überraschend triviale Aufgabe. 1970 machte es der in Polen geborene Künstler Edward Ihnatowicz vor: Seine Skulptur "Senster" bestand aus einem stählernen Kranausleger, an dessen Kopf ein Richtmikrofon und ein Radargerät befestigt waren. Ortete sie damit langsame Bewegungen und leise Geräusche, bewegte sie sich darauf zu, bei schnellen Bewegungen und lauten Geräuschen zog sie ihren Kopf hingegen hastig zurück.
Im selben Jahr, in dem Ihnatowicz seine Skulptur aufbaute, machte der japanische Robotiker Masahiro Mori allerdings eine seltsame Entdeckung. Kurz bevor die Menschenähnlichkeit des Kunstwesens eine hundertprozentige Übereinstimmung mit dem Original erreicht, stürzt der Wohlfühlwert auf Seiten des Betrachters in den Keller. Mit einem halbwegs humanoiden Roboter, wie Hondas Comic-Astronaut "ASIMO" kann man noch völlig unbefangen interagieren. Der Anblick auf Hyperrealismus setzender Imitationen menschlicher Gestalt ist dagegen auf subtile Weise verstörend. Statt wie beinahe perfekt nachgebildete Menschen wirken sie eher wie realistische Leichen – Leichen, die sich bewegen können, wohlgemerkt. Diesen Bereich einer nicht gänzlich erreichten Annäherung an das Original bezeichnete Mori passenderweise als "unheimliches Tal" – oder auf Englisch "Uncanny Valley".
Animationsfilme scheitern am "unheimlichen Tal"
Was in den 1970er Jahren noch eine rein akademische Erkenntnis war, ist mittlerweile – dank Fortschritten in 3-D-Animation und Roboterbau – zum akuten Problem geworden. Ganze Trickfilme können dem Uncanny Valley zum Opfer fallen, wenn dem Zuschauer die Identifikation mit den Figuren nicht gelingt. Kommt Bewegung ins Spiel, ist der Effekt sogar noch ausgeprägter. Um als natürlich empfunden zu werden, müssen Mimik und Körpersprache zu einhundert Prozent stimmen.
Eine ganze Reihe von Labors haben sich mittlerweile auf hyperrealistischen Androidenbau spezialisiert – etwa das von Hiroshi Ishiguro von der Universität Osaka, einem Pionier auf diesem Gebiet. Ihre Maschinen sollen eines Tages Benutzern eine natürliche Kommunikation mit dem Computer ermöglichen.
Nur zwei Wege führen aus dem Tal heraus: Der einfachste besteht darin, den Figuren Menschenähnlichkeit zu nehmen, der andere versucht diejenigen Schlüsselreize zu identifizieren, die das ungute Gefühl auslösen. Doch obwohl das Uncanny Valley für den Ausgang diverser Forschungsvorhaben und den Erfolg kommerzieller Produkte eine so zentrale Rolle spielt, mangele es allenthalben an empirischen Untersuchungen, die sich explizit mit dessen Ursachen auseinandersetzen, wundert sich Asif Ghazanfar von der Princeton University. In der Tat verlassen sich Robotiker und 3-D-Grafiker vornehmlich auf Gespür und jahrelange Erfahrung, wollen sie den Realismus auf die Spitze treiben.
Grund genug für Ghazanfar und seinen Kollege Shawn Steckenfinger, das Feld von hinten aufzurollen. In einer Studie konfrontierten sie jetzt fünf Javaneraffen (Macaca fascicularis) mit Bildern von Artgenossen in drei Darstellungsformen: wechselweise als 3-D-Grafiken in einer groben und einer pseudorealistischen Variante und schließlich als Fotografie. Gezeigt wurden ruhige, aggressive oder freundliche Affen. Dann bestimmten sie, wie oft und wie lange die Makaken auf die Abbildungen starrten.
Heraus kam die für das Uncanny-Valley-Phänomen charakteristische U-Kurve. Sowohl die simple Darstellungsvariante als auch die Fotografie betrachteten die Affen in etwa gleich oft; die pseudorealistische würdigten sie dagegen nur kurzer Blicke. Damit halten Ghazanfar und Steckenfinger es für bewiesen: Das Phänomen ist keineswegs auf Homo sapiens beschränkt. Anders als beim Menschen ließ sich der Effekt durch animierte Filmsequenzen allerdings nicht verstärken.
Maschineller Zwilling starrt ins Leere
Aber auch allgemeine, wahrnehmungspsychologische Faktoren wollen die Forscher als Ursache nicht ausschließen. Abstrakte Abbildungen müssen erst interpretiert und verstanden werden, hochgradig realitätsgetreue Darstellungen könnten hingegen eine besonders direkte Art der Verarbeitung auslösen – dieselbe nämlich, mit der auch lebendige Artgenossen wahrgenommen werden. Das erzeugt im Gehirn eine Erwartungshaltung, die letztendlich nicht erfüllt wird. Kleinigkeiten und Unstimmigkeiten reichen aus, um die Verarbeitung ins Stocken zu bringen.
Den entscheidenden Kniff zur perfekten Menschendarstellung werden Entwickler in der Studie der beiden Forscher wohl eher nicht finden. Ishiguro, der sich für sein laufendes Projekt "Geminoid" die Erschaffung einer maschinellen Kopie seiner selbst vorgenommen hat, setzt bei seinen neuesten Maschinenwesen jetzt nicht nur auf ein naturgetreues Äußeres: Subtile Zuckungen der Augen und Mundwinkel sollen den Roboterpuppen Lebendigkeit verleihen. Berichten nach zu urteilen, zeigt das vor allem auf live anwesende Betrachter eine erhebliche Wirkung. Auf Standbildern überzeugt der ausdruckslose Blick seines Zwillings jedenfalls noch nicht.
Mehr als diese Minimalausstattung braucht es nicht. Scharen von Besuchern standen vor Sensters Arena in einem Museum in Eindhoven und bemühten sich, die scheue Kreatur anzulocken. Spendiert man solchen Robotern zusätzlich noch eine biologische Gestalt, wird der Eindruck, es mit einem fühlenden Wesen zu tun zu haben, naturgemäß umso perfekter.
Im selben Jahr, in dem Ihnatowicz seine Skulptur aufbaute, machte der japanische Robotiker Masahiro Mori allerdings eine seltsame Entdeckung. Kurz bevor die Menschenähnlichkeit des Kunstwesens eine hundertprozentige Übereinstimmung mit dem Original erreicht, stürzt der Wohlfühlwert auf Seiten des Betrachters in den Keller. Mit einem halbwegs humanoiden Roboter, wie Hondas Comic-Astronaut "ASIMO" kann man noch völlig unbefangen interagieren. Der Anblick auf Hyperrealismus setzender Imitationen menschlicher Gestalt ist dagegen auf subtile Weise verstörend. Statt wie beinahe perfekt nachgebildete Menschen wirken sie eher wie realistische Leichen – Leichen, die sich bewegen können, wohlgemerkt. Diesen Bereich einer nicht gänzlich erreichten Annäherung an das Original bezeichnete Mori passenderweise als "unheimliches Tal" – oder auf Englisch "Uncanny Valley".
Animationsfilme scheitern am "unheimlichen Tal"
Was in den 1970er Jahren noch eine rein akademische Erkenntnis war, ist mittlerweile – dank Fortschritten in 3-D-Animation und Roboterbau – zum akuten Problem geworden. Ganze Trickfilme können dem Uncanny Valley zum Opfer fallen, wenn dem Zuschauer die Identifikation mit den Figuren nicht gelingt. Kommt Bewegung ins Spiel, ist der Effekt sogar noch ausgeprägter. Um als natürlich empfunden zu werden, müssen Mimik und Körpersprache zu einhundert Prozent stimmen.
Eine ganze Reihe von Labors haben sich mittlerweile auf hyperrealistischen Androidenbau spezialisiert – etwa das von Hiroshi Ishiguro von der Universität Osaka, einem Pionier auf diesem Gebiet. Ihre Maschinen sollen eines Tages Benutzern eine natürliche Kommunikation mit dem Computer ermöglichen.
Aber selbst die besten Ergebnisse überzeugen den Betrachter höchstens ein paar Sekunden, dann setzt auch hier die Befangenheit ein. Zwar gewinnt bei Erwachsenen am Ende meist die Neugier die Oberhand, insbesondere Kindern im Vorschulalter setzt der Anblick der Kunstwesen allerdings fürchterlich zu, fanden Forscher heraus. Den geplanten Einsatz der Maschinen macht das freilich weit gehend zunichte.
Nur zwei Wege führen aus dem Tal heraus: Der einfachste besteht darin, den Figuren Menschenähnlichkeit zu nehmen, der andere versucht diejenigen Schlüsselreize zu identifizieren, die das ungute Gefühl auslösen. Doch obwohl das Uncanny Valley für den Ausgang diverser Forschungsvorhaben und den Erfolg kommerzieller Produkte eine so zentrale Rolle spielt, mangele es allenthalben an empirischen Untersuchungen, die sich explizit mit dessen Ursachen auseinandersetzen, wundert sich Asif Ghazanfar von der Princeton University. In der Tat verlassen sich Robotiker und 3-D-Grafiker vornehmlich auf Gespür und jahrelange Erfahrung, wollen sie den Realismus auf die Spitze treiben.
Affen im Test
Grund genug für Ghazanfar und seinen Kollege Shawn Steckenfinger, das Feld von hinten aufzurollen. In einer Studie konfrontierten sie jetzt fünf Javaneraffen (Macaca fascicularis) mit Bildern von Artgenossen in drei Darstellungsformen: wechselweise als 3-D-Grafiken in einer groben und einer pseudorealistischen Variante und schließlich als Fotografie. Gezeigt wurden ruhige, aggressive oder freundliche Affen. Dann bestimmten sie, wie oft und wie lange die Makaken auf die Abbildungen starrten.
Heraus kam die für das Uncanny-Valley-Phänomen charakteristische U-Kurve. Sowohl die simple Darstellungsvariante als auch die Fotografie betrachteten die Affen in etwa gleich oft; die pseudorealistische würdigten sie dagegen nur kurzer Blicke. Damit halten Ghazanfar und Steckenfinger es für bewiesen: Das Phänomen ist keineswegs auf Homo sapiens beschränkt. Anders als beim Menschen ließ sich der Effekt durch animierte Filmsequenzen allerdings nicht verstärken.
Welche Emotionen der Anblick der Kunstmakaken bei den Tieren auslöste, darüber können und wollen die beiden Wissenschaftler nicht spekulieren – wohl aber darüber, was ihr Ergebnis zum Verständnis des Uncanny-Valley-Phänomens beiträgt. Einem verbreiteten Erklärungsansatz zufolge verbirgt sich dahinter ein uraltes Schutzprogramm, das den Menschen jedem seltsam aussehenden Artgenossen aus dem Weg gehen lässt. Immerhin könnte dessen eingefrorene Mimik oder leichenblasser Teint auf eine ansteckende Krankheit hinweisen. Dass sich die charakteristische Reaktion auch bei anderen Arten beobachten lässt, könnte immerhin als erstes stichhaltiges Indiz für einen solchen evolutionsbiologisch bedingten Reflex gedeutet werden.
Maschineller Zwilling starrt ins Leere
Aber auch allgemeine, wahrnehmungspsychologische Faktoren wollen die Forscher als Ursache nicht ausschließen. Abstrakte Abbildungen müssen erst interpretiert und verstanden werden, hochgradig realitätsgetreue Darstellungen könnten hingegen eine besonders direkte Art der Verarbeitung auslösen – dieselbe nämlich, mit der auch lebendige Artgenossen wahrgenommen werden. Das erzeugt im Gehirn eine Erwartungshaltung, die letztendlich nicht erfüllt wird. Kleinigkeiten und Unstimmigkeiten reichen aus, um die Verarbeitung ins Stocken zu bringen.
Den entscheidenden Kniff zur perfekten Menschendarstellung werden Entwickler in der Studie der beiden Forscher wohl eher nicht finden. Ishiguro, der sich für sein laufendes Projekt "Geminoid" die Erschaffung einer maschinellen Kopie seiner selbst vorgenommen hat, setzt bei seinen neuesten Maschinenwesen jetzt nicht nur auf ein naturgetreues Äußeres: Subtile Zuckungen der Augen und Mundwinkel sollen den Roboterpuppen Lebendigkeit verleihen. Berichten nach zu urteilen, zeigt das vor allem auf live anwesende Betrachter eine erhebliche Wirkung. Auf Standbildern überzeugt der ausdruckslose Blick seines Zwillings jedenfalls noch nicht.
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