News: Universaler Wurmvernichter?
Das Toxin des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis ist berühmt für seine tödliche Wirkung gegen allerlei schädliche Insekten. Offenbar ist das Potenzial des Wirkstoffes damit aber noch längst nicht ausgeschöpft.
Biologische Bekämpfungsstrategien beruhen auf der einleuchtend eleganten Idee, Schädlingen mit schon bewährten Methoden der Natur zu Leibe zu rücken. Schließlich erweisen sich die Waffen althergebrachter Zielobjekte oft als weniger stumpf, teuer und unspezifisch als menschengemachte Medikamente und Pestizide.
Das in der Praxis meist angeführte Beispiel einer Erfolgsgeschichte biologischer Bekämpfung schreibt seit mehreren Jahrzehnten der Wirkstoff des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt). Dieser weit verbreitete Bodenbazillus produziert ein Gemisch verschiedener kristalliner Proteine, die – sobald sie in ein Insekt gelangen – dessen Darmwand durchbohren und es dadurch töten. Und praktischerweise ist der Wirkstoff harmlos für Mensch und Wirbeltier – dem kometenhaften Aufstieg stand also nichts mehr im Wege. Bislang letzter – und heftig umstittener – Schrei: das Einschleusen der Bt-Gene in Maispflanzen, die daraufhin eigenständig das Gift in ihren Blättern herstellen können.
In der Diskussion um den Nutzen des Bt-Toxins und mögliche Gefahren der Genmanipulation ging eine andere, eher akademische anmutende Frage bislang unter: Warum produzieren die Bt-Bakterien diesen Wirkstoff überhaupt – welchen Nutzen haben sie davon? Schließlich leben die Bakterien oft in Lebensräumen, in denen sie mit Insekten überhaupt nicht in Kontakt kommen.
Vielleicht, so überlegten sich Wissenschaftler um Raffi Aroian von der University of California in San Diego, entstand die insektizide Wirkung nur als unbeabsichtigter Nebeneffekt: Das Toxin könnte an sich gegen ganz andere Organismen gerichtet sein, auf welche die Bakterien im Boden häufiger treffen – etwa gegen die neben Bakterien individuenreichsten Bodenbewohner überhaupt – die Fadenwürmer oder Nematoden.
Anders als Insekten ernährt sich ein Bodennematode von Bakterien. Ein Toxin, das dessen Verdauungssystem durcheinander bringt, wäre also ausgesprochen hilfreich – sei es, um noch die eigene Vermehrung zu ermöglichen oder den Wurm zum Transportmittel für die Sporen zu benutzen. Genauso gut könnte ein toter Fadenwurm als neuerschlossener Lebensraum und Nahrungsquelle dienen.
Dass der Wirkstoff Fadenwürmer schädigen kann, war durchaus schon bekannt, und zeigte sich auch, als die Wissenschaftler fünf nur entfernt verwandte Bodennematoden-Spezies mit verschiedenen Eiweißen des Bt-Toxins behandelten: Alle Arten reagierten darauf, indem sie entweder starben, ihre Darmwände sich auflösten oder die Zahl ihrer Nachkommenschaft deutlich geringer als im Normalfall ausfiel.
In einem weiteren Experiment bewiesen die Wissenschaftler aber nun, dass Bt-Toxine nicht nur auf permanent bodenbewohnende Arten wirken: Auch das freilebende Jugendstadium eines parasitischen Fadenwurms, des an Ratten schmarotzenden Nippostrongylus brasiliensis, erwies sich gegenüber drei Toxinproteinen als anfällig. Offenbar, so folgern die Wissenschaftler, schädigt Bt-Toxin demnach nicht nur Insekten, sondern auch die verschiedensten Formen von Fadenwürmern – egal, ob harmloser Bodenbewohner, schädlicher Nutzpflanzenfresser oder pathogener Parasit.
Spätestens damit wird die Antwort auf die akademische Ausgangsfrage auch ökonomisch und medizinisch hochinteressant. Schließlich verursachen Nematodenspezies als Pflanzenschädlinge jährlich Schäden in Milliardenhöhe, während humanpathogene Fadenwürmer für schwerwiegende Erkrankungen vieler Menschen verantwortlich zeichnen: Allein an der häufigsten Wurmparasitose, der Ascariasis, leiden weltweit mehr als eineinhalb Milliarden Patienten, Hakenwürmer leben etwa in 1,3 Milliarden Infizierten. Die Aussicht, dass sämtliche Nematoden gegenüber Bt-Toxin anfällig sein könnten – und somit alle schädlichen Fadenwürmer mit einem bereits gut untersuchten, billig zu produzierenden und nebenwirkungsfreiem Mittel zu bekämpfen wären – treibt verständlicherweise nicht nur den Herstellern des Verkaufsschlagers Bt-Toxin ein Leuchten in die Augen.
Doch es bleiben noch einige kritische Fragen offen: Wenn das Toxin so hochwirksam gegen verschiedenste Nematodenspezies ist – tötet es dann nicht zudem wahllos alle frei lebenden Fadenwürmer im Boden, also auch die Milliarden nützlichen, die in einer ausgewogenen Bodenfauna unverzichtbar sind? Und welche Wirkung hat es womöglich auf weitere Bodenorganismen? Auch auf die medizinische Forschung wartet noch Arbeit: Was ist, wenn das Toxin vielleicht nur die frei lebenden Lebensstadien von parasitischen Wurmarten tötet, nicht aber die ausgewachsenen Exemplare, die in den Körpern der Patienten schmarotzen? Für uneingeschränkte Euphorie ist es ganz offensichtlich noch zu früh.
Das in der Praxis meist angeführte Beispiel einer Erfolgsgeschichte biologischer Bekämpfung schreibt seit mehreren Jahrzehnten der Wirkstoff des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt). Dieser weit verbreitete Bodenbazillus produziert ein Gemisch verschiedener kristalliner Proteine, die – sobald sie in ein Insekt gelangen – dessen Darmwand durchbohren und es dadurch töten. Und praktischerweise ist der Wirkstoff harmlos für Mensch und Wirbeltier – dem kometenhaften Aufstieg stand also nichts mehr im Wege. Bislang letzter – und heftig umstittener – Schrei: das Einschleusen der Bt-Gene in Maispflanzen, die daraufhin eigenständig das Gift in ihren Blättern herstellen können.
In der Diskussion um den Nutzen des Bt-Toxins und mögliche Gefahren der Genmanipulation ging eine andere, eher akademische anmutende Frage bislang unter: Warum produzieren die Bt-Bakterien diesen Wirkstoff überhaupt – welchen Nutzen haben sie davon? Schließlich leben die Bakterien oft in Lebensräumen, in denen sie mit Insekten überhaupt nicht in Kontakt kommen.
Vielleicht, so überlegten sich Wissenschaftler um Raffi Aroian von der University of California in San Diego, entstand die insektizide Wirkung nur als unbeabsichtigter Nebeneffekt: Das Toxin könnte an sich gegen ganz andere Organismen gerichtet sein, auf welche die Bakterien im Boden häufiger treffen – etwa gegen die neben Bakterien individuenreichsten Bodenbewohner überhaupt – die Fadenwürmer oder Nematoden.
Anders als Insekten ernährt sich ein Bodennematode von Bakterien. Ein Toxin, das dessen Verdauungssystem durcheinander bringt, wäre also ausgesprochen hilfreich – sei es, um noch die eigene Vermehrung zu ermöglichen oder den Wurm zum Transportmittel für die Sporen zu benutzen. Genauso gut könnte ein toter Fadenwurm als neuerschlossener Lebensraum und Nahrungsquelle dienen.
Dass der Wirkstoff Fadenwürmer schädigen kann, war durchaus schon bekannt, und zeigte sich auch, als die Wissenschaftler fünf nur entfernt verwandte Bodennematoden-Spezies mit verschiedenen Eiweißen des Bt-Toxins behandelten: Alle Arten reagierten darauf, indem sie entweder starben, ihre Darmwände sich auflösten oder die Zahl ihrer Nachkommenschaft deutlich geringer als im Normalfall ausfiel.
In einem weiteren Experiment bewiesen die Wissenschaftler aber nun, dass Bt-Toxine nicht nur auf permanent bodenbewohnende Arten wirken: Auch das freilebende Jugendstadium eines parasitischen Fadenwurms, des an Ratten schmarotzenden Nippostrongylus brasiliensis, erwies sich gegenüber drei Toxinproteinen als anfällig. Offenbar, so folgern die Wissenschaftler, schädigt Bt-Toxin demnach nicht nur Insekten, sondern auch die verschiedensten Formen von Fadenwürmern – egal, ob harmloser Bodenbewohner, schädlicher Nutzpflanzenfresser oder pathogener Parasit.
Spätestens damit wird die Antwort auf die akademische Ausgangsfrage auch ökonomisch und medizinisch hochinteressant. Schließlich verursachen Nematodenspezies als Pflanzenschädlinge jährlich Schäden in Milliardenhöhe, während humanpathogene Fadenwürmer für schwerwiegende Erkrankungen vieler Menschen verantwortlich zeichnen: Allein an der häufigsten Wurmparasitose, der Ascariasis, leiden weltweit mehr als eineinhalb Milliarden Patienten, Hakenwürmer leben etwa in 1,3 Milliarden Infizierten. Die Aussicht, dass sämtliche Nematoden gegenüber Bt-Toxin anfällig sein könnten – und somit alle schädlichen Fadenwürmer mit einem bereits gut untersuchten, billig zu produzierenden und nebenwirkungsfreiem Mittel zu bekämpfen wären – treibt verständlicherweise nicht nur den Herstellern des Verkaufsschlagers Bt-Toxin ein Leuchten in die Augen.
Doch es bleiben noch einige kritische Fragen offen: Wenn das Toxin so hochwirksam gegen verschiedenste Nematodenspezies ist – tötet es dann nicht zudem wahllos alle frei lebenden Fadenwürmer im Boden, also auch die Milliarden nützlichen, die in einer ausgewogenen Bodenfauna unverzichtbar sind? Und welche Wirkung hat es womöglich auf weitere Bodenorganismen? Auch auf die medizinische Forschung wartet noch Arbeit: Was ist, wenn das Toxin vielleicht nur die frei lebenden Lebensstadien von parasitischen Wurmarten tötet, nicht aber die ausgewachsenen Exemplare, die in den Körpern der Patienten schmarotzen? Für uneingeschränkte Euphorie ist es ganz offensichtlich noch zu früh.
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