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Mars-Missionen: Unmodernes Hochland

Mars hat etwas Untypisches gemein mit unserem Mond und dem Saturnbegleiter Iapetus: alle drei sind merkwürdig janusköpfig und zeigen zwei ziemlich verschieden geformte Hälften. Während Planetenforscher noch ganz gut verstehen, warum dies bei den beiden ungleichen Monden so ist - beim Mars sind sie überfragt.
Farbige Mars-Dichotomie
Wenn man unsere Erde kartografisch ausrollt, fein säuberlich entlang der Kontinentgrenzen ausschneidet und die Teile nach Oberflächenbeschaffenheit sortiert, dann erhält man, über den Daumen, zwei Drittel Nass und ein Drittel Trocken. Das eine Drittel trockene Erde ist flächenmäßig übrigens etwa genauso groß wie die gesamte, bekanntlich völlig ozeanfreie Marsoberfläche. Kurz: Andersherum betrachtet langweilt der Rote heute zwar alle Meereskundler des Blauen Planeten, lockt aus der Ferne aber dafür alle echten Staub-, Fels-, Erosions- und sonstigen Erdkundlern mit quantitativ erdvergleichbar breitem Themenangebot.

Die Hemisphären-Dichotomie des Mars in Farbe | Auf der Marskarte wird die typisch zweigeteilte Topografie in tiefes nördliches Flachland (blau) und südliches Hochland des Planeten deutlich. Forscher erkannten mit dem Tiefenradar der Mars-Express-Sonde der Esa verschiedene verborgenen Kraterspuren unter der Oberfläche.
Das älteste und zugleich augenfälligste aller ungelösten Geologie-Marsrätsel hat ebenfalls etwas mit dem Sortieren von Planetenoberflächen zu tun: Die "Hemisphären- Dichotomie" unseres Nachbarplaneten. Sie bezeichnet die merkwürdige Tatsache, dass die beiden Planetenhälften des Mars sich deutlich unterschiedlich präsentieren: Ein tiefes, unerklärlich kraterarmes Flachland im Norden ist scharf von dem stark kraterzernarbten, durchschnittlich zwei Kilometer höher liegenden südlichen Hochland geschieden. Die Ursachen dieser auffallenden topografischen Differenz liegen im Dunklen.

Eines ist klar: Die Häufigkeit der Einschlagkrater verrät, dass die heute vom Orbit aus viel fotografierte, wohl seit Urzeiten höchstens milde abgeschliffene Oberfläche im Süden deutlich älter sein muss als die oberste Marsschicht im Norden, wo irgendwann irgendetwas offenbar drastisch die alten Krater überdeckt hat. Als "Etwas" kamen, den früh zirkulierenden Theorien zufolge, etwa ein gigantischer Einschlag eines Riesen-Brockens am Ende der Frühzeit des Planeten in Frage, was je nach Einschlagwinkel vielleicht nur das Gesicht der nördlichen Ebene radikal ummoduliert hätte. Oder aber tektonisch-dynamische Prozesse in oder unterhalb der Kruste des Nordens haben einen steten Materialaustausch und damit eine Verjüngung nach sich gezogen. Wie dem auch sei: Die Oberfläche des Nordmars muss dem äußeren Anschein nach jüngeren Datums sein als jene alte, noch ursprünglich bekraterte im Süden.

Das Marsis-Instrument von Mars-Express | Das Marsis-Experiment dient dazu, verschieden Materialschichten im Boden des Mars aufzuspüren. Diese können bis zu einer Tiefe von bis zu fünf Kilometern unter der Oberfläche mit Hilfe von gepulsten Radiowellen erkannt werden.
Sie ist es nur nicht, meinen nun Thomas Watters von der Smithsonian-Institution in Washington und seine Kollegen. Die Wissenschaftler kommen zu ihrem Schluss, nachdem sie die unter der Oberfläche verdeckten, tieferen Schichten der Marskruste mit dem Tiefenradar Marsis der Esa-Sonde Mars-Express durchleuchtet haben. Marsis, das Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionospheric Sounding, sendet Radiowellen auf und teilweise in den Marsboden, die an Grenzschichten zwischen Materialien mit unterschiedlicher elektrischer Leitfähigkeit reflektiert werden – so entsteht eine Art Röntgenquerschnitt des Gesteins bis in einige Kilometer Tiefe.

Ein Überflugstreifen von Mars-Express | Mars Express benutzt sein Marsis-Bodenradar seit Juni 2005. Beim insgesamt 1892. Orbit nahm das Instrument den hier schwarz dargestellten Bodenstreifen auf der Tiefebene Chryse Planitia unter die Lupe – und erkannte das Echo typischer innerer Ringstrukturen und verschütteter ehemaliger Kraterwände.
Marsis analysierte nun seit Juni 2005 den Untergrund von rund 14 Prozent des gesamten marsianischen Nord-Tieflandes – und zeichnete dabei in der Tiefe wieder und wieder charakteristische Echospuren auf, für deren Existenz ein flüchtiges Mustern der Oberfläche keinerlei topologische Anzeichen liefert. Ganz offensichtlich handelt es sich bei diesen Echos – sie lassen parabelförmig nach unten geformte Schichten und Ringstrukturen und eine flachen Basalschicht in etwa zwei Kilometern Tiefe erahnen – um die Spuren alter Einschlage mitsamt Kraterböden und -wällen.

Krateranalyses aus dem Orbit | Eine Simulation der Echodaten des Kepler-Beckens (oben) und die topografische Entsprechung (unten) des Mars diente den Forschern als Anschauungsmaterial, mit dessen Hilfe sie die Marsisdaten interpretieren konnten. Das Bodenradar kann dann auch alte Krater enttarnen, die nicht so deutlich von oben sichtbar sind wie das hier gezeigte Exemplar.
Mit den per Marsis-Echolot enttarnten Kratern rechneten Watters und Kollegen nun hoch, wie häufig solche kryptischen Einschläge insgesamt im Nord-Tiefland sind. Ihre Schlussfolgerung: Die Kruste trägt im Norden durchschnittlich genauso viele Spuren von Treffern aus dem All wie der Süden – nur sind sie dort alle auch topografisch noch deutlich zu erkennen. Demnach aber ist die Kruste des Nord-Mars und die des Südens etwa gleich alt. Die wissenschaftlichen Verrenkungen dramatischer Szenarien, mit deren Hilfe bis jetzt mühsam ein früher verjüngender Totalkrustenaustausch im Norden erklärt wurde, sind damit nicht länger nötig.

Womit nun natürlich nur der tiefer liegende Teil des Rätsels um die Mars-Hemisphärendichotomie gelöst ist: Die Frage, was genau im Tiefland alle Krater überdeckt hat und warum nicht der Süden ebenfalls geplättet wurde, bleibt ja weiter unbeantwortet. Bis hier neue Daten vorliegen, müssen die noch nicht ganz ausgegorenen, derzeit noch gängigen Erklärungsversuche herhalten – starker nördlicher Vulkanismus etwa könnte hier die Krater verschüttet haben. Einige Anhänger hat auch noch die Theorie, nach der ein ehemaliger eisiger Nordozean die heute flache Gegend zusedimentiert hat. Wenn sie stimmt, dann sind die Meereskundler der Erde nur ein paar Milliönchen Jahre zu spät gekommen, um unseren roten Nachbarn als Forschungsgegenstand ernst nehmen zu können.
  • Quellen
Nature 444: 905–908 (2006)

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