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News: Unscharfe Bewegungen

Normalerweise gilt: je schärfer das Bild, desto besser. Doch bei einem Mikroskop könnten einem wichtige Details entgehen, die sich paradoxerweise erst mit unscharfen Bildern beobachten lassen.
Fresszelle
Es ist schon faszinierend, eine Amöbe unter dem Mikroskop zu beobachten. Besonders erstaunlich dabei ist, dass dieser Organismus, der nicht viel mehr ist als ein mit Flüssigkeit gefüllter Sack, sich dennoch zielgerichtet vorwärts bewegen kann. Biologen wissen zwar, dass die Zelle ihre Bewegungen durch die Restrukturierung des Gerüstes unterhalb ihrer äußeren Membran - ihres Zellskeletts - steuert. Doch viele Details dieses Vorgangs sind immer noch unbekannt.

Deswegen benutzen Wissenschaftler auf der ganzen Welt High-Tech-Geräte, um die Bewegungen einzelliger Organismen genau zu verfolgen. Doch vielleicht ist so viel Aufwand gar nicht nötig. Laut Ubirajara Agero und seinen Kollegen von der brasilianischen Federal University of Minas Gerais könnte ein einfaches Mikroskop ausreichen.

Zu dieser überraschenden Erkenntnis gelangten die Forscher bei der Beobachtung von Makrophagen – Fresszellen, die zu den weißen Blutkörperchen gehören. Als sie eines Tages durch ein Mikroskop schauten, dass noch nicht fokussiert war, entdeckten sie in dem unscharfen Bild etwas Überraschendes: dunkle Wellen, die sich vom Rand der Zelle nach innen bewegten. Die dunklen Streifen verschwanden aber wieder, wenn das Bild scharf gestellt wurde.

Handelte es sich um eine optische Täuschung? Mitnichten. Die Wissenschaftler waren überzeugt davon, dass sich in ihnen die Bewegungen innerhalb der Zelle widerspiegelten. Tatsächlich kamen sie nach einigen Berechnungen schließlich zum Ergebnis, dass der Kontrast des unscharfen Bildes mit der Wölbung des betrachteten Objektes zusammenhing.

Demnach verhalten sich die Täler und Hügel der Makrophage wie Streu- oder Sammellinsen, die das Licht entweder zerstreuen oder sammeln und dadurch die Bänder im unscharfen Bild erzeugten. Beim Fokussieren wird dagegen versucht, die Strahlen möglichst auf einen Punkt zu bündeln, also gerade solche Abweichungen zu verhindern. Deswegen verschwinden die Schatten beim Scharfstellen.

Tatsächlich waren die Forscher in der Lage, aus den Kontrasten der unscharfen Bilder die Wölbungen auszurechnen und so ein dreidimensionales Bild der Zelle und natürlich auch der Wellen, die durch ihren Körper liefen, zu erzeugen.

Diese Wellen schienen dabei mit der Bewegung der Makrophage zusammenzuhängen. Denn als Agero und seine Kollegen den Organismus mit einer Droge behandelten, welche das Zellskelett schwächte, verschwanden die Wellen. Gleichzeitig brauchte die Zelle 40-mal länger, um ein Hefekügelchen zu verschlucken als normal.

"Ich bezweifle aber, ob diese Technik messbare Ergebnisse liefern wird", meint Erich Sackmann von der Technischen Universität München. Schließlich hatten die Bilder keine gute Auflösung. Dadurch sollte es seiner Meinung nach schwer sein, etwas über physikalische Eigenschaften der Zelle auszusagen, wie etwa die Festigkeit der Membran.

Sein Kollege Andreas Bausch - ebenfalls von der TU München - ist da optimistischer. Er glaubt, dass die Fähigkeit Veränderungen innerhalb der Zelle während ihrer Fortbewegung aufzuzeichnen, wichtig werden könnte: "Ich denke, es gibt da eine Menge möglicher Anwendungen."

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