Umwelt: Unseliger Kosmopolit
"Macht euch die Erde untertan" - wohl kaum ein Satz, und mag er auch falsch übersetzt sein, sagt deutlicher die Wahrheit über des Menschen Wirken auf unserem Planeten. Das alles ist altbekannt, und doch sind neue Zahlen immer wieder erschreckend. Zumal wenn sie als naturverträglich angepriesene Energiekonzepte bedenklich erscheinen lassen.
Wissen wir noch, was Natur ist? Eine zwitschernde Amsel, das Aufblühen der Duftveilchen, ein rauschender Bach – die erste eine Kulturfolgerin, das zweite ein Gartenflüchtling, und beim dritten bemerkt nur das geübte Auge den viel zu geraden Lauf und die zu hohen Ufer, die frühere regulierende Eingriffe verraten. Die Natur um uns ist längst nicht mehr natürlich. Und erscheint dann doch einmal ein einigermaßen ursprünglicher Geselle wie Bär Bruno, wird deutlich, wie weit Natur auch unserem Denken schon entfremdet ist: Auf der einen Seite dominiert reine Risikoabwägung die Einschätzung (das Tier könnte ja Menschen bedrohen), auf der anderen Seite findet eine genauso unsinnige Verniedlichungskampagne statt.
Der Mensch fühlt sich gern als Beherrscher – Natur ist etwas Gefährliches, das in seine Schranken gewiesen werden muss. Hier ließe sich natürlich eine philosophische Diskussion anschließen: Kann ein Wesen, das Teil eines Systems ist, dieses überhaupt beherrschen, sich also darüber erheben? Wie auch immer die jeweils individuelle Antwort darauf lautet, eines ist klar: Ob Teil oder übergeordnet, Homo sapiens hat seiner Umwelt seinen Stempel aufgedrückt. Weltweit.
Gezähmte Landschaft
Für Peter Kareiva vom Umweltforschungsinstitut der Universität Santa Clara in Kalifornien und seine Kollegen ein Anlass, sich einmal genauer mit dem Thema "Zähmung der Landschaft" auseinanderzusetzen – denn als solche empfinden sie den Einfluss des Menschen auf die Natur, ganz analog zur Domestikation von Haustieren und Nutzpflanzen: die Auswahl wünschenswerter Eigenschaften, um sie für uns nutzbringender zu machen [1].
Aus anderen Studien tischen die Forscher zudem Zahlen auf, wonach etwa 22 000 Quadratkilometer europäischer Küsten unter Beton und Asphalt begraben sind – das entspricht ungefähr der Fläche Hessens –, vierzig Prozent der globalen Ernten von vier Pflanzen stammen (Hafer, Mais, Reis und Weizen – mit entsprechenden Monokulturen) oder die Überfischung im Benguela-Strom vor Namibia die Netze der Trawler nun von Quallen überquellen lässt, während die einst reiche und diverse Lebensgemeinschaft dahin ist. Straßen pflastern die Wege in noch weniger erschlossene Gebiete und letzte Rückzugsräume, Kanäle öffnen invasiven Arten Tür und Tor in neue Heimaten, und Krankheiten verbreiten sich dank Flugverkehr heute binnen Stunden in alle Kontinente.
Keine Natur ohne Mensch
Es sei daher an der Zeit aufzuhören, Naturschutz als Schutz der Natur vor dem Menschen zu betrachten, so die Autoren: "Es gibt keine vom Menschen ungezähmte Natur mehr." Das müsse man endlich akzeptieren. Und um weitere negative Folgen zu verhindern, sollten eher die einzelnen Effekte gegeneinander abgewogen werden.
Eine Form der Schadensbegrenzung für menschliches Tun gerät durch neue Ergebnisse aus Klagenfurt ins Wanken. Helmut Haberl und seine Kollegen haben sich angesehen, wie viel des jährlichen Biomassezuwachses auf dem Planeten sich der Mensch direkt und indirekt einverleibt. Und warnen angesichts der jetzt schon immensen Mengen, dass der Ausbau der Energiegewinnung aus pflanzlichen Brennstoffen die humane Überforderung der Umwelt massiv anheizen könnte [2].
Biomassehunger
Auch die Wissenschaftler in Klagenfurt stützten sich auf verschiedenste Quellen wie hoch aufgelöste Fernerkundungsdaten zur Landnutzung, Modelle zur potenziellen Vegetation – also jener Pflanzenwelt, die ohne menschlichen Einfluss dort vermutlich wachsen würde –, und landwirtschaftliche Statistiken der Welternährungsorganisation FAO. Sie versuchten auch, Faktoren wie Bodenerosion, Bewässerung, Waldbrände und vieles mehr in ihren Berechnungen zu berücksichtigen sowie den Anteil an Biomasse, der nach einer Ernte an Ort und Stelle auf dem Acker zurückbleibt.
Dieses knappe Viertel ist dabei im globalen Schnitt zu verstehen, wohlgemerkt: Während Regionen wie Ozeanien, Zentralasien oder die Russische Föderation mit elf bis zwölf Prozent am unteren Ende glänzen, gönnen sich die Westeuropäer vierzig Prozent, und Südasien entzieht seiner Pflanzenwelt immerhin 63 Prozent.
Zweischneidige Schwerter
Nun bedeutet niedrig nicht zwangsläufig gut. Ein Beispiel: In Südosteuropa, das sehr stark landwirtschaftlich geprägt ist, liegt der Wert bei 52 Prozent. Die Ernten hier bringen jedoch weniger ein, und die Differenz zur Produktion der potenziellen natürlichen Vegetation ist hoch – ein großer Anteil der gebildeten Biomasse wird also nicht genutzt, sondern geht verloren. Der Westen mit seiner intensiven Landwirtschaft kommt dagegen weit näher an die maximal mögliche Ausbeute heran. Haberl und seine Kollegen leiten daraus ab, dass in manchen Regionen durch verbesserte Anbautechniken mehr herausgeholt werden könnte.
"Eine Intensivierung der Landwirtschaft geht jedoch oft mit Kosten für die Umwelt einher wie steigendem Trinkwasserverbrauch und höherem Bedarf an fossilen Brennstoffen, Bodendegradation, Stickstoff-Auswaschung und Pestizideinsatz", mahnen die Forscher. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung sei aber mit einer steigenden Ausbeutung des pflanzlichen Biomassezuwachses zu rechnen. Immerhin schlägt die Landwirtschaft über Ernten und Weideland schon jetzt mit 78 Prozent bei der Entnahme zu Buche, während die verbleibenden 22 Prozent in den Bereich Forstwirtschaft, Infrastruktur und menschengemachte Waldbrände fallen.
Und damit noch einmal zurück zur Bioenergie: Jene 8 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die der Mensch also jährlich erntet, entsprechen in etwa einem Heizwert von 300 Exajoule (bislang wandert etwa ein Zehntel davon tatsächlich direkt in die Energiegewinnung). Verschiedene Studien nannten etwa denselben Wert als Anhaltspunkt, wie viel von der Bioenergiewirtschaft in den nächsten Jahrzehnten gefordert werden könnte, um den steigenden Bedarf zu decken. Um Ernten dieser Größenordnung einfahren zu können, müsste sich also die menschliche Entnahme aus den pflanzlichen Ökosystemen – vom Intensivanbau bis zum naturnahen Regenwald – verdoppeln. Wie soll sich das naturverträglich gestalten?
Der Mensch fühlt sich gern als Beherrscher – Natur ist etwas Gefährliches, das in seine Schranken gewiesen werden muss. Hier ließe sich natürlich eine philosophische Diskussion anschließen: Kann ein Wesen, das Teil eines Systems ist, dieses überhaupt beherrschen, sich also darüber erheben? Wie auch immer die jeweils individuelle Antwort darauf lautet, eines ist klar: Ob Teil oder übergeordnet, Homo sapiens hat seiner Umwelt seinen Stempel aufgedrückt. Weltweit.
Gezähmte Landschaft
Für Peter Kareiva vom Umweltforschungsinstitut der Universität Santa Clara in Kalifornien und seine Kollegen ein Anlass, sich einmal genauer mit dem Thema "Zähmung der Landschaft" auseinanderzusetzen – denn als solche empfinden sie den Einfluss des Menschen auf die Natur, ganz analog zur Domestikation von Haustieren und Nutzpflanzen: die Auswahl wünschenswerter Eigenschaften, um sie für uns nutzbringender zu machen [1].
Ihre Daten entstammen unter anderem dem Weltumweltbericht der Vereinten Nationen von 2005, für den weit über tausend Forscher den Effekt von Ökosystemveränderungen auf das Wohlbefinden des Menschen untersucht haben. Etwa die Hälfte der Landoberfläche sind demnach Acker- oder Weideland – wofür mehr als die Hälfte der globalen Wälder gerodet wurden –, Dämme stauen inzwischen die sechsfache Wassermenge dessen, was frei in Flüssen fließt, und zwei Drittel der Leistungen, die ein Ökosystem vollbringt, sind durch den menschlichen Einfluss derzeit am Schwinden.
Aus anderen Studien tischen die Forscher zudem Zahlen auf, wonach etwa 22 000 Quadratkilometer europäischer Küsten unter Beton und Asphalt begraben sind – das entspricht ungefähr der Fläche Hessens –, vierzig Prozent der globalen Ernten von vier Pflanzen stammen (Hafer, Mais, Reis und Weizen – mit entsprechenden Monokulturen) oder die Überfischung im Benguela-Strom vor Namibia die Netze der Trawler nun von Quallen überquellen lässt, während die einst reiche und diverse Lebensgemeinschaft dahin ist. Straßen pflastern die Wege in noch weniger erschlossene Gebiete und letzte Rückzugsräume, Kanäle öffnen invasiven Arten Tür und Tor in neue Heimaten, und Krankheiten verbreiten sich dank Flugverkehr heute binnen Stunden in alle Kontinente.
Keine Natur ohne Mensch
Und selbst Schutzgebiete wie Nationalparks überdauern meist nur – mehr oder weniger – bei gezieltem Eingreifen. Auch hier also muss der Mensch die Hand im Spiel haben: "In der modernen Welt ist Wildnis eher eine Management- oder behördliche Bezeichnung als ein System ohne menschliche Prägung", so die Autoren. Und die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Es sei daher an der Zeit aufzuhören, Naturschutz als Schutz der Natur vor dem Menschen zu betrachten, so die Autoren: "Es gibt keine vom Menschen ungezähmte Natur mehr." Das müsse man endlich akzeptieren. Und um weitere negative Folgen zu verhindern, sollten eher die einzelnen Effekte gegeneinander abgewogen werden.
"Es gibt keine vom Menschen ungezähmte Natur mehr"
(Peter Kareiva et al.)
Daraus erst lasse sich dann die sinnvollste Strategie finden, die zum einen die größte Schadensbegrenzung und zum anderen den besten Nutzen für den Menschen bietet, fordern Kareiva und seine Kollegen. (Peter Kareiva et al.)
Eine Form der Schadensbegrenzung für menschliches Tun gerät durch neue Ergebnisse aus Klagenfurt ins Wanken. Helmut Haberl und seine Kollegen haben sich angesehen, wie viel des jährlichen Biomassezuwachses auf dem Planeten sich der Mensch direkt und indirekt einverleibt. Und warnen angesichts der jetzt schon immensen Mengen, dass der Ausbau der Energiegewinnung aus pflanzlichen Brennstoffen die humane Überforderung der Umwelt massiv anheizen könnte [2].
Biomassehunger
Auch die Wissenschaftler in Klagenfurt stützten sich auf verschiedenste Quellen wie hoch aufgelöste Fernerkundungsdaten zur Landnutzung, Modelle zur potenziellen Vegetation – also jener Pflanzenwelt, die ohne menschlichen Einfluss dort vermutlich wachsen würde –, und landwirtschaftliche Statistiken der Welternährungsorganisation FAO. Sie versuchten auch, Faktoren wie Bodenerosion, Bewässerung, Waldbrände und vieles mehr in ihren Berechnungen zu berücksichtigen sowie den Anteil an Biomasse, der nach einer Ernte an Ort und Stelle auf dem Acker zurückbleibt.
23,8 Prozent lautet schließlich das Ergebnis nach zahlreichen Durchläufen und Gegenproben mit anderen Daten und Modellen: Ein knappes Viertel der weltweiten pflanzlichen Produktion fällt dem Menschen zum Opfer. Etwa die Hälfte davon gehören schlicht in den Bereich Ernte, weitere vierzig Prozent gehen auf das Konto geringerer Produktivität durch menschliche Nutzung der Fläche (in welcher Weise auch immer – von Weideland bis Straßenkreuzung) und ein Anteil von sieben Prozent beziffert den Verlust durch Brandrodung.
Dieses knappe Viertel ist dabei im globalen Schnitt zu verstehen, wohlgemerkt: Während Regionen wie Ozeanien, Zentralasien oder die Russische Föderation mit elf bis zwölf Prozent am unteren Ende glänzen, gönnen sich die Westeuropäer vierzig Prozent, und Südasien entzieht seiner Pflanzenwelt immerhin 63 Prozent.
Zweischneidige Schwerter
Nun bedeutet niedrig nicht zwangsläufig gut. Ein Beispiel: In Südosteuropa, das sehr stark landwirtschaftlich geprägt ist, liegt der Wert bei 52 Prozent. Die Ernten hier bringen jedoch weniger ein, und die Differenz zur Produktion der potenziellen natürlichen Vegetation ist hoch – ein großer Anteil der gebildeten Biomasse wird also nicht genutzt, sondern geht verloren. Der Westen mit seiner intensiven Landwirtschaft kommt dagegen weit näher an die maximal mögliche Ausbeute heran. Haberl und seine Kollegen leiten daraus ab, dass in manchen Regionen durch verbesserte Anbautechniken mehr herausgeholt werden könnte.
"Eine Intensivierung der Landwirtschaft geht jedoch oft mit Kosten für die Umwelt einher wie steigendem Trinkwasserverbrauch und höherem Bedarf an fossilen Brennstoffen, Bodendegradation, Stickstoff-Auswaschung und Pestizideinsatz", mahnen die Forscher. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung sei aber mit einer steigenden Ausbeutung des pflanzlichen Biomassezuwachses zu rechnen. Immerhin schlägt die Landwirtschaft über Ernten und Weideland schon jetzt mit 78 Prozent bei der Entnahme zu Buche, während die verbleibenden 22 Prozent in den Bereich Forstwirtschaft, Infrastruktur und menschengemachte Waldbrände fallen.
Und damit noch einmal zurück zur Bioenergie: Jene 8 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die der Mensch also jährlich erntet, entsprechen in etwa einem Heizwert von 300 Exajoule (bislang wandert etwa ein Zehntel davon tatsächlich direkt in die Energiegewinnung). Verschiedene Studien nannten etwa denselben Wert als Anhaltspunkt, wie viel von der Bioenergiewirtschaft in den nächsten Jahrzehnten gefordert werden könnte, um den steigenden Bedarf zu decken. Um Ernten dieser Größenordnung einfahren zu können, müsste sich also die menschliche Entnahme aus den pflanzlichen Ökosystemen – vom Intensivanbau bis zum naturnahen Regenwald – verdoppeln. Wie soll sich das naturverträglich gestalten?
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