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H5N1: "Unsere Viren sind keine Biowaffen"

Seine Forschung trat eine weltweite Debatte los. Ein Jahr standen Herr Fouchiers Labore still. Im Interview kritisiert der Virologe die Medienaufregung um sein vermeintliches "Killervirus". Ein Gespräch mit dem Virologen vom Erasmus Medical Center in Rotterdam.
Vogelgrippe: H5N1-Viren

Herr Fouchier, Sie kreieren Viren, die so ansteckend sind wie die Schweinegrippe und so gefährlich wie die Vogelgrippe – das wirkt nicht wie seriöse Wissenschaft, sondern erinnert an Frankenstein.

Ron Fouchier: Das ist übertrieben, so gefährlich ist das nicht. Wir haben die kaum infektiösen Vogelgrippeviren genetisch so verändert, dass sie über die Atemwege – also zum Beispiel beim Niesen oder Husten – übertragen werden. Bei unseren Labor-Frettchen hat das funktioniert: Sie bekamen Fieber, Husten und Schnupfen, Grippesymptome eben. Gestorben sind nur die Tiere, denen wir eine hohe Dosis des Virus direkt in die Lunge gespritzt haben.

Mit Ihren Experimenten haben Sie besonders in den USA eine kontroverse Debatte losgetreten. Terroristen könnten das Virus als Biowaffe verwenden, hieß es von Politikern und Journalisten. Das National Science Advisory Board for Biosecurity (NSABB) forderte die Fachzeitschriften "Science" und "Nature" auf, die Ergebnisse vorerst unter Verschluss zu halten. Hatten Sie mit so einem Rummel gerechnet?

Natürlich war mir bewusst, dass unsere Ergebnisse Diskussionen und Besorgnis auslösen würden. Doch ich habe nicht erwartet, dass das NSABB "Science" von der Veröffentlichung abrät. Das hat alles schlimmer gemacht als nötig. Denn so konnten wir die Öffentlichkeit nicht vernünftig informieren und erklären, was die Vorzüge unserer Experimente sind. So haben die Menschen nur die reißerischen Nachrichten der US-Medien gehört und Angst bekommen.

Unberechtigt scheinen die Bedenken nicht – befürchten Sie nicht, dass Terroristen Ihre Ergebnisse als Bauplan für Biowaffen verwenden?

Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Unsere Viren sind keine Biowaffen, und es hilft auch nicht gerade, dass die Medien sie als "Killerviren" bezeichnet haben. Es gibt Krankheitserreger, die innerhalb von kurzer Zeit zum Tod führen und weitaus ansteckender sind als unsere Viren. Die würden sich als Waffe viel besser eignen. Außerdem ist es sehr schwierig, unser Virus zu bauen – dafür braucht man tiefer gehende Fachkenntnis. Ich kann verstehen, dass die Menschen die Vorstellung eines infektiösen H5N1-Virus ängstigt. Aber ich kann nicht verstehen, warum die Medien – besonders Fernsehsender und Zeitungen in den USA – diese Angst auch noch geschürt haben.

Dennoch erscheint es irrsinnig, ein Virus absichtlich gefährlicher zu machen, als es bereits ist.

Die Experimente sind keineswegs Irrsinn, sondern sehr wichtig. Wir wissen, dass das Vogelgrippevirus tödlich sein kann und schon jetzt ständig seine Gestalt verändert – dass es infektiös wird, ist also eine reale Gefahr. Anstatt abzuwarten und zu hoffen, dass es nicht zu einer Pandemie kommt, sollten wir uns darauf vorbereiten. Dazu müssen wir Forscher wichtige Fragen klären: Wie sehr muss sich das Virus wandeln, um ansteckend zu werden? Welche Impfstoffe und Medikamente würden gegen eine veränderte Virusvariante helfen? Unsere Versuche könnten Antworten liefern.

Welche Erkenntnisse fehlen denn noch, um diese Fragen zu beantworten?

Viele. Es ist uns zwar gelungen, das Vogelgrippevirus ansteckend zu machen. Wir haben ihm mit den Mutationen die Fähigkeit verliehen, von Tier zu Tier zu wandern. Doch wir wissen immer noch nicht genau, warum es das plötzlich konnte. Das wollen wir klären. Auch müssen wir testen, ob und wie die Virusvariante auf existierende Impfstoffe und Medikamente reagiert. Wir haben zwar anhand der Virusstruktur schon eine Vermutung – doch das müssen wir im Tierversuch ausprobieren. Außerdem haben wir bis jetzt nur mit indonesischen Viren gearbeitet. Wir wissen nichts über Varianten, die zum Beispiel in Ägypten oder China kursieren.

Ein Jahr lang haben Sie und Ihre Kollegen die Forschung am "Supervirus" ruhen lassen. Nun wollen Sie das freiwillige Moratorium beenden. Was hat sich in der Pause getan – sind die Labore jetzt sicherer?

Die Pause sollte den Regierungen der teilnehmenden Staaten die Möglichkeit geben, ihre Richtlinien zu solchen Experimenten zu überdenken. In den asiatischen und europäischen Ländern ging das recht schnell. In Deutschland und den Niederlanden sind die Gesetze schon streng genug. Während der Pause kam man zu der Erkenntnis, dass unsere Sicherheitsstandards ausreichen. Hier in Rotterdam forschen wir in Hochsicherheitslaboren – die sind luftundurchlässig, und es gelten stringente Regeln, wie die Viren zu handhaben sind.

Sie mussten Ihre Arbeit für ein Jahr auf Eis legen. Hat Sie das geärgert?

Geärgert nicht, aber frustrierend war es schon. Es hat unsere Forschung gebremst. Anstatt meiner Arbeit als Wissenschaftler nachzugehen, habe ich ständig an Diskussionen teilnehmen müssen. Ich musste immer wieder die Risiken und Nutzen darlegen. Sie müssen sich auch bewusst machen, was das Moratorium für meine Arbeitsgruppe bedeutet hat: Wir haben mit acht Mann an den Viren geforscht. Dann plötzlich, von einem Tag auf den anderen, haben wir das Labor dicht gemacht. Meine Mitarbeiter mussten sich eine andere Arbeit suchen.

Ursprünglich war die Pause für 60 Tage angesetzt, nun hat sie fast ein Jahr gedauert. Warum?

Wir mussten sehr lange auf die USA warten. Dort haben Forscher, Gesundheitsorganisationen und die Regierung lange diskutiert, wie man künftig mit Virusexperimenten umgehen soll. Im Juni konnte das National Science Advisory Board for Biosecurity noch immer kein klares Statement abgeben. Die Weltgesundheitsorganisation hat uns deshalb empfohlen, das Moratorium zu verlängern.

Und jetzt ist man sich in den USA endlich einig?

Nein, die Unterzeichner aus den USA werden weiterhin nicht an den Viren forschen. Bis man zu einem klaren Entschluss gekommen ist. Das wird nicht mehr lange dauern, denke ich. Trotzdem wollten wir nicht länger warten. Die Experimente müssen weitergehen.

Herr Fouchier, vielen Dank für das Gespräch.

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