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News: Unter ewigem Eis

Unter einer fast 20 Meter dicken Eisdecke ruht der antarktische Vida-See. Und vielleicht birgt er ein seit fast 3000 Jahren isoliertes Ökosystem.
Vida-See
Die Klimadaten klingen ziemlich ungemütlich: mittlere Jahrestemperatur minus 27 Grad Celsius, mittlerer Jahresniederschlag weniger als 100 Millimeter Schnee. Es ist kalt und trocken in den McMurdo Dry Valleys der Antarktis.

Die Täler, zu denen auch das Victoria Valley zählt, beheimaten mehrere Seen, wie zum Beispiel den Vida-See, der mit knapp sieben Quadratkilometern Oberfläche zu den größten der Region gehört. Bisher gingen die Wissenschaftler davon aus, dass diese Seen ganzjährig bis auf den Grund zugefroren sind, also eher kompakten Eisblöcken ähneln. Doch die Untersuchungen von Peter Doran von der University of Illinois lassen daran zweifeln.

Denn die Georadarmessungen, die der Geowissenschaftler zusammen mit seinen Kollegen durchführte, offenbarten ein ganz anderes Bild: 19 Meter unterhalb des Eises des Vida-Sees wiesen sie eine Wassser-Eis-Grenzfläche nach. Mit anderen Worten: Unter einem fast 20 Meter dicken Eispanzer ruht flüssiges Wasser.

Die Forscher gingen der Sache näher auf den Grund und setzten zwei Probebohrungen an. Um das Seewasser nicht zu verunreinigen, stoppten sie ihre Bohrungen bei 14 und 16 Metern, blieben also mindestens drei Meter oberhalb der vermuteten Wasseroberfläche.

Die Bohrkerne offenbarten die physikalischen Begebenheiten in der Eisdecke: Mit zunehmender Tiefe stieg die Temperatur demnach von minus 30 auf minus 12 Grad Celsius an; ab 16 Meter Tiefe lag das Eis nicht mehr kompakt, sondern gemischt mit hoch konzentrierter Salzlake vor. Mit einer Salinität von 245 Promille war die Lake siebenmal salziger als normales Meerwasser. Bei dieser Salzkonzentration bleibt Wasser bis zu einer Temperatur von minus 10 Grad Celsius flüssig, und entsprechend frostige Verhältnisse nehmen die Forscher für das Wasser des Sees an.

Am spannendsten dürften jedoch die Lebensspuren sein, welche die Wissenschaftler zu Tage förderten. Trotz der harschen Bedingungen fanden sie Bakterien, die tatsächlich wieder anfingen zu wachsen, als die Forscher sie auftauten. Die Keime hatten ausgeharrt im Eis, das nach 14C-Analyse ein Alter von mindestens 2800 Jahren aufweist.

"Die Eisdecken dieser Seen bergen eine Oase des Lebens unter Bedingungen, die bisher als ziemlich ungastlich angesehen wurden", betont John Priscu aus der Arbeitsgruppe. "Diese Lebensformen könnten unbekannte Substanzen als Frostschutzmittel besitzen, die den Organismen beim Auftauen eine Rückkehr zum Leben ermöglichen."

Eine ähnlich exotische Lebenswelt vermuten Wissenschaftler auch im berühmten Vostok-See, der unter einem vier Kilometer dicken Eispanzer in der Antarktis verborgen liegt. Wie dieser, könnte jetzt auch der Vida-See als Modell dienen, wie Lebensformen unter Extrembedingungen überdauern können – nicht nur auf der Erde. "Der Mars hatte vermutlich in der Vergangenheit sehr viel Wasser", spekuliert Doran. "Falls sich hier Leben entwickelt haben sollte, dann könnte es in Ökosystemen ähnlich wie dem Vida-See eine Rückzugsnische gefunden haben, bevor das Wasser komplett einfror."

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