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Botanik: Untergrundstrategien

Seit Hunderten von Jahrmillionen blüht und gedeiht eine innige Lebensgemeinschaft. Die Beteiligten: Pflanzen und Pilze. Über Wurzeln und Hyphen tauschen sie in fairem Handel Nährstoffe aus und sichern so Vorteile für beide Seiten. Wer sie zusammenführt und wie sie ihre Handelsware verpacken, zeigen nun neue Ergebnisse.
Mykorrhiza-Pilz an einer Pflanzenwurzel
Der Sprung an Land wäre den Pflanzen sicherlich schwerer gefallen, hätte es keine Pilze gegeben. Denn die Nährstoffaufnahme mit festem Boden unter den grünen Füßen brachte ganz neue Herausforderungen – da waren die Zellfäden-Hyphen der Fungi-Lebenspartner schon sehr hilfreich. Die Gemeinschaft bewährte sich so lange und gut, dass sich heute noch vier Fünftel der Landpflanzen darauf verlassen.

Das Wechselspiel von Pilz und Pflanze ist damit von entscheidender Bedeutung für alles grüne Leben auf unserem Planeten und dementsprechend gut untersucht. Und doch gibt es noch zahlreiche Rätsel rund um die Untergrund-WG: Wie finden sich überhaupt die Partner? Was löst die innige Verknüpfung von Hyphe und Wurzel aus? Und wie läuft schließlich der Nährstoffhandel ab?

Manjula Govindarajulu von der Universität von New Mexico und ihre Kollegen nahmen sich der letzten Fragestellung, also der Wirtschaftsbeziehungen der beiden Partner an: Während der Pilz Bodennährstoffe wie Stickstoff und Phosphor in anorganischer Form aufnimmt und liefert, bekommt er als Gegenleistung organische Nährstoffe meist in Form von Kohlenhydraten. Um den Austausch auf engstem Wege zu ermöglichen, wachsen die Hyphen in die äußeren Rindenzonen der Wurzel ein, wo dann die Übergabe stattfindet.

Mit isotopenmarkierten Substraten – also beispielsweise Nitrat, welches das Stickstoff-Isotop N-15 enthält – verfolgten die Forscher den Weg der Handelsware. Dabei zeigte sich, dass Stickstoff im ersten Schritt in Aminosäuren eingebaut wird. Hier glänzt insbesondere Arginin, das gleich vier Stickstoffatome pro Molekül aufnimmt. In dieser Transportvariante wird das kostbare Gut in jene Hyphenbereiche transportiert, die an einem Grenzübergang enden. Doch dann, so verrieten die Experimente der Forscher, bleibt der kohlenstoffhaltige Teil des Proteinbausteins zurück und nur der Stickstoff tritt in Form von Ammonium über in die Pflanzenwelt [1].

So vermeidet der Pilz wohl einen zu großen Kohlenstoffverlust, während die Pflanze ihren begehrten Nährstoff gleich in gut verdaulicher Form bekommt. Und sie bekommt davon nicht zu knapp: Etwa ein Drittel des Stickstoffs, offenbarten die Isotopenschicksale, wandern von den Hyphen in die Wurzeln. Zudem hat Arginin noch den Vorteil, dass es Polyphosphate binden kann, die ebenfalls als potenzielle Handelsware gelten. Somit würde die Aminosäure quasi nur als Taxi dienen, das gleich zwei wertvolle Fahrgäste – Stickstoff und Phosphor – ans Ziel kutschiert.

Doch vor der trauten Zusammenarbeit steht ein entscheidender Schritt: Der Pilz muss in den dunklen Weiten des Erdbodens erst einmal den pflanzlichen Partner finden – und umgekehrt. Dafür senden die Pflanzen ein chemisches Signal aus, das im gewünschten Untermieter den Drang auslöst, sich zu verzweigen und die charakteristischen Hyphenfinger zu bilden, mit denen er dann in die Wurzeln eindringt. Welche Substanz genau dahinter steckt, blieb bislang allerdings ein Rätsel: zu gering sind die Konzentrationen, weshalb es Forschern bislang nicht gelungen war, den Signalgeber zu isolieren.

Doch das Team um Kohki Akiyama von der Präfektur-Universität Osaka hat dieses Kunststück nun vollbracht. Die Wissenschaftler schickten ein offensichtlich Verzweigungsstimulanz enthaltendes Extrakt mehrmals über Aktivkohlefilter und reicherten den gesuchten Kandidaten damit an. Dann trennten sie die erhaltenen Rückstände über verschiedene Chromatografie-Verfahren immer weiter auf. Indem sie ständig parallel die Signalwirkung überprüften, konnten sie die Proben eingrenzen und sich auf jene konzentrieren, die überhaupt Wirkung zeigten.

Zum Schluss schickten sie ihren wahrscheinlichsten Kandidaten durch eine penible spektroskopische Analyse – und erlebten eine Überraschung: Sie fanden ein Strigolacton [2]. Die von den Forscher aufgespürte Variante war bislang noch nicht in freier Wildbahn nachgewiesen worden, aber als Kunstprodukt schon entwickelt. Und in der Petrischale zeigte sich schnell, dass auch andere Strigolactone in bereits äußerst geringen Mengen den Verzweigungsdrang anstoßen können, wenn auch mit unterschiedlich großem Erfolg. Dabei spielte es kaum eine Rolle, aus welcher Ecke des Pflanzenreiches sie stammten – ein Hinweis, dass sie wohl schon zu frühesten Zeiten der Lebensgemeinschaft diese Aufgabe übernommen haben.

Doch beschränkte sich die Überraschung nicht darauf, eine Substanz zu finden, die synthetisch schon bekannt. Vielmehr verblüffte die Forscher, dass sie damit einem Angehörigen einer Gruppe von Sesquiterpenen auf die Schliche kamen, die unter Botanikern vor allem dafür bekannt ist, dass sie bei Schmarotzern wie der Sommerwurz (Orobanche spp.) die Samenkeimung auslöst. Offensichtlich wird das uralte Signal als abgehört, spekulieren die Forscher: Zumindest wäre das eine sinnvolle Erklärung für seine keimungsfördernde Wirkung bei Schmarotzern. Zielsicher offenbart es auch ihnen, dass hier eine Nährstoffleitung anzubohren ist. Nur gibt es im Gegensatz zu den Pilzen, die fairen Handel betreiben, von Sommerwurz und Co keine Gegenleistung. Abstauber gibt es eben überall.

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