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Archäologie: Unterwegs auf dem Khmer-Highway

Der Pilgerweg, der einst die großen Tempel im Osten Thailands mit dem kambodschanischen Angkor verband, ist noch immer lebendige Geschichte. Jetzt spüren Forscher beider Länder der alten Straße nach - und gehen dabei erstmals gemeinsame Wege.
Der Prasat Phimai am Ende der Königsstraße
Wer sich in den Tempelanlagen des thailändischen Prasat Phimai oder auf dem Prasat Phanom Rung an die Heiligtümer im kambodschanischen Angkor erinnert fühlt, ist hundertprozentig auf der richtigen Spur. In den ersten Jahrhunderten des letzten Jahrtausends erstreckte sich hier wie dort ein Riesenreich bis an die Grenze Birmas und damit fast vollständig über das Gebiet des heutigen Thailands. Regiert wurde es von den Khmer-Königen im fernen Angkor.

Dort, am Westtor von Angkor Thom in Kambodscha, begann der Khmer-Highway.
Ausgangspunkt der königlichen Straße | Hier am Angkor-Thom in Kambodscha beginnt eine Straße, die nach einem 225 Kilometer langen Weg durchs Gebirge in Thailand endet.
An Tempeln, Gebetskapellen und Herbergen vorbei schlängelte er sich durch die kambodschanische Ebene, führte dann über den Gebirgszug Phanom Dongrak, der eine natürliche Grenze zwischen Kambodschas Provinz Oddar Meanchay und Surin in Thailand bildet, und endete nach 225 Kilometern mitten in der Region Isan am Prasat Phimai. Der Tempelkomplex liegt heute rund vierzig Autominuten von der lokalen Metropole Korat entfernt.

Ein thailändisch-kambodschanisches Team hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Route auf voller Länge zu dokumentieren. Es ist das erste Mal, dass beide Länder bei der Erforschung ihrer gemeinsamen Geschichte kooperieren. "Living Angkor Road Project" haben sie ihr Vorhaben getauft – "lebendig", weil für die Menschen diesseits und jenseits der Grenze die Straße nie verschwunden war. Bis auf den heutigen Tag spielt sie in ihrem Alltag eine Rolle.

"Es war ein alter Mann in einem Dorf, der uns von einem Pfad erzählte, den er seit langem benutzte, um zu seinem Reisfeld zu gelangen. So haben wir die alte Straße gefunden", erinnert sich der Teamleiter für die kambodschanische Seite, Hauptmann Surat, wie sie den Abschnitt in den Dongrak-Bergen entdeckten.
Der Prasat Phimai am Ende der Königsstraße | Der Khmer-Tempel Prasat Phimai ist das Zentralheiligtum des Korat-Plateaus in der Region Isai. Die Gesamtanlage ist offenbar nach Angkor, dem Herrschaftssitz der Gründer ausgerichtet.
Von Kambodscha führt er hinauf zum Korat-Plateau, das noch immer nicht von Landminen aus der Bürgerkriegszeit geräumt ist. Große Teile der Straße hat sich längst die Natur zurückgeholt. Sie verschwanden im Dickicht des Urwalds.

Vorwärts geht es nur mit dem Wissen der Dörfler

Dass die Forscher dennoch mittlerweile alle Ruinen der 17 Dharmasalas lokalisieren konnten, die als Gebetskapellen und Rasthäuser dienten – auch das ist dem Wissen der Dörfler zu verdanken. Die Bauern führten sie außerdem zu den 32 Brücken der Straße, von denen einige noch intakt sind und benutzt werden. Freimütig geben die Wissenschaftler zu, wie viel ihnen ohne das Wissen der Ortsansässigen entgangen wäre. "Das lokale Wissen ist die Hauptquelle unserer Information. Die Technologie ist nur ein praktisches Werkzeug", findet Im Sokrithy.

Er und Surat Lertlum sind die führenden Köpfe im Projekt. So unterschiedlich ihre nationale und ethnische Zugehörigkeit, so verschieden sind auch ihre Professionen. Surat Lertlum ist Offizier und Experte für Geoinformationssysteme an der Königlichen Militärakademie Chulachomklao, der Kaderschmiede des thailändischen Militärs.
Treppe zum Phanom Rung | Höher mein Gott zu dir – eine steile Treppe führt hinauf zum Khmer-Heiligtum Phanom Rung im Isan. Der Tempel im Osten Thailands wurde auf einem erloschenen Vulkan erbaut. Die Steinquader stammen aus einem 30 Kilometer entfernten Steinbruch und wurden mit schierer Muskelkraft den 400 Meter hohen Berg hinaufgeschafft.
Sein kambodschanischer Kollege Im Sokrithy ist Archäologe der Apsara-Behörde, jenem Wissenschaftsinstitut, dem die Erforschung der Angkor-Zeit und der Erhalt der Tempelanlagen von Angkor obliegt. Dort entdeckte antike Inschriften, aber auch Dokumente aus der französischen Kolonialzeit vermitteln ihnen wichtige Erkenntnisse über die Geschichte der Straße.

Der Isan, durch den die Wanderroute zum Großteil verläuft, gilt als die ärmste Region Thailands. "Strukturschwach" heißt das in der technokratischen Entwicklungshilfesprache. Die allermeisten der Sexarbeiter, Taxifahrer und Hotelangestellten in Bangkok und Pattaya kommen von hier. Nur noch wenig erinnert an die einstige Bedeutung der Region, die seit der Bronzezeit mit jeder Phase der Kultur- und Zivilisationsgeschichte Südostasiens eng verbunden ist.

Ausgrabungen zeigen, dass es im Isan seit gut 4000 Jahren weit entwickelte Kulturen gab, lange noch bevor die Thais um das sechste Jahrhundert nach Siam einwanderten. Und auch im gewaltigen Königreich der Khmer spielte das an Kambodscha und Laos angrenzende Gebiet eine zentrale Rolle.

Allen politischen Wechselbädern zum Trotz

Bis heute verbinden die Einheimischen mit ihrer "königlichen Straße" auch religiös-spirituelle Elemente. Die Tempel blieben in Benutzung, seit Jahrhunderten verehrten sie dort ihre Götter – ungeachtet der vielen Religionswechsel zwischen Mahayana-Buddhismus, Hinduismus und Theravada-Buddhismus in den letzten tausend Jahren. Auch die politischen Wechselbäder konnten wenig daran ändern.
Hauptgebäude des Phanom Rung | Am Ende der langen Treppe zum Phanom Rung belohnt das reich verzierte Hauptgebäude für die Mühen des Aufstiegs.
Auf den Verfall des Khmer-Imperiums war das laotische Lan-Xang-Reich gefolgt. Später dominierten das alte Siam und schließlich die französischen Kolonialherren im angrenzenden Kambodscha.

Während der mörderischen Terrorherrschaft der Roten Khmer nutzten dann viele Kambodschaner die Straße der Angkor-Könige, um vor den Schergen Pol Pots nach Thailand zu fliehen. Was den alten Weg aber vor Verfall und Vergessenheit bewahrt hat, ist der Glaube der Bauern, dass die Straße heilig ist. "Sie sind sich sicher, dass eine Zerstörung der Straße Unglück bringen würde", sagt Im Sokrithy. Für die Wissenschaftler hat sich das als unschätzbares Glück erwiesen.

Zu allen Zeiten zog die Aussicht auf gute Geschäfte mit den Reisenden Händler, Bauern und Glücksritter an die Straße.
Show am Phimai | Einmal im Monat findet am Prasat Phimai eine eindrucksvolle Sound- und Lightshow statt, die sich mittlerweile als Touristenmagnet erwiesen hat.
Im Sokrithy und Surat Lertlum konnten nachweisen, dass es in einem Radius von zwei Kilometern um die Straße herum Ansiedlungen gab, die durch kleinere Wege mit dem Khmer-Highway verbunden waren.

Noch immer ist allerdings unklar, ab wann genau die Angkor-Könige mit dem Bau begonnen haben. "Die königliche Straße ist nicht vor dem 9. oder 10. Jahrhundert gebaut worden. Spätestens vom 11. Jahrhundert an aber dürfte die gesamte Achse Angkor-Phimai etabliert gewesen sein", sagt Im Sokrithy.

Schießerei um ein Stück Land

Die vielen Tempel entlang der Straße sowie antike Inschriften in Angkor lassen die Vermutung zu, dass sie ein Pilgerweg war, über den Priester in Erfüllung ihrer religiösen Aufgaben und Pflichten reisten. "Gemäß der Theorie des Mandala-Systems war Angkor das Zentrum und die Tempelanlagen von Phimai ein Satellit. Aber für das ganze Korat-Plateau wiederum war Phimai das Herz", sagt Im Sokrithy.

Von den grenzüberschreitenden Verbindungen in der Vergangenheit ist heute nicht mehr viel übrig: Ein heftiger politischer Streit zwischen Thailand und Kambodscha tobt um die Frage, wem ein kleines Stück Land am Tempel Preah Vihear im kambodschanisch-thailändischen Grenzgebiet gehört. Im Herbst 2008 kam es zur Eskalation, als beide Seiten Truppen aufmarschieren ließen, die sich am Ende sogar eine Schießerei lieferten.

Das Projekt selbst hat die Auseinandersetzung noch nicht erreicht, doch seine gesellschaftliche und politische Brisanz liegt angesichts des Konflikts auf der Hand. "Kultur kennt keine Grenzen", gibt sich Im Sokrity optimistisch. Und auch Hauptmann Surat hofft: "Wir werden durch unsere Studien den Menschen zeigen, dass es in der Vergangenheit keine Trennung gab und dass wir daraus für die Zukunft lernen können."

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