Sex und Kannibalismus: Unzufriedene Schleimfisch-Väter fressen ihre Kinder
Bei einigen Fischen übernehmen Väter die Aufgabe, sich um den ungeschlüpften Nachwuchs zu kümmern. In diese Gruppe gehört auch der Schleimfisch Rhabdoblennius nitidus: Nachdem das Männchen ein Weibchen durch intensive Balzbemühungen von sich überzeugt hat, darf er ihre abgelaichten Eier befruchten, woraufhin sie davonschwimmt. Dann übernimmt das Männchen die Aufgabe, das Gelege zu umsorgen, bis die jungen Fische schlüpfen. Gelegentlich läuft in dieser Phase allerdings einiges schief: Statt die Eier zu bewachen, frisst der Jungvater den Nachwuchs auf – wahrscheinlich aus Hunger, so die bisher beste Theorie der Fischforscher. Stimmt nicht, meinen nun Wissenschaftler in einem Beitrag in »Current Biology«: Die Fischväter handeln eher aus Berechnung.
Forscher um Yukio Matsumoto hatten männliche Rhabdoblennius-Exemplare bei ihren Experimenten an der Universität Nagasaki intensiv beobachtet und mit allerlei Methoden analysiert. Dabei war zunächst aufgefallen, dass durchaus auch gut genährte Männchen das ihnen anvertraute Gelege fraßen. Doch die Männchen verspeisen die Eier nicht immer – oft schaffen sie sie auch mit dem Maul aus dem Nest und spucken sie einfach ins Abseits. Beide Verhaltensweisen kamen vor allem dann vor, wenn die Zahl der Eier im Gelege recht klein war. Offenbar handelten die Männchen also dann, wenn sie eher wenige Nachkommen aus dem von ihnen bewachten Gelege zu erwarten hatten.
Ein wesentlicher Faktor für das Verhalten ist dabei der Hormonspiegel im Blut der Männchen, wie Matsumoto und Kollegen herausfanden: In Gegenwart von befruchteten Fischeiern sinkt der Testosteronwert der Tiere auf einen extrem niedrigen Wert. Dies sorgt dafür, dass die Männchen in die Brutpflege einsteigen, vor allem aber auch dafür, dass sie alle weiteren Balzbemühungen einstellen. Bei einer unbefriedigend niedrigen Zahl von Eiern suchen die Fische dann einen drastischen Ausweg aus dem hormonellen Dilemma: Sie entfernen die Eier, die ihren Hormonspiegel senken, um erneut – womöglich mit größerem Erfolg – ins Paarungsgeschäft einsteigen zu können.
Das Schleimfischverhalten ist somit kein Kannibalismus zur optimierten Energiegewinnung, sondern eine besondere Variante des Infantizids, bei dem Männchen Kinder ihrer Partnerinnen töten, weil sie dadurch eine für die Weitergabe ihres Erbguts günstigere weitere Paarung forcieren. Derartige Kindstötungen kommen bei anderen Fischen vor, aber auch bei vielen weiteren Wirbeltieren – etwa bei Pferden, Nagern, Schimpansen und anderen Affen.
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